Chawo, Dizzy Bone, G-Rain & Giano98 Sinti 4 Life (Original Chabos)

Der siebte und letzte Teil der »Original Chabos«-Reihe von Philipp Killmann handelt mit Dizzy Bone, G-Rain, Giano98 und Chawo von einer Handvoll junger Sinti-Rapper, die mit einer großen Selbstverständlichkeit die Öffentlichkeit suchen und selbstbewusst ihren Platz im deutschen Rap einfordern.

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Dizzy Bone steht am Ende des Wendehammers des Fortuinwegs in Köln-Roggendorf/Thenhoven und grinst. Dizzy – leicht untersetzt, dünner Vollbart, die dunklen Haare hochfrisiert – fühlt sich sichtlich wohl in seiner Haut. Davon zeugen seine ruhigen ausladenden Bewegungen und sein immer mal wieder aufblitzendes gleichermaßen strahlendes wie ansteckendes Lächeln. »Dat is‘ unser Platz hier«, sagt er in breitem Kölsch und zeigt einmal die Straße entlang. Neben manchem der kleinen zweigeschossigen Häuser steht ein Wohnwagen, in dem einen oder anderen Vorgarten sind Gartenzwerge zu sehen. Bis auf Dizzy ist an diesem frühen Freitagnachmittag zunächst keine Menschenseele auf der Straße zu sehen. Es ist Ende November, der Himmel bedeckt, die Temperatur aber angenehm mild. Doch Dizzy ist das alles zu grau. »Jetzt gerade ist es hier ein bisschen trostlos«, befindet er. »Aber im Sommer sind wir hier auch viel draußen, machen ein Feuer, grillen und trinken uns was.«

Im Fortuinweg ist Josua Mettbach – »aka Dislo aka Dizzy Bone aka Fick die AfD!«, wie er die Antwort auf die Frage nach seinem bürgerlichen Namen ergänzt – mehr oder weniger aufgewachsen. Hier wohnt ein Großteil seiner Familie. Sein Vater ist Markus Reinhardt, laut dessen Website ein Großneffe des großen Jazz-Gitarristen Django Reinhardt, selbst Sinti-Jazz-Musiker und Vorsitzender des Vereins »Maro Drom, Kölner Sinte & Freunde«. Die Selbstorganisation veranstaltet etwa das »Zigeunerfestival«. Der Verein und seine Mitglieder nutzen das Wort »Zigeuner« auch als Selbstbezeichnung. Der Begriff, so die Begründung, sei erst durch die Nazis negativ besetzt worden. Zuletzt hat sich Markus Reinhardt vorgenommen, mit einem »historischen Zigeunerwagen« aus der Familie mit Zwischenstationen bis nach Auschwitz zu reisen, um den Opfern der Nazi-Verbrechen zu gedenken und Flagge für die eigene Kultur zu zeigen, wie der »Kölner Stadt-Anzeiger« Anfang dieses Jahres berichtete. Begleitet werden soll er dabei streckenweise auch von Familienangehörigen, die Auschwitz überlebt haben. Auch Dizzy wolle mitfahren, wenn es so weit ist, wie er auf Nachfrage von ALL GOOD sagt.

Dizzy erzählt, dass »die Älteren« die Siedlung am Fortuinweg Anfang der 1970er Jahren erkämpft hätten, als sie ihren Platz in Köln-Bickendorf, auf dem sie mit ihren Familien in ausrangierten Eisenbahnwaggons lebten, haben aufgeben müssen. Die Stadt Köln verweist auf Anfrage von ALL GOOD auf eine 1988 erschienene Publikation über Kölner Wohnsiedlungen. »Als der Verfall der Eisenbahnwaggons nicht mehr aufzuhalten war, kam es zu intensiven Überlegungen und Besprechungen der Stadt Köln und der GAG (Gemeinnützige AG für Wohnungsbau Köln; Anm. d. Verf.), die darauf abzielten, eine feste Wohnsiedlung für die Zigeuner zu schaffen«, heißt es da in der Sprache der Zeit. In Abstimmung mit den Sinti sei daraufhin – gegen teils »heftigen Widerstand« aus der umliegenden Anwohnerschaft – eine Sozialbausiedlung mit 20 Wohnhäusern und einem Betreuungszentrum mit Kindergarten entstanden. In den Kindergarten sei auch Dizzy gegangen. »Aber den gibt es seit Kurzem nicht mehr«, sagt er. Der Publikation zufolge galt die Siedlung nach ihrer Fertigstellung als »Mustersiedlung für weitere Zigeunersiedlungen in Köln und der Bundesrepublik«. Wohl nicht zuletzt auch, weil »die besonderen Lebensgewohnheiten, Traditionen und Wohnweisen« der Sinti »weitgehend berücksichtigt« worden waren. Benannt wurde die Stichstraße nach Arnold Fortuin (1901-1970), einem katholischen Pfarrer, der während des Nationalsozialismus viele Sinti vor den Nazis versteckte und ihnen zur Flucht verhalf.

