ALL GOOD READS #1 / 2014
Oft redet das Internet viel, aber sagt dabei nichts. Es gibt sie aber, die gut geschriebenen Artikel – ja, auch über Musik im Allgemeinen und HipHop im Speziellen. Wir sind große Fans von gutem Musik-Journalismus – und stets auf der Suche danach. Aber: Guter Musik-Journalismus ist schwer zu finden wie die Fernbedienung. Mit ALL GOOD versuchen wir hier Abhilfe zu schaffen – aber wir blicken auch über den eigenen Tellerrand: Deshalb tragen wir regelmäßig lesenswerte Texte aus dem Web zusammen: die ALL GOOD READS. Die Artikel können auf Deutsch und Englisch geschrieben, kürzer oder länger sein und werden sich – im engeren oder weiteren Sinn – mit HipHop befassen.
Hier sind die ALL GOOD READS #1 / 2014:
»Murder Dog’s Black Dog Bone on Hip Hop’s Most Successful Underground Magazine« (RBMA)
Seit über 20 Jahren gibt es das »Murder Dog«-Magazin. Das Heft aus der Bay Area hat nicht nur die großen HipHop-Magazine aus den Staaten überlebt (und Casper als langjährigen Abonnenten), sondern über die Jahre auch immer wieder den richtigen Riecher bei zukünftigen Stars des Genres bewiesen. Rick Ross, Three 6 Mafia, Lil Wayne, Master P und 50 Cent sind nur einige wenige Namen, die ihre ersten Magazin-Cover bei »Murder Dog« hatten. Für RBMA interviewte Andrew »Noz« Nosnitsky den Mann hinter »Murder Dog«. Eines der raren Interviews mit Black Dog Bone – dem »Murder Dog«-Gründer, -Chef-Redakteur, -Autor und -Fotograf mit überraschender Vita – und Geschichten for days.
»When the People Cheer: How Hip-Hop Failed Black America« (Vulture)
Wer noch nicht Questloves großartiges Buch »Mo’ Meta Blues« gelesen hat, sollte das schleunigst nachholen. Wer noch vom Kauf überzeugt werden will, darf sich ein paar Minuten Zeit nehmen und den ersten von sechs Essays lesen, die Questlove ab sofort bei »Vulture«, dem Entertainment/Popkultur-Blog des »New York Magazines«, publiziert. Questlove kommt gerne mal vom Hundertsten ins Tausendste, aber bei einer Abhandlung über HipHop, die mit John Bradford (einem Intellektuellen aus dem 16. Jahrhundert), Albert Einstein und Ice Cube beginnt, muss man erstmal so großartig schreiben können.
»Some rappers are gay. Get over it.« (Noisey)
Der Eine oder Andere mag es noch nicht mitbekommen haben, aber: Angel Haze hat eine Kolumne bei den amerikanischen Kollegen von Noisey. Ihre Artikel sind – mal mehr, mal weniger – zu empfehlen, kürzlich ließ sie sich jedoch über ein gern genommenes Thema aus: Homophobie und HipHop. Es ist keine akademische Abhandlung über Heteronormativität geworden, genauso wenig wie eine Herzschmerz-Kumbaya-Miss-World-Rede Macklemore’scher Prägung – Angel Haze sagt einfach, was sie denkt. Heraus kommen dabei schöne Sätze wie: »There’s no separation between gay rights and human rights, it’s just fucking stupid.«
»I Know You Got Soul: The Trouble with Billboard’s R&B/Hip-Hop chart« (Pitchfork)
Zwei Anmerkungen vorab: 1.) Unverhältnismäßig oft kommuniziert der Facebook-Account von Media Control (bzw. GFK Entertainment) die Chart-Platzierungen von Künstlern aus dem Genre HipHop.
2.) In Deutschland gibt es eine Hit-Liste mit dem bemerkenswerten Titel »Deutsche Black Charts«.
Leider geht es in dem umfassenden Artikel bei »Pitchfork« nicht um die deutsche Chart-Landschaft. Jedoch liefert der Text von Chris Molanphy neben einem geschichtlichen Exkurs der Billboard-Charts auch eine scharfe Analyse über die Erhebungen (sowie Fürs und Widers) solcher Hitlisten – auch oder vielmehr gerade in Bezug auf gesellschaftliche und technische Kategorien. Hier nur ein interessanter Punkt: 2013 belegte kein einziger Schwarzer Künstler Platz 1 der US-Single-Charts.
