Shindy FVCKB!TCHE$GETMONE¥

shindy
ALL GOOD Punchline Genussmenschenmusik galore!

Gab Michael »Shindy« Schindler auf »NWA« noch den kettenrauchenden Langschläfer mit Peter-Pan-Syndrom sowie einer Schwäche für Tankstellensnacks, Turnschuhe und Tussis, demonstriert Shindy auf »FVCKB!TCHE$GETMONE¥« einen im Deutschrap bis dato kaum bekannten Ästhetizismus. Zumal all die modischen, geographischen und kulinarischen Querverweise, die Shindy hier zu Genussmenschenmusik erster Güte verbaut, durchaus von einer enormen Expertise im Hinblick auf die omnipräsente Oberflächlichkeit zeugen.

Paar Beispiele gefällig? Schleckermäulchen Shindy interessiert sich nämlich nicht so sehr für den Low-Carb-Lifestyle deutscher Rapper, sondern macht erst mal ein ganzes Lied über Pancakes und French Toasts, gönnt sich andererseits aber auch 75-Euro-Wasserflaschen oder schmaust schön angerichteten fangfrischem Fisch mit Ciabatta und Balsamicocreme oder gar zartes Kalbsfleisch in Thunfischsauce mit Zucchini. Und anschließend gibt’s Tiramisu nebst doppeltem Nespresso Ristretto. Ganz egal ob in Venedig oder gemeinsam mit Bushido im sechsten Stock vom KaDeWe.

Und wenn man eh schon am Ku’damm ist, kann man gleich auch noch paar Klamotten mitnehmen. Denn »FVCKB!TCHE$GETMONE¥« ist eben auch »Rap aus der Hermes-Boutique«. Neben Givenchy-Shirts mit Favelas-Schriftzug und raffaelofarbenen Sportschuhen von Balenciaga an den eigenen Füßen heißt das eben auch, der – ganz zufällig an Adriana Lima erinnernden – Angebeteten doch mal Zanottis mit Zebrafellapplikationen mitzubringen und als nächstes gleich ein Moschino-Kleid aus der Einkaufstüte zu zaubern. Und dieses Faible für inkludiert dann eben auch das Schlafen in Bettwäsche aus ägyptischer Baumwolle, das Sitzen auf Wurzelholzmobiliar und das Fahren in diversen Neuwagen mit Alcantara-Sitzbezügen.

Natürlich gibt Shindy auch immer noch Autogramme auf weibliche Hinterteile, die ums Verrecken nicht in Size-Zero-Hosen passen und hat diverse WhatsApp-Verläufe vorzuweisen, die jedem noch so abgewichsten NSA-Mitarbeiter ob ihrer drallen Deutlichkeit die Schamesröte ins Gesicht treiben dürften. Aber insbesondere die beiden Songs »Venedig« und »Steve Blowjobs« demonstrieren, wie eingangs schon erwähnt, eine völlig neue Geschmackssicherheit – hier im Hinblick auf die Schilderung des Geschlechtsverkehrs – und entpuppen sich folglich als ästhetische Audiopornografie par excellence. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich dafür wieder richtig kassiere: Ja, diese Musik hier ist wirklich sexy.

Auch wegen der Beats, die mitunter wie der Soundtrack eines späten Sechziger-Jahre-Schwarz-Weiß-Streifens klingen. Das hier ist Maybach Music Germany. Mag sein, dass man sich dafür hier und da mal etwas nah am Original orientiert hat. »No Joke« mit Deutschraps Bud Spencer und Reiner-Calmund-Kumpel Ali Alulu verbeugt sich zum Beispiel doch recht offensichtlich vor DJ Mustard und »Thriller« lässt einen mit seinem harten Bruch nach dem säuselnden Soul-Intro dann doch irgendwie an Rick Ross‘ »Sanctified« denken. Auch »Trophies«, »0 To 100«, »Believe Me« oder »Grindin’« dürften das eine oder andere mal im Studio gelaufen sein.

Aber letzten Endes haben Quincy Jon…äh, Djorkaeff und Beatzarre da gemeinsam mit Shindy Beats gebaut, die es im Gegensatz zu vielen deutschen Trap-A-Like-Instrumentalen der letzten Zeit locker mit ihren amerikanischen Vorbildern aufnehmen können. Das ist alles schon ganz richtig so und macht natürlich auch deshalb so viel Spaß, weil Shindy einfach ein guter Rapper ist, der all die oben genannten Üppigkeiten mit der nötigen Ernsthaftigkeit vorträgt und es trotzdem schafft, im Migos-Flow über Peter Zwegat, Uschi Glas, Bert Wollersheim aber eben auch milkakuhlilane Geldbündel und spermafarbene Sneaker zu rappen.

In Shindys Welt reimt sich Zigarette auf Siegertreppe und Damenrolexuhr auf Nasenkorrektur. Auf den ersten Blick klingt das natürlich nach your average Doppelreim. Aber mit dieser Präzision steht Shindy derzeit im Deutschrap mit Ali As und Kollegah allein auf weiter Flur. Letzterer lässt am Gastslot spannenderweise übrigens Halftime mal Halftime sein und mimt auf »Alle meine Fans« im tiefenentspannten Tagteam mit Shindy den Superslowmobro from another mother.

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Im Grunde geht es auf den 14 Tracks immer noch um nichts anderes als Sneaker, schöne Frauen und Speisen. Nur es ist eben alles ein bisschen teurer, galanter und exquisiter. Langweilig? Pfff. Mit Shindy verhält es sich in meinen Augen nämlich wie mit SSIO, dessen ewiggleichen Schilderungen vom Dealerdasein, Munchies und Saunaclubbesuchen mir dank ihrer Eloquenz auch beim x-ten Mal nicht langweilig werden.

Deshalb darf sich der gute Mann gegen Ende auf »Standing Ovations« einem DooWoop-Pitchbanger mit Schweinegitarrenabgang auf Samstagabend-Gala-Basis auch schamlos selbst feiern. So generell halt. Aber eben auch für eines der besten Alben dieses sich langsam dem Ende zuneigenden Deutschrap-Jahres.