Travi$ Scott Rodeo

Rodeoalbum
ALL GOOD Punchline Ganz schön langweilig.

Mit »Days Before Rodeo« legte Travi$ Scott im vergangenen Jahr ein auf ganzer Linie überzeugendes Mixtape vor, das viele offizielle Veröffentlichungen des Jahres 2014 in den Schatten stellte und die Erwartungen an sein Major-Debütalbum in die Höhe schraubte. Dem jungen Houston-Rapper gelang darauf der Kunstgriff, sowohl textlich als auch klanglich eine moralisch zwiegespaltene Haltung zu dem von ihm verkörperten hedonistischen Lebensstil einzunehmen und darzustellen. Leider wird Scott auf »Rodeo« den hohen Erwartungen nicht gerecht. Das Album klingt wie eine mit Wildkräutern gestreckte Version seines Ausnahme-Mixtapes; eine zu oft aufgewärmte Ansammlung an Überresten. Auch wenn es stilistisch an den Vorgänger anknüpft – frische Ideen findet man auf »Rodeo« kaum.

Es drängt sich über die gesamte Spieldauer das Gefühl auf, man würde als Hörer in das leere Gesicht eines ausgebrannten Junkies blicken. Wo »Days Before Rodeo« eine von Gewissensbissen geplagte Einstellung zu den Dingen, die ihn umgeben – Geld, Sex, Drogen – nahezulegen schien, wirkt Scotts neues Album wie leeres Frönen. Die markanten musikalischen Wechsel zwischen Post-Trap-Beat-Bomben, pochenden Leerläufen und noisigen Überschlägen, die vormals überraschend kamen, werden auf »Rodeo« zu bedeutungsleeren Formeln reduziert und verlieren so ihre Effektivität.

Scotts fehlgeleiteter Einstieg auf »Pornography« ist exemplarisch: Die Erzählerfigur T.I. murmelt irgendwas von »young rebel against the system« und schon folgt eine sinnbefreite Einführung in Scotts Sexualleben, in dem er die Kamera masturbatorisch auf sich selbst gerichtet hält. Was das soll? Nun, Scott findet sich selbst eben ziemlich geil. Das aufgeblasene Ego des vermeintlichen Kanye-Nachfolgers zieht sich bis zur Erschöpfung durch »Rodeo«, ohne auch nur ansatzweise selbstironisch oder so überzeichnet wie eine Kunstfigur zu wirken. Scott gibt einen Einblick in sein außerordentlich selbstbezogenes Tagebuch und scheint nicht zu merken, dass das, was er da so tut, eigentlich ganz schön langweilig ist.

Auf »Wasted« ist Scott besoffen. Auf »Night Call« bestellt er noch mehr Flaschen. Auf »Maria I’m Drunk« kippt er sich einen mit Justin Bieber und Young Thugs Freundinnen hinter die Binde. Auf »90210« und »Impossible« schleppt er mal wieder Porno-Darstellerinnen ab. Gähn. Einigermaßen spannend wird es, wenn er mit Kanye zusammen in Gräber pisst. Nur leider klingt der Song wie ein »Yeezus«-Outtake, das man im Keller der Black Keys hätte beerdigen sollen.

Hin und wieder zeigen sich Lichtblicke unter den dunklen Rändern von Scotts nachtaktiver Sonnenbrille. So etwa wenn Toro-Y-Mois Dur-lastiger Indie-Pop auf »Flying High« in schaurige Synthie-Dissonanz gewickelt wird. Oder wenn Future und 2 Chainz vorbeikommen, um auf »3500« die Art von epischer Goth-Rap-Hymne zu zimmern, die man von Scott nach »Days Bevor Rodeo« als Fließband-Lieferung erwartet hatte. »Pray 4 Love« zeigt Ansätze der ambivalenten Persönlichkeit, die Scott auf seinem Mixtape so großartig inszenierte. Doch auch wenn einige Tracks von »Rodeo« wohl für ein paar Monate in den iTunes-Favoriten bleiben dürften – unterm Strich braucht dieses Album kein Mensch.