ALL GOOD READS #14 / 2014

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An anderer Stelle haben wir es bereits erwähnt: ALL GOOD-Autor Anthony Obst wurde kürzlich mit dem Rocco-Clein-Preis für Musikjournalismus als bester Nachwuchs-Schreiber ausgezeichnet. Nach dem Gewinn von ALL GOOD-Gründer Jan Wehn im letzten Jahr ist es also (im zweiten Jahr des Bestehens des Preises) der zweite Gewinner aus unseren Reihen.

Das freut uns natürlich. Vor allem weil Kollege Obst die Auszeichnung unter anderem für seinen ALL GOOD-Real Talk über Nas bekommen hat. Der zweite HipHop-Schreiber also, der bei einem Preis ausgezeichnet wird, in dessen nicht gerade kleiner Jury mit Marcus Staiger ein einziger Vertreter der HipHop-Szene sitzt. Das spricht einerseits für die Qualität der Gewinner und ihre Fähigkeiten, auch über Szene-Grenzen hinaus mit ihrer Schreibe zu überzeugen.

Dass HipHop-Journalisten (sofern es denn überhaupt eine solche Zunft überhaupt gibt) – genau wie das Genre an sich übrigens – in der (pop-)kulturellen Diskurs-Welt gerne mal nicht für voll genommen werden, ist nicht gerade überraschend. Dennoch wäre es schön zu sehen, wenn die Jury sich vielleicht um den einen oder anderen Kopf aus der HipHop-Szene erweitert. So als Anregung … vielleicht müssen wir dafür aber auch erst nächstes Jahr das Triple holen … 

 

Wie dem auch sei – hier sind die ALL GOOD READS #14 / 2014:

 

»Richard Russell« (Pitchfork)
Richard Russell ist Chef des Indie-Labels XL Recordings und damit mitverantwortlich für die Veröffentlichung nicht nur mit der besten, wegweisendsten und mutigsten sondern auch der erfolgreichsten Musik der letzten Jahre. Er hat Alben von Adele, The Prodigy, White Stripes, M.I.A., Dizzee Rascal und Ratking veröffentlicht und dazu Alben für Gil Scott-Heron, Bobby Womack und Damon Albarn produziert. Russell spricht eher selten in der Öffentlichkeit über seine Arbeit, dabei hat er eher viel zu erzählen. »Pitchfork« sprach mit der britischen Musikindustrie-Größe. (Russell hat zudem einen absolut empfehlenswerten Mix für Benji B gemacht – großartig.)

 

»Mannie Fresh Tells All: The Stories Behind His Biggest Hits« (Complex)
Einer der meist unterschätzten US-Produzenten ist Mannie Fresh sowieso, darunter leidet auch seine Stellung als der Architekt des Süd-Staaten-Raps der letzten 20 Jahre. Für »Complex« lässt er einige seiner größten Hits Revue passieren.

 

»The Full Miley & The Eternal Lameness Of Taylor Swift« (Passion of the Weiss)
Ich könnte hier quasi jeden einzelnen Artikel von »Passion of the Weiss«, der Webseite des US-Journalisten Jeff Weiss, anführen – allein aus Freude, dass der Blog nach endlosen Wartungsarbeiten endlich wieder online ist. Hier passiert bester Musik-Journalismus. So wie etwa der Beitrag von Rüpel-Writer Doc Zeus über Miley Cyrus, Taylor Swift und die Geschichte mit den weißen Pop-Sternchen, die den Versuch nicht lassen können, sich per Uniform mit HipHop-Kredibilität zu bekleiden.

 

»The Lost Art Of Cratedigging« (Cuepoint)
Die Webpräsenz »Cuepoint« mausert sich zu einem ALL GOOD READS-Sureshot – tatsächlich finden sich hier immer wieder hervorragende Artikel über Musik und vieles, was damit zu tun hat. Wie auch dieser Beitrag von Kathy Iandoli, in der sie sich mit Cratediggin‘ beschäftigt und dafür unter anderem mit Diamond D und DJ Premier sprach.

 

»In Defense Of Ms. Hill« (Cuepoint)
Weil sich Talib Kweli über die Berichterstattung eines Lauryn Hill-Konzertes aufregte, brachte er seine Frustration zu Papier. Eigentlich geht es in dem Text aber um viel mehr als nur die Verteidigung einer der größten Künstlerinnen unserer Zeit, die es ihren Fans mit dem bedingungslosen Fan-Sein einstweilen nicht immer einfach macht. Im Text fordert Talib ein grundsätzliches Verständnis für die Kunst und solche, die Kunst schaffen. Künstler müssen, so Talib, ihre Kunst immer in erster Linie für sich selbst machen und nicht für ihre Fans. Lauryn Hill habe uns allen »The Miseducation of Lauryn Hill« geschenkt, der Musik-Welt schulde sie allein deswegen überhaupt nichts. In Zeiten, in denen sich Fans per Facebook-Kommentar im besten Fall ein Konzert in einem Nebenort von Buxtehude und im schlechtesten Fall dem Künstler und seiner Familie Tod und Verderben wünschen, kann man über sowas auf jeden Fall mal nachdenken.

 

»Zum Thema HipHop und Sell-Out muss ich mal was los werden …« (Facebook)
Sell-Out-Vorwürfe sind Frauenarzt nicht fremd. Er musste sie sich selbst genügend gefallen lassen, als er mit den Atzen Ballermann, Charts und den ganzen Rest eroberte. Wahrscheinlich findet er gerade deswegen die richtigen Worte zu dem Umstand, dass MC Fitti derzeit das Genre HipHop mit äußerst ungutem Ausgang in der hiesigen TV-Landschaft repräsentiert. Das mag vielleicht recht ungelenk unter dem Begriff »Sell-Out« passieren, an der Richtigkeit des Vorwurfs von Frauenarzt an Fitti ändert das jedoch überhaupt nichts.

 

»Goethe war doch auch ein Rapper« (FAZ)
Die gute Nachricht: Die »FAZ« berichtet über Celo & Abdi. Die nicht ganz so gute: Ganz ohne Allgemeinplätze und bekannte Mechanismen der ganz normalen Berichterstattung über Straßenrap in Leitmedien kommt der Artikel nicht aus. Zumindest ist aber auch dafür ein Grundverständnis vorhanden. Ein Auszug: »Rappern wird ein durchdachtes Kunstverständnis einfach nicht zugetraut, Rap ist als Literatur-Medium nicht anerkannt. Mitunter ist das komplett verständlich, weil es wirklich viele dumme Rapper gibt, die überhaupt keine Distanz zu ihren Texten haben. Es gibt aber auch viele dumme Schriftsteller, und das wissen auch alle, aber es ändert nichts daran, dass die Regel, Text und Person zu trennen, allgemein respektiert wird. Der schlechte Effekt dieser Medien-Rapper-Beziehung ist, dass sie die Welten getrennt hält: Straßenrapper misstrauen Medien, und in den Medien bleiben Straßenrapper Straßenrapper, Leute am Rand, die gefährliche Sachen erzählen und die bitte weiter am Rand bleiben sollen, damit sie weiter gefährliche Sachen machen und erzählen können.« Dafür ein leises »Word«.

 

»Closing the Book on XXL« (Medium)
Nach 17-jährigem Bestehen soll das amerikanische »XXL«-Magazin in Kürze nicht mehr als Print-Publikation, sondern lediglich online erscheinen. »XXL« mag nicht den nostalgischen Stellenwert einer »Source« haben, dennoch ist das Magazin seit über zehn Jahren der Print-Titel in der US-Szene. Oder vielmehr: war. Der ehemalige »XXL«-Schreiber Paul Cantor erinnert sich an seine Zeit als dortiger Redakteur und die Geschichte des Hefts überhaupt.