ALL GOOD READS #5 / 2016

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Die Welt ist hässlich und gemein. Muss man leider wieder sagen. Sharon Jones ist tot. Der Adam Yauch Park in New York wurde mit Hakenkreuzen beschmiert. Dann noch Trump, und jetzt auch noch Kanye für Trump. Wir lenken uns ab mit einer Leseliste von nennenswerten Online-Artikeln, die sich (im weitesten Sinne) mit HipHop beschäftigen.

Davor noch eine kurze Buchempfehlung: »King Kool City Berlin – Von Hiphop bis Graffiti«. Die Bloggerin Sarah Paulus und der Fotograf Rolf Wackenberg porträtieren in dem Buch 30 Leute aus der Berliner HipHop-Szene. Zumindest im weitesten Sinne. Denn von der einen Szene kann in Berlin natürlich überhaupt keine Rede sein. Die Schnittmenge der Porträtierten – von Kool Savas, Frauenarzt, Manny Marc, MC Fitti, MC Bomber und Ben Salomo über AMOK, 1UP und POET bis zu Marcus Staiger, dem Skateboarder Jürgen Horrwarth, Veranstaltern, Bloggern, Unternehmern und der BVG (!) – ist mal mehr und mal weniger groß. Den roten Faden liefert die Form der einzelnen Texte und Bilder: Sarah Paulus wählt in den meisten Fällen einen szenischen Einstieg und beschreibt in weiterer Folge mit sympathischer Begeisterung jeden einzelnen Charakter, während Fotograf Wackenberg jeden Protagonisten im farbintensiven Glossy-Filter so clean knipst wie es Berlin eigentlich an keiner Stelle ist. Interessanten Köpfen begegnet man auf den knapp 200 Seiten dennoch zu Hauf. Auf jeden Fall ein ALL GOOD READ.

 

King Kool City Berlin

 

Hier sind die ALL GOOD READS #5 / 2016:

 

»A-Trak Talks 10 Years Of Remixing And Why Remix Deals Need To Change« (Forbes)
»Remixes are really interesting«, sagt A-Trak. Bei seinem Standing in der bunten Welt kontemporärer elektronischer Tanz-Musik muss es ja wissen. Auch wenn der Remix in der aktuellen HipHop-Welt in etwa so relevant ist wie Papoose. Hugh McIntyre hat A-Trak für »Forbes« zu dem Thema interviewt.

»Loss Haunts A Tribe Called Quest’s First Album in 18 Years« (New York Times)
Vor wenigen Tagen erschien ein neues A Tribe Called Quest-Album. Das letzte ist 18 Jahre her. Der Tod von Phife Dawg knapp ein Jahr. Touré traf sich mit Q-Tip und Jarobi in genau dem Studio zum Interview, in dem das neue Tribe-Album »We Got It From Here, Thank You 4 Your Service« mit der Unterstützung von u.a. Kendrick Lamar, Jack White, André 3000, Busta Rhymes und Elton John entstand. (Nah am Wasser gebaute HipHop-Altherren sollten mit Vorsicht lesen!) Ebenso empfehlenswert ist die Album-Review von Jon Caramanica – ebenso in der »NY Times«.

»Secret History: How Bob Power Put The Low End In ›The Low End Theory‹« (Okayplayer)
Speaking of Tribe. Zum 25-jährigen Jubiläum des Tribe-Klassikers »The Low End Theory« sprach »Okayplayer« mit dem Sound Engineer der Calliope Studios Bob Power, der maßgeblich an der Entstehung der frühen Native-Tongue-Meisterwerke beteiligt war. Oder wie die »Okayplayer«-Kollegen Bob Power nennen: die musikalische Hebamme.

»Ich will kein Internetphänomen sein‹« (Missy Magazin)
Kürzlich war die afronuyorikanische Rapperin Princess Nokia zu Gast in Berlin. Das »Missy Magazine« sprach mit der überaus interessanten Newcomerin und fragte sie ein, zwei Sachen, die normalerweise nicht unbedingt in Interviews mit Rappern gefragt werden.

»You’re not an old head, you’re just old« (Mass Appeal)
Früher war alles besser. Oder halt auch nicht. Aber es war auf jeden Fall viel besser! Die alte Leier mit dem Reminiscen und der Nostalgie setzt dem einen oder anderen in die Jahre Gekommenen die rosa Brille auf. »Mass Appeal« liefert ein paar Argumente für die Diskussion mit den Ewiggestrigen.

»›Der Trumpismus wird nicht verschwinden‹« (Spiegel Online)
Für »Spiegel Online« interviewte ALL GOOD-Autor Julian Brimmers den Schreiber und HipHop-Akademiker Jeff Chang – es geht darin um Amerika, Farbenblindheit, weiße Verletzlichkeit und den 68er-Moment. Das ist natürlich großartig.

»Kalim – Ein Gespräch über die Straße, Sexismus und Pasta Penne« (Splash! Mag)
Kalim hat mit »Odyssee 579« ein extrem starkes Album gemacht. Die Kollegin Naima Limdighri sprach den Hamburger AoN-Rapper zum Release erfrischend direkt und offen auf Themen an, die in der VÖ-getriebenen Content-Verwertungsmaschinerie der Deutschrap-Medien eher selten zur Sprache kommen.

»20 Years of ›Funcrusher‹: Looking Back on Company Flow, the Mad Geniuses of Underground Rap« (Noisey)
»Du willst bei Company Flow sein? Komm Baby, los rhyme. Ich steck dir dein MK2 in dein Po rein« – so hat man vor 13 Jahren hierzulande gedisst. Company Flow, das legendäre Rap-Trio um El-P, Bigg Jus und Mr. Len, taugte bei einem Illmatic eben als Sinnbild für den verkopften, dreckigen, unfunky Untergrund. Kaum vorstellbar, wenn man sich den Album-Klassiker »Funcrusher Plus« 19 Jahre nach Veröffentlichung anhört. »Noisey« geht zum 20-jährigen Jubiläum der »Funcrusher«-EP die Memory Lane weit zurück für die richtig umfassenden Liner Notes des Meisterwerks.

»Reaktionär, sexistisch, übergriffig: Deutsche Musikbranche, wir müssen reden« (Broadly) »Gedanklich im 15. Jahrhundert…« (Splash Mag!)
Deutscher HipHop hat ein Sexismus-Problem. Auf jeden Fall! Die hiesige Musikindustrie hat ein Sexismus-Problem. Jop. Unsere Gesellschaft hat ein Sexismus-Problem! Ja, auch das. Um das zu realisieren, muss man nicht die Reaktionen in den Kommentarspalten des »Rap«-Tracks von Jennifer Rostock lesen oder sich die grenzdebile Antwort darauf von Bass Sultan Hengzt anhören. Ob Aufklärung hilft? Vielleicht ist bei Menschen, die 2016 noch Witze über Frauen außerhalb der Küche machen, auch einfach Hopfen und Malz verloren. Dennoch sollte jeder das »Splash! Mag«-Interview mit Lisa Ludwig, ehemaliger »rap.de«-Autorin und jetzigen »Broadly«-Chefredakteurin, lesen genauso wie den Text von »Broadly«-Redakteurin Viola Funk über die Realität in der männerdominierten Musik-Industrie.