Iglooghost Chinese Nü Year

Iglooghost
ALL GOOD Punchline Ungreifbarer Noten-Wust.

Mit jedem neuen Release wird Brainfeeder seinem Namen gerechter. Seit 2008 bietet Flying Lotus’ Label ausgeklügelte elektronische Musik abseits von riesigen Festivalzelten und aufgeplusterten Raves. Trotz vieler obskurer Künstler in ihrem Kader setzt Brainfeeders neuestes Signing Iglooghost dem Ganzen die Krone auf. Während Labelkollegen wie Samiyam sich eher auf konfus hinkenden Instrumental-HipHop konzentrieren, produziert der anonyme 18-Jährige Musik, die wie zehn überhitzte PCs klingt, auf denen simultan Rustie läuft.

Die EP »Chinese Nü Year« des jungen Briten, der schon ein Album mit dem Produzenten Mr. Yote vorzuweisen hat, erzählt die wunderbar dämliche Geschichte eines gelatineartigen Gummiwesens, das durch Wurmlöcher in unzählige Welten voller schwebender Früchte und pinken Nebel geschmissen wird. Angesichts der hyperaktiven Beats erscheint diese von Iglooghost erdachte Mär gar nicht mal so unplausibel. Wie dem Wurm fliegen auch dem Zuhörer schon im ersten Song »Xiangjiao« kräftige TNGHT-Bass-Salven, schiefe Arca-Synthesizer und nicht identifizierbare Hochgeschwindigkeits-Stimmschnipsel um die Ohren. Keine Stimme, kein Geräusch ist greifbar. Sobald ein Ton erscheint, verbiegt er sich. Er nimmt andere Formen an und verschwindet, begleitet von überbordenden Drums, in diesem digitalen Wust aus Noten. Auch in den darauffolgenden drei Tracks belässt Iglooghost das Tempo gefühlt bei Lichtgeschwindigkeit. Während in »Gold Coat« eine kindlich leiernde Stimme durch den Mähdrescher gezogen wird und aufbrausende Synthesizer ein Luftschloss erbauen, trampeln sich die Bässe in »Peach Rift« durch mehrere Dimensionen hindurch.

Man kann also nur tatenlos dabei zuhören, wie sich vor dem inneren Auge farbenfrohe Szenarien abspielen, die dem Cartoon »Adventure Time« im Schnelldurchlauf nicht unähnlich sind. Wie auch schon bei der hochpolierten Kommerzkunst der PC-Music-Bewegung sowie bei dem Stimmengewusel einer Holly Herndon lässt sich »Chinese Nü Year« als Reflexion unseres maßlosen Umgangs mit dem Internet interpretieren. In Sekundenschnelle öffnen und schließen sich Tabs. Wie in einem Besuch auf Pinterest prasseln Informationen, Bilder und Eindrücke über einen herein – ohne die Möglichkeit, das Gesehene zu verdauen. Iglooghost gibt uns also mehr, als wir womöglich vertragen können. Ist man dann am Ende der Reise des Gelatinewurms und somit der 16-minütigen EP angelangt, hat man folglich viel gehört und wenig vernommen.