Flying Lotus You're Dead

Flying Lotus
ALL GOOD Punchline Herrlich verspulter MPC-Progrock

Flying Lotus gehört inzwischen zu jener Sorte Künstler, deren Platten man primär werkimmanent betrachtet. Deren Alben man nicht mehr im Bezugsrahmen einer Szene oder Genre-Historie sieht, sondern die ebendiese Szenen und Genres entscheidend prägen und damit transzendieren. Nach den stilbildenden ersten »1983« und »Los Angeles« war »Cosmogramma« vor vier Jahren sein erstes Werk mit starkem 70s-Fusion-Einfluss. Dann schob FlyLo das zarte 90s-TripHop-Revival von »Until The Quiet Comes« ein, setzt nun mit »You’re Dead!« aber den auf »Cosmogramma« eingeschlagenen Weg konsequent fort und geht dabei den entscheidenden Schritt von Jazz-Fusion zu Prog-Rock, von Chick Corea zu King Crimson.

Auch wenn es auf der Platte um den Tod als zentrales Thema geht, ist »You’re Dead!« sehr verspielt und verspult geraten. Während der Aufnahmen habe er viel Queen, King Crimson und Pink Floyd gehört, aber auch Metal-Bands wie Mastodon oder Gojira, ließ Steven Ellison in Interviews verlauten. Wo »Until The Quiet Comes« einen gewissen Hang zum Minimalismus offenbarte, ist »You’re Dead!« ein Bekenntnis zur Opulenz. Arrangement und Instrumentierung der Platte erinnern an den überbordenden Pathos von Progressive Rock und Symphonic Metal. Hier trifft spirituelles Gerassel auf himmlische Harfen und mehrstimmige Harmonien – und dann gniedelt plötzlich so eine typische Bill-Frisell-Gitarre die Tonleiter runter.

Da werden keine Atmosphären gesetzt, sondern es frickelt direkt los: In den ersten zehn Sekunden eines Songs passiert oft schon mehr als auf einer ganzen Ambient-Platte von Aphex Twin. Während Madlib, ein anderes Vorbild des Kaliforniers, manchmal zu Lo-Fi und zu sehr nach ADHS klingt, besitzt FlyLo eine beeindruckende Fähigkeit zur Fokussierung und zur Ausformulierung von Ideen. Erst in der zweiten Albumhälfte erstummt das hektische Geprügel und findet erhabene Momente der Klarheit wie »Siren Song« oder »Descent Into Madness«. In »Ready err Not« kommt dann auch noch kurz FlyLos Begeisterung für Produzenten wie Actress und Bands wie Beak> zum Vorschein, seine Leidenschaft zum einfachen, repetitiven Loop, eine Reise in ein paralleles Kontinuum aus Krautrock, Detroit Techno, Autechre und Dillas »48 Hours«-Phase.

In der Vergangenheit hat FlyLo zwar für Rapper produziert (Blu, Declaime, Mac Miller) und Rap-Songs geremixt (Lil Wayne, Gucci Mane), doch tatsächlich wird zum ersten Mal auf einem seiner Alben gerappt: Mit Snoop und Kendrick sind die Gäste nicht nur der Altmeister und der Fackelträger des Westcoast-Rap, sondern vor allem zwei MCs mit besonders melodischem Flow, die sich in die unkonventionellen Songs einfügen wie weitere Instrumente. Insoweit ist »You’re Dead!« auch nicht das HipHop-Album in FlyLos Katalog. Wie jedes andere seiner Alben auch ist es das Werk eines B-Boys, der am Laptop kunstvolle, detailverliebte Wildstyle-Bilder aus Beats, Breaks und Melodien bastelt. Das Spiel mit den Wonky-Beats ist längst durchgespielt.