»The Lyrical Portfolios Of Hip-Hop’s Wealthiest Artists« (Forbes)
Die neueste Liste der bestverdienenden HipHop-Vertreter, die jährlich vom US-Wirtschaftsmagazin »Forbes« erhoben wird, machte letzte Woche die Runde – Diddy hat nicht nur seinen Namen Puff Daddy zurück, sondern auch seine Nummer-1-Platzierung verteidigt. Wie er das geschafft hat, grübelte man sogleich – French Montanas Album kann es ja nicht gewesen sein. Diese Frage stellt sich »Forbes« hier jedoch nicht. Sie überlegen sich stattdessen, wie die Geschäftsbereiche der Superverdiener aufgeteilt wären, wenn man strikt nach ihren Texten gehen würde. Interessant. Ein kleiner Schönheitsfehler: »Forbes« verwendete für ihre Aufstellung die aktuellsten Solo-Veröffentlichungen der Millionäre – komisch, dass Dr. Dre auf »Chronic 2001« nichts von Kopfhörern erzählt…
»The Oral History of Rawkus Records« (MySpace)
Wenige US-Labels werden von HipHop-Echthaltern so verehrt wie Rawkus Records. Man kann sich fast sicher sein, dass in einer Früher-War-Alles-Besser-HipHop-Stammtisch-Diskussion der Name des New Yorker Labels fällt. Es hat etwas von Ironie, dass die großartige Retrospektive von Phillip Mlynar über Rawkus Records im redaktionellen Teil von MySpace erscheint. Der Autor sprach für die ausführliche Geschichte u. a. mit Rawkus-Gründern, ehemaligen Mitarbeitern und Künstlern wie DJ Premier, John Forté, El-P, Pharoahe Monch, Talib Kweli, Kool G Rap und Q-Tip. (Reminder: »Black Star« ist 16 Jahre alt!)
»The Woman Who Put The Soul In ›Sanctified‹« (New Yorker)
»Sanctified« ist ein großartiger Song auf dem neuen Rick-Ross-Album. Das Sample darauf ist keine Stimme aus grauer Vorzeit, sondern wurde von einer Dame namens Betty Wright eingesungen. Die Dame ist 60 Jahre alt und – so schreibt der »New Yorker« – die beste Freundin von DJ Khaled. Außerdem hat sie Lil Wayne das richtige Atmen beigebracht und hatte vor 40 Jahren mit zum Beispiel »Tonight Is The Night« selbst große Hits. Genug Voraussetzungen für ein lesenswertes Porträt.
»Mixtape Memories: 20 Classic Nas Mixtape Cuts« (NahRight)
Wie wir alle wissen, jährte sich Nas’ »Illmatic« am vergangenen Wochenende zum 20. Mal. Eine Reihe lesenswerter Artikel begleitete das Jubiläum. Die Erinnerungen von der wunderbaren US-Bloggerin MissInfo etwa, die damals™ die Fünf-Mic-Review zu »Illmatic« in »The Source« geschrieben hat. Oder die starke Infografik bei »Grantland«, die aufzeigt, wo die Songs von »Illmatic« gesamplet wurden: »The ›Illmatic‹ Influence Infographic«
Oder aber die Rückschau auf den Klassiker von ALL GOOD-Autor Stephan Szillus für die Musikseite von »Red Bull«, die sich nicht in kleinsten Details verliert, sondern noch einmal vor Augen führt, was »Illmatic« auch 20 Jahre später noch bedeutet.
Die Übersicht bei »NahRight« greift noch weiter zurück und kompiliert 20 der besten Mixtape-Tracks von Nas aus den letzten 20 Jahren. (Dieser ‘97er »Freestyle« vom Funkmaster Flex-Mixtape!)
»Why Hipsters Need to Stop Writing About Hip Hop Culture« (Rap Rehab)
Ein bisschen Hipsterhass muss sein. So auch bei der Webseite »RapRehab« (mit dem wunderbaren Slogan »Where Consciousness Lives«), wo man fordert, dass Hipster nicht mehr über HipHop schreiben sollen. Worüber sonst? Viel lieber über die »trendigsten Kaffeehäusern in Williamsburg, Coachella oder das enttäuschende Ende von ›How I Met Your Mother‹«. Ja, gut, okay…