Trash Talk No Peace

Trash Talk_Cover
ALL GOOD Punchline Musikalischer Fickfinger.

Metalcore ist in den letzten zehn Jahren von einer belächelten Randerscheinung zu einer eigenständigen Szene gereift, für die sich längst auch die großen Plattenfirmen interessieren. Das diffuse, heterogene Genre bedient sich an Einflüssen aus Hardcore Punk und diversen extremen Varianten des Heavy Metal, und die Bands tragen Namen, die länger sind als tätowierte Casper-Zitate. Trash Talk passen schon deshalb nicht ins Klischee des Genres, aber sie spielen auch keinen Metalcore im engeren Sinn. Trotzdem profitiert das Quartett aus Sacramento davon, dass dieser Sound bei der Generation Ohrtunnel recht angesagt ist.

Auch die Odd Future Wolf Gang mag Geschrammel und Gebrüll. Über ihr eigenes, von Sony vertriebenes Label erscheint nun bereits das zweite (und insgesamt fünfte) Album von Trash Talk. Die Band gibt es seit gut zehn Jahren, sie hat hunderte Konzerte gespielt und inzwischen ist sie so etwas wie eine echte Bastion der wiedererstarkten kalifornischen Skatepunk-Szene. Auf dem letzten »South By Southwest«, dem großen Indie-Branchentreffen in Texas, galt die Truppe um den charismatischen Sänger Lee Spielman als das nächste große Ding. Bei ihren Konzerten hangeln Fans wie Bandmitglieder gerne an der Clubdecke herum. Meist gibt es Verletzte.

Das neue Album von Trash Talk heißt »No Peace« und ist 28 Minuten lang. Vom klassischen Songformat ihres Genres weichen Trash Talk selten ab. Sie stehen in direkter Traditionslinie mit dem brachialen US-Hardcore der Achtziger, lies: Black Flag, Agnostic Front, Sick Of It All. Dennoch es gibt immer wieder zögerliche Einflüsse aus dem Spektrum von Metal über Indie- bis Noiserock zu hören. Auch HipHop spielt eine Rolle. Ein OF-Feature wie den Gastauftritt von Tyler und Hodgy auf dem letzten Album »119« gibt es zwar nicht, doch Alchemist hat zwei Instrumentals produziert, im bedrohlichen Intro hört man zaghafte Scratches und in »Stackin‘ Skins« rappt Wiki von Ratking, selbst bekennender Fan von den Germs und den Cro-Mags.

Das Bandkollektiv betreibt in seiner Wahlheimat Los Angeles ein kleines Zentrum, das als Proberaum, Studio, Merch-Fabrik, Mailorder-Büro und Hangout-Spot dient. Dort ist diese Platte in Teilen entstanden, dort hängen auch Tyler, Earl oder die Flatbush Zombies ab. Man fährt zusammen Skateboard und macht vielleicht sogar mal zusammen Musik. Vor diesem Hintergrund sind sowohl das Signing als auch die neuen Einflüsse nachvollziehbar. Man spürt trotzdem förmlich, wie sich Trash Talk dagegen wehren, von ihrer Ultra-Fanbase als böser Sellout- oder Crossover-Act verlacht zu werden. »No Peace« will gar nichts anderes sein als ein musikalischer Fickfinger, eine klare Absage an die Lethargie und den Hedonismus ihrer Altersgenossen.

Ich habe früher neben Rap auch viel Hardcore und Metal gehört, doch die Metalcore-Bewegung ist sauber an mir vorbeigegangen, weil ich in dieser Zeit nun mal lieber Jay-Z oder Clipse gepumpt habe. Doch »No Peace« ist ein Album, zu dem ich auch als bloßer Sympathisant dieser Szene eine Beziehung aufbauen kann. Ich habe seit Jahren keine so reduzierte, wurzeltreue und dabei trotzdem merkwürdig eingängige Hardcore-Platte mehr gehört. Mit Blick auf den gleichförmigen Backkatalog der Band hätte ich mir höchstens ein bisschen mehr Wagemut gewünscht — spannende Momente passieren nämlich gerade dann, wenn Trash Talk musikalischen Input von Figuren jenseits ihres allerengsten Zirkels zulassen.