Dr. Yen Lo Days With Dr. Yen Lo

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ALL GOOD Punchline Geradezu hypnotisierend.

Auch wenn Ka mit »Iron Works« erst im Jahr 2008 sein erstes Album veröffentlichte, gehört der Brownsville MC zu einer nahezu ausgestorbenen Spezies New Yorker Rap-Saurier. In den 90er Jahren besuchte er Cyphers mit Notorious B.I.G. und bevor die Gruppe 1995 mit Tommy Boy signte, war er Gründungsmitglied der Natural Elements. Umso erstaunlicher ist es, dass der 41-Jährige sich in seinem zweiten Frühling einen hochinnovativen, ja avantgardistischen Rapstil angeeignet hat.

Auf »Days With Dr. Yen Lo« treibt Ka diesen Stil fast bis zur Erschöpfung auf die Spitze. Anstatt mit ewig staubigen Boom-Bap-Beats beim 90s-Revival-Publikum anzubandeln, verwischen Ka und sein Produzent Preservation nahezu jegliche Beatspuren zur Unkenntlichkeit. Was auf Kas Vorgängeralben »Grief Pedigree« und »The Night’s Gambit« bereits angedeutet wurde, erfährt auf »Days With Dr. Yen Lo« die Krönung. Auf genau drei der zwölf Anspielnummern lässt sich eine Snare ausmachen. Wenn Ambient im Trend liegt, ist diese Platte mit das Trendigste, was HipHop im Jahr 2015 zu bieten hat.

Nun wäre dieses Album bei Weitem nicht so überzeugend, wenn Ka darauf nicht seine jahrzehntelange Rap-Erfahrung mit Bravour ausspielen würde. Binnenreim-Ketten überschlagen sich, Straßenweisheiten werden aphoristisch komprimiert und Ka schiebt seine Schleifpapier-Stimme so geschickt über die weitflächigen Samples, dass das Ausbleiben der Drums oft in den Hinterkopf gerät. Der Opener »Day 0« macht die Taktik sogleich deutlich: Ein deftiges Paar Bassanschläge ersetzt die Kickdrum, eine lose Hook liefert den Rahmen, Kas Stimme wird fast durchgehend gedoppelt, liegt weit vorne im Mix und erreicht somit eine ungehörige Durchschlagskraft, um sich ohne Umwege ins ZNS zu ballern. Mit wenigen, gezielten Kniffen wird so eine Rhythmik geschaffen, die auf Albumlänge geradezu hypnotisierend wirkt.

Die Samples, die Preservation auftischt, speisen sich hauptsächlich aus obskurer 70er Psychedelia und unidentifizierbaren Soul/Funk-Schnipseln. Trotz der verschütteten Grooves und der tristen Grundstimmung, die Kas Stimme vermittelt, strahlen die Instrumentals eine angenehme, soulvolle Energie aus. An einigen Stellen klingt auch die fernöstliche Note an, die im Albumtitel angedeutet wird. Im Zusammenspiel mit den abstrakten Film-Samples und den zwischen Hitman und Dorfältester tendierenden, stoischen Texten Kas, entfaltet sich so ein unspezifizierter, thematischer Subtext, der es irgendwie schafft, an »Ghost Dog« zu erinnern.

Ka knüpft dabei an seine eigenen Zeitgenossen an, die deutlich früher zu deutlich mehr Erfolg kamen. Dass GZA ihm einst zu seinem ersten namhaften Feature verhalf, liegt auf der Hand. Wie ein gutes Wu-Tang-Album strahlt »Days With Dr. Yen Lo« eine filmische Aura aus, die Atmosphäre stärker vermittelt, als es Worte allein vermögen. Die Polizeisirenen auf »Day 93«, das Sample auf »Day 22«, das vom »assassin in the window« erzählt: Es sind die kleinen Feinheiten, die »Days With Dr. Yen Lo« abrunden, ihm einen einzigartigen Charakter verschaffen und es zu einem der kunstfertigsten HipHop-Alben der jüngeren Vergangenheit machen.