»Komm, wir gehen mal zu meinen Onkels«, sagt Dizzy. Er betritt eines der Häuser und stellt seinem Onkel und seiner Tante den »Reporter von der Presse« auf Romanes vor und erklärt ihnen kurz, worüber der schreiben will. Dann geht es in eines der Nachbarhäuser. In der Küche sitzt ein weiterer Onkel von Dizzy am Tisch, Janko Reinhardt, und isst, während die Tante mit dem Haushalt beschäftigt ist und dem fremden Gast Kaffee und Kuchen serviert. Janko Reinhardt erzählt, er sei selbst Musiker, spiele traditionellen Sinti-Jazz. »Hauptsache die Musik ist gut«, sagt er mit Blick auf die moderne Musik beziehungsweise den Rap seines Neffen. »Und wenn die Musik noch was aussagt, dann umso besser.« Ebenfalls anwesend ist Dizzys Cousin Specko. Mit ihm hat Dizzy erste Schritte in Sachen Rap-Musik unternommen. »Komm, wir gehen mal eine Runde spazieren«, sagt Dizzy. Sein Cousin schließt sich an.

Vor der Haustür zündet sich Dizzy eine Marlboro an. Dann geht es die Straße herunter. Inzwischen sind einige Leute aus den Häusern gekommen, Mütter mit Kinderwagen oder Buggy, ein älterer Herr mit Hut und Männer mittleren Alters, die gerade von ihrem Tagewerk zurückzukehren scheinen und sich unterhalten. Man kennt sich. »Hallo Dislo«, heißt es hier, »Latscho Diewes Dislo« da, Guten Tag Dislo. Dislo ist Dizzys Sinti-Rufname. Am Anfang der Straße steht der orangene Laster eines Schrotthändlers, der, wie auch der Straßenzug selbst, in einem von Dizzys Musikvideos auftaucht. Zwei Jungs kommen vorbei, vielleicht zwölf Jahre alt, keine Sinti. Dizzy kennt auch sie. Ob sie heute in der Schule waren, will er wissen. Der eine sagt Ja, der andere grinst. Neben dem Haus des einen Onkels steht ein Wohnwagen. »Da war unser erstes Studio drin«, sagt Dizzy. Aber das ist schon viele Jahre her. »Westside Sinti Music« nannten sie sich damals, machten »zigeunerschen G-Funk«, wie Dizzy in einem der damaligen Songs sagt.

Heute besticht Dizzy als Rapper neben einer amtlichen Portion Charisma durch eine tiefe, leicht kehlige Stimme und einen ganz eigenen Stil. Inhaltlich bestehen seine häufig humorvollen Raps überwiegend aus anschaulichen, scheinbar lose aneinandergereihten und aus dem Leben gegriffenen Assoziationsketten. Sein »zigeunerscher Flow«, wie er ihn nennt, ist melodiös, seine Raps sind meist auf Deutsch, das aber – und das ist sein Alleinstellungsmerkmal – immer mal wieder durch kurz eingestreute Textpassagen auf Romanes ersetzt wird. Ein Überraschungseffekt, der neugierig macht – was und vor allem in welcher Sprache hat der da gerade gesagt? Seine Ausstrahlung kommt ihm in seinen Musikvideos zugute. Dizzy fühlt sich offensichtlich wohl vor der Kamera. In dem stimmungsvollen Video zu »Gauloises & Marlboro« lassen Dizzy und seine Jungs es sich in ihrem Viertel an einem Sommerabend gut gehen, posieren vor dem Cadillac eines Freundes, während einer das Fußballtrikot seines Vaters in die Kamera hält. »FC Sinto« ist darauf zu lesen. Es ist der Name, klärt Dizzy auf, eines Kölner Fußballvereins von Sinti, den es mal gegeben habe. Eine Ehrbekundung.

