Eko Fresh Ich bin jung und brauche das Geld

  • VÖ:  3. November 2003
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ALL GOOD Punchline Türöffner & Tabubrecher zugleich.

»Hass mich, ich schreib fantastische Rhymes/ Das deutsche Game? Ich pass nicht hinein!« Ganze zwei Zeilen genügten Eko Fresh anno 2003, um sein Standing in der Szene auf den Punkt zu bringen. Der Split mit Kool Savas und die seinerzeit ungewohnt poppige Single »Ich bin jung und brauche das Geld« hatten den jungen Mönchengladbacher deutlich ins Abseits manövriert. Dass er in dieser Situation nicht etwa in Deckung, sondern erst recht in die Offensive ging, bewies Mut – war für die Veröffentlichung seines Debütalbums jedoch nicht unbedingt förderlich.

Nun wäre es falsch zu behaupten, dass Eko die Anerkennung von Rap-Deutschland in diesem Moment egal gewesen wäre. Nur unterschied sich seine Vision dessen, was und wie guter Rap zu sein hat, kurz nach der Jahrtausendwende leider grundlegend vom Status Quo der Deutschrap-Szene. Dennoch – und das wurde und wird bis heute gerne übersehen – ist »Ich bin jung und brauche das Geld« ein für Deutschrap wegweisendes Werk. Leider wurde die Rezeption der Musik stets durch die provokante Attitüde des Protagonisten beeinflusst – die freilich ebenfalls einen elementaren Bestandteil seiner musikalischen Vision darstellte.

Die Retrospektive zeigt jedoch klar und deutlich, dass Eko mit seinem Debüt nicht nur vermeintliche Tabus brach, sondern gleichsam Türen öffnete, von denen deutschsprachiger Rap bis heute profitiert. Die Features mit G-Style stellten dabei mit die ersten Vorstöße in den Bereich R’n’B dar, die die German-Dream-Signing-Politik Jahre später noch deutlich prägen sollten. Auf »Hass mich« sang Eko sogar einen kompletten Song lang selbst – damals noch ein Novum. Vor allem aber sorgte er dafür, dass die Angst vor Pop und Kommerz – szeneintern auch als »Sellout« bekannt – langsam, aber beständig einer gewissen Euphorie und Begeisterung über die damit verbundene Aufmerksamkeit wich.

Zugegeben: Nicht jeder Bericht in der Bravo war begrüßenswert. Nicht jeder Chart-Erfolg eines Rappers war als Aushängeschild geeignet – und natürlich beschlich einen ein leichtes Unbehagen, wenn Stefan Raab den German Dreamer zunächst parodierte, nur um ihn kurze Zeit später in seine Sendung einzuladen. Betrachtet man jedoch das große Gesamtbild, so haben auch die Mainstream-Medien ihren Anteil daran, dass Deutschrap heute so groß ist – woran wiederum Eko seinen Anteil hat.

Vielleicht waren Ekos fehlende Berührungsängste mit dem Mainstream einerseits darin begründet, dass er noch relativ jung war und es wohl nicht besser wusste. Vielleicht hat auch tatsächlich das eine oder andere Geldbündel gewunken. Doch hört man sich an, auf wie viele verschiedene US-Rapper er sich aufgrund seiner EP »Jetzt kommen wir auf die Sachen« und den anschließenden Optik-Releases berief, so liegt auch die Vermutung nahe, dass Ekrem einfach nur das nachleben wollte, was er schon seit Jahren in den Staaten sah. Damit beschritt er Wege, von denen zunächst die Akteure der deutschen Dipset-Arä, aber auch heute noch Rapper wie Kay One oder Shindy profitieren.

So viel zur Attitüde. Doch da war ja auch noch die Musik. »Ich weiß nicht, ob du auch den Unterschied hörst/ Es gibt einen, der verkauft und der sie burnt«, tönte Eko mit stolzgeschwellter Brust auf »Dünya Dönüyor« – und hatte Recht damit. Alleine reimtechnisch war »Ich bin jung und brauche das Geld« ganz vorne mit dabei. Exemplarisch dafür ist die Präzision, mit der er und Summer Cem auf »Mönchengladbach Love« nicht nur den Flow, sondern auch den Klang der Reime von 2 Pac und Dr. Dre imitierten und es dennoch schafften, den Inhalt auf die eigene Geschichte umzumünzen. Auch die zahlreichen Props auf »Deutschrap strikes back« sprechen diesbezüglich Bände: Hier war ein fanatischer Rap-Nerd am Werk, der diese Musik von seiner Geburt an studiert hat.

»Wir fliegen« mit J-Luv, ein Leftover aus dem noch zu Optik-Zeiten begonnenen Album-Aufnahmen, strotzte nur so vor Augenzwinkern und Arroganz, während »Von Anfang an« mit Valezka als selbstbewusster R’n’B-Flirt und »L.O.V.E«-Prequel in einem fungierte – und an der selbstbewussten Art, mit der Eko dieses Album zu Chipmunk-Soul im Outro beschloss, konnte man schon erahnen, dass seine Karriere mitnichten zu Ende war, sondern gerade erst anfangen sollte. Hier war einer gekommen, um zu bleiben.

Am heutigen Tag wird »Ich bin jung und brauche das Geld« fünfzehn Jahre alt. Und auch wenn dieses Album nie in den Listen der ewigen Deutschrap-Klassiker auftaucht; auch wenn Eko stets an »Jetzt kommen wir auf die Sachen« gemessen wird; auch wenn »Die Abrechnung« ihm zwei Jahre später noch deutlich mehr Aufmerksamkeit einbringen sollte und auch wenn Eko im Laufe seiner Karriere einige fragwürdige Entscheidungen getroffen hat – so darf man doch nie vergessen, wie wichtig dieses Album im Nachhinein war.