ALL GOOD READS #3 / 2015

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Neulich bei »Spiegel Online« in der Redaktionssitzung.
»Ich hab hier was Interessantes. Da hat sich jemand die Mühe gemacht, die genauen Orte einiger Alben-Cover herauszufinden und dann auf Google Maps einzubinden.«
»Klingt interessant. Was sind das für Alben?«
»HipHop-Alben… Wir müssten nur noch einen kurzen Artikel dazu schreiben.«
»Stimmt. Aber wir verstehen doch gar nichts von HipHop.«
»Stimmt. Aber ist doch egal. Wir können uns doch auch einfach darüber lustig machen. Ein paar Verallgemeinerungen und Klischees fallen uns doch sicher ein.«
»Stimmt. Ich habe auch schon den perfekten Titel: ›Seht her, wie Straße ich bin«

 

Wie dem auch sei. Hier sind die ALL GOOD READS #3 / 2015:

 

»NahRight x UpNorthTrips Present: Memory Lane, a Digital Museum of Mobb Deep’s The Infamous« (NahRight)
Ein hochgeschätzter Kollege schrieb einmal über Mobb Deep: »Was soll man schreiben über eine Band, die sich im Grunde mit einer Kick, einer Snare und einem ›Ayo‹ erklärt?« Nun, vor etwa 20 Jahren erschien »The Infamous« (und die US-Kollegen von »NahRight« und »UpNorthTrips« haben bei den Beteiligten des Genre-Klassikers nachgefragt. (Besonders »UpNorthTrips« sind dafür natürlich prädestiniert, sind sie doch nach einem Song des Albums benannt!) Und natürlich gibt es viel zu schreiben. Geschichten for days sogar. Das soll aber jetzt nicht gegen den eingangs erwähnten Kollegen gehen – der schrieb nämlich auch folgendes: »Kein anderer Act hat diesen mythischen Ort New York je präziser auf den Punkt gebracht, niemand seine kuntergrauen Landschaften je dunkelbunter nachgezeichnet als Mobb Deep.« Word!

 

»The Agony and the Ecstasy of Kanye West« (NY Times Magazine)
Der US-Musikjournalist Jon Caramanica ist bereits für ein legendäres Kanye-Interview verantwortlich. Jetzt hat er einen neuen Artikel über Kanye geschrieben. Und auch hier tischt Kanye ordentlich auf. War es beim letzten Mal etwa die Geschichte mit der Corbusier-Lampe, die Kanye zu seinem Album »Yeezus« inspiriert haben soll, erzählt er in diesem Fall die Story des Marmor-Tisches, der unverrückbar in seiner neuen Wohnung platziert wurde. Er erinnere ihn an sein Ego – »No matter what you put around it, under it, no matter who photographed it, the douchebaggery would always come through.« Gold!

 

»Kanye West« (Time)
Noch mal Kanye. Sorry, aber wenn das »Time«-Magazin zum (einen von ein paar) einflussreichsten Menschen des Planeten wählt, dann kann man da schon mal darauf hinweisen. (Ist auch kein ellenlanger Artikel, aber das dazugehörige Video hält wieder ein paar schöne Kanyeismen bereit.

 

»The Man Who Broke the Music Business« (New Yorker)
Es gibt kaum eine Person unter 30, deren digitale Musik nicht zu Teilen von Dell Glover kommt. Wie jetzt? Genau. Ab Ende der Neunziger bis durch die Nullerjahre war Glover für die ganz großen Alben-Leaks verantwortlich. Er arbeitete in der PolyGram-Fabrik, in der ein Großteil der US-amerikanischen CDs hergestellt wurden. In einem weit verzweigten Netzwerk war er dafür verantwortlich, dass die Originale neuer Alben zu den Verteilern am Netz gelangten – für die Leaks von »The Eminem Show«, »Country Grammar«, »Stankonia«, »Get Rich or Die Tryin’« und hunderte weitere war er quasi Patient Zero. »The Man Who Broke the Music Business« ist nicht nur die Geschichte von Dell Glover, sondern vielmehr die Geschichte des Umbruchs eines ganzen Industrie-Zweigs.

 

»Ultimate Breaks & Beats: An Oral History« (Cuepoint)
In der Zeit von 1986 bis 1991 erschienen 25 Teile der »Ultimate Breaks and Beats«-Reihe – die Inhalte wurden in der Folge etliche Male gesampled, von Kenny G, Prince, George Michael, Mick Jagger, Mariah Carey, Ariana Grande, Linkin Park, TLC, Justin Bieber, Calvin Harris und Katy Perry. Viel wichtiger: Die Breaks und Beats von »Ultimate Breaks and Beats« legten den Grundstein dafür, wie HipHop in den folgenden 20 Jahren klingen sollte. Dies ist die Geschichte von »Ultimate Breaks and Beats«, erzählt von den Machern sowie einer Reihe echter Experten. Wirklich jeder sollte das lesen!

 

»Unraveling Prefuse 73, the producer hip-hop never knew it needed« (Fact)
Mit seinen Alben »Vocal Studies + Uprock Narratives« (2001) und »One Word Extinguisher« (2003) schuf Guillermo Scott Herren alias Prefuse 73 Klassiker des instrumentalen HipHops. Iwo, er zeigte – bereits Jahre vor der Generation FlyLo –, was im Instrumental-HipHop möglich ist. Er selbst hat das nie an die große Glocke gehängt. Wieso auch? Es gab ja Alben zu veröffentlichen, mit unterschiedlichen Themen und unter unterschiedlichen Pseudonymen: über 15 Alben, mehr als 20 EPs und Singles. Laurent Fintoni hat die Geschichte von Prefuse 73 aufgezeichnet. Großartig.

 

»Gettin‘ Kinda Hectic: Snap and Chill Rob G’s Epic Power Struggle« (Medium)
Eine Musikindustrie-Oper sondergleichen ist die Story des Songs »The Power« von Snap! beziehungsweise von Chill Rob G und The 45 King beziehungsweise weiß man da jetzt gar nicht so genau, wer da was gemacht hat. Am Hit-Potential den Songs ändert das natürlich gar nichts. Robbie Ettelson hat sich das mal genauer angeschaut. Agathe Bauer!

 

»Paid In Full: Vergissmeinicht« (Splash! Mag)
Die »Paid In Full«-Kolumne von Ralf Theil bei den Kollegen vom »Splash! Mag« ist ein ums andere Mal ein ALL GOOD READ-Garant. So auch hier. Es geht um Halbwertszeiten von Statements und Kommunikations-Mechanismen und Promophasen (und um Denyo). Wir wissen: Rapper generell gehören lieber zu denen, die zu viel reden, als zu denen, die schweigen. Ralf Theils Erklärung: »Rapper haben Angst. Angst, vergessen zu werden.«

 

»Farbenlehre« (SZ)
Ein 11-jähriger Junge aus München entdeckt Graffiti für sich und beginnt zu sprühen. Und was macht sein Vater? Er setzt sich mit der Begeisterung seines Sohnes auseinander und begleitet den Filius bei seinem Hobby. Eine schöne Geschichte.