Der Dizzy aus seinen Raps und Musikvideos unterscheidet sich allem Anschein nach nicht von dem Dizzy, der gerade nicht im Rampenlicht steht. Er trägt sein Herz auf der Zunge. »Ich sehe mich selbst nicht als Musiker, ich mache Kunst«, wird er später sagen. »Alle malen ein Bild: der eine Pablo Escobar, der andere Tony Montana und der nächste einen kleinen Dicken mit Bart, der da in der Ecke liegt und ein Bier trinkt. Da fragen alle: Wer ist das denn? Das bin ich! Entweder du magst den oder nicht.« Er lasse »einfach nur« raus, »was in meinem Herz ist«. Hier und da stichelt Dizzy in seinen Songs gegen die NPD, die wiederholt mit Plakaten in den Wahlkampf ging, mit denen sie gegen Sinti und Roma hetzten. Der AfD hat er sogar einen ganzen Track gewidmet – beziehungsweise ihn nach ihr benannt. Damit habe er nur zeigen wollen, »wie dumm die AfD-Wähler und -Mitglieder sind«, indem einer wie er, »ein 23-jähriger Sinto aus Köln, die einfach so in die Tasche steckt«, wird er am Abend über den Song sagen. »Ich hab‘ die verarscht, das war mein Ziel.«

Ein silberner 3er-BMW, Modell E46, fährt am Wendehammer des Fortuinweges vor. Am Steuer sitzt Giano98, auf dem Beifahrersitz G-Rain. Gemeinsam wirbeln die beiden mit ihrer Musik seit letztem Jahr einen Teil der musikinteressierten Sinti-Community auf. Zugleich beeindrucken sie auch manche Nicht-Sinti mit der Musikalität ihrer Sprache, dem Romanes, das sich offensichtlich auch für Rap-Musik eignet. Mit »Schuckesta abi Platza« (Die Schönste vom Platz) haben sich Giano98 und G-Rain einen kleinen Sommerhit beschert, wie die für Untergrundkünstler stattlichen Klickzahlen auf YouTube vermuten lassen. In dem Song rappen die zwei über einen seichten Beat, im dazugehörigen Video tragen sie ihre Naturverbundenheit zur Schau, indem sie im Grünen am Waser sitzen, grillen und braunen Schnaps zu sich nehmen.

Das Besondere an dem Musikvideo ist aber etwas anderes. Die Anfangssequenz handelt von einem Telefongespräch zwischen Giano98 und G-Rain. Der Großteil dieser Konversation ist auf Romanes – aber mit deutschem Untertitel unterlegt. Die Besonderheit besteht darin, dass sie mit der eingeblendeten Übersetzung Einblicke in ihre Sprache geben. Die meisten Sinti wollen nämlich nicht, dass ihre Sprache für Nicht-Sinti zugänglich oder gar verständlich ist. Deshalb ist sie auch bis heute nicht verschriftlicht. Der erwartete Shitstorm vonseiten der Sinti-Community sei jedoch ausgeblieben, sagen sie. In ihrem nächsten Musikvideo, das ebenfalls mit einem Telefongespräch beginnt, haben sie indes auf eine Übersetzung verzichtet.

Renaldo Geiger, wie G-Rain mit bürgerlichem Namen heißt, ist 25 Jahre alt und aus Troisdorf, südlich von Köln. Er habe erst spät angefangen, sich für Musik zu interessieren, erzählt er. Geweckt worden sei sein Interesse, als ein ihm nahestehender Cousin in Berlin zu rappen begonnen habe. Daraufhin habe er auch angefangen. Auf YouTube findet sich ein Amateurvideo, in dem ein noch deutlich jüngerer G-Rain zum Rhythmus einer Sinti-Jazz-Gitarre rappt. Der bürgerliche Name von Giano98 lautet Giano Reinhardt. Der 20-Jährige ist aus Koblenz und mit Rap-Musik aufgewachsen, erzählt er. Schon in der Grundschule habe er Rap gehört, vor allem Deutschrap. Als er Massivs »Wenn der Mond in mein Ghetto kracht« zu hören bekam, habe er selber rappen wollen. Seit er 15 ist, nehme er auf. Zurzeit arbeiten Giano98 und G-Rain an einem gemeinsamen Minialbum. »Sinto 4 Life« soll es heißen.

Giano und G-Rain beraten sich mit Dizzy und dessen Cousin Specko darüber, wo das ALL GOOD-Gespräch fortgesetzt werden soll. Die Wahl fällt auf das Eiscafé Castello im nur wenige Autofahrtminuten entfernten Köln-Worringen. Zwei Autos setzen sich in Bewegung. Dort angekommen stellt sich überraschenderweise auch Chawo vor, den Giano und G-Rain auf dem Weg zu dem Café abgeholt haben. Es gibt Getränke, Bier für Dizzy, Milchshakes für Chawo, G-Rain und Giano. Der 22-jährige Marvin Klibisch alias Chawo aus Worringen, der vor der Kamera durch seine stets versteinerte Miene auffällt, erweist sich im persönlichen Gespräch als äußerst aufgeschlossen, freundlich und redselig.

Chawo ist gewissermaßen ein klassischer Rapper: aufgewachsen mit dem Rap der Neunzigerjahre, BoomBap, Rappern wie Eminem und Kool Savas, aber auch G-Funk. »Rap ist für mich wie Mathematik«, sagt er, was sich anhand seiner technisch versierten Raps nachvollziehen lässt. Sein Ehrgeiz, es als Rapper zu etwas zu bringen, spricht aus jeder Silbe, aus vielen seiner Posts in den sozialen Medien und ist ihm vor der Kamera buchstäblich anzusehen. Um möglichst viele Leute zu erreichen, rappe er vornehmlich auf Deutsch, sagt er. Chawo ist Teil der Kölner Konnekt Crew. Ein Teil der Gruppe, darunter auch Chawo, nahm im Sommer 2018 (mit einem Beat von Sin2) an der Musik-Castingshow »X Factor« teil, flog aber – aller selbsterklärten Sympathie vonseiten des Jurymitglieds Sido zum Trotz – gleich nach dem ersten Auftritt hochkant wieder raus. Chawo nahm immerhin noch Props von Sido mit nach Hause.

Sido – ein Reizthema für alle vier am Tisch. Der Grund: sein Song »Geuner«. Sidos Statement als Rapper mit vermeintlichem Sinti-Hintergrund für die Sinti sei nicht ernst zu nehmen in Anbetracht des Videos, in dem offenbar Roma gezeigt werden statt Sinti, und der klischeebeladenen Textinhalte, so der Konsens dieser Runde. Auf Rap-Ebene sieht es jedoch anders aus. »Ich bin übelster Sido-Fan«, sagt Chawo. »Jeder, der mit deutschem Rap aufgewachsen ist, aber noch nie ›Mein Block‹ gehört hat, ist ein Otto für mich.« G-Rain erzählt, dass »Mein Block« der erste Song gewesen sei, den er nachgerappt habe, und Giano sagt, er habe Sidos Kollabo-Album »Royal Bunker« mit Kool Savas »richtig gefeiert«.

Erfolgreicher als »X Factor« verlief für Chawo der von Universals Sub-Label Chapter One veranstaltete Talentwettbewerb #RapTags, an dem er gemeinsam mit G-Rain teilnahm. Nachdem sie die Vorrunden für sich entscheiden konnten, mussten sie sich im Dezember im Finale in Berlin mit Platz 2 zufriedengeben. Dafür sind sie nun nicht nur um eine Erfahrung reicher, sondern haben mit »No, No, No« und »Skyline« noch dazu zwei professionell aufgenommene Tracks samt Musikvideos in der Tasche. Wenn die beiden zusammen rappen, dann meistens auf Deutsch. Es gibt aber auch Aufnahmen, bei denen sie beide auf Romanes rappen, wie etwa in dem melodiösen »Djiepen« (Leben) an der Seite von Rapper Samzey und Sänger Kiani. Auf Youtube finden sich von beiden weitere Tracks, in denen sie allein oder mit anderen auf Romanes rappen. Die Anerkennung von Wesley von The Looneys, dem wahrscheinlich besten Romno-Rapper, ist ihnen sicher. »Chawo und G-Rain sind momentan die einzigen beiden, die ich höre, wenn ich Sinti-Rap höre«, