D.I.T.C. The Remix Project

D.I.T.C. - The Remix Project
ALL GOOD Punchline Angenehme Überraschung.

Vor gut zehn Jahren saß ich zwischen O.C., Diamond D, A.G. und Lord Finesse in einem Mittelklasse-Hotelzimmer am Hamburger Dammtorbahnhof. Ich erinnere mich daran, dass A.G. mich dazu nötigte, mit ihm Hennessy aus einem Zahnputzbecher zu trinken. Ich erinnere mich daran, dass Diamond D auf dem Hotelbett einschlief, während der verbleibende Rest lebhaft Kriegsgeschichten aus den Patterson Projects der späten Achtziger zum Besten gab. (Einmal wachte Diamond doch auf, und zwar nur um Teddy Rileys Percussions zu loben.) Ich erinnere mich daran, dass Mirko Machine noch mit einem Haufen rarem schwarzem Gold vorbeikam. Und ich erinnere mich daran, dass sie im Interview ein vollständiges Remix-Album ankündigten. Vor zehn Jahren, wohlgemerkt. »The Remix Project« ist seit heute als Free Download erhältlich.

Heute liegt der Sachverhalt allerdings so: Ich trage gern Cargoshorts, fahre jedes Jahr zum HipHop Kemp und habe mir auf den Rat von Prinz Pi gerade erst wieder »Lifestylez Ov Da Poor & Dangerous« auf mein iPhone gezogen. Trotzdem ist ein Album voller Remixe von alten D.I.T.C.-B-Seiten nicht unbedingt das, worauf ich im Frühjahr 2014 gewartet habe. Gerade unter dieser Prämisse ist »The Remix Project« gleich auf mehreren Ebenen eine angenehme Überraschung. Neben den Cratediggern höchstselbst waren alte Weggefährten wie Premo, Ogee oder Bink am Werk, aber auch ihre späteren Fackelträger wie Alchemist, 9th Wonder oder Apollo Brown. So repräsentiert dieses Projekt ein musikalisches Kontinuum, das schlüssig aus dem Roosevelt der frühen Neunziger bis in den aktuellen Rucksackuntergrund im Internet führt. (Die Zeiten, in denen »Rucksack« ein Schimpfwort war, sind vorbei, oder?)

Die Bearbeitungen sind tatsächlich mehr als nur wahllose Aufgüsse der Originale, allen voran Binks zuckersüße Soul-Version des im Original brettharten »Da Enemy« von Big L und Fat Joe (übrigens der Lieblings-Rap-Song von Hudson Mohawke). Oder »Casualties Of A Dice Game«, ebenfalls ein Big-L-Track, der in der Neubearbeitung von Buckwild zu einem breitbeinigen Funk-Brett wird, zu dem man eigentlich direkt Nautica-Daunenweste und Tommy-Hilfiger-Jeans in Übergröße aus dem Kleiderschrank fischen möchte. 9th Wonder wiederum entdeckt in seiner Version desselben Songs eine melancholische Note, die er durch ein wehmütiges Vocalsample unterstützt. Die Crew-Hymne »Diggin‘ In The Crates« veredelt DJ Premier mit seinem Signature-Style aus gechoppten Strings, Scratch-Hook und stumpfen Snares, liefert dabei aber einen der spannenderen Beiträge zu seiner jüngeren Diskografie.

D.I.T.C. sind Legenden, die den New Yorker HipHop der goldenen Ära entscheidend mitgeprägt haben und dennoch nie mehr als Untergrund-Helden geworden sind. »Make hit records off of loops that’s six seconds«, rappt Lord Finesse in »All Luv«. Gut, Diamond D hat einen Beat auf »The Score« von den Fugees, Finesse einen auf dem ersten Biggie-Album und Buckwild hat immerhin noch »Whoa«. Big L kennen die meisten Neo-Hängengebliebenen nur aus dem »Full Clip«-Intro, doch seine prägende Wirkung auf nachfolgende MCs von Dipset bis Mac Miller ist bis heute unüberhörbar. Der Beitrag, den diese Crew zur Kultur geleistet hat, kann insgesamt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gerade deshalb ist es gut und wichtig, wenn ein Mixtape wie dieses mal wieder auf das reichhaltige Erbe und den enormen Einfluss dieser Crew hinweist. Ob es gerechtfertigt ist, dass »The Remix Project« zehn Jahre in der Mache war, bleibt am Ende natürlich fraglich — ist aber irgendwie auch reichlich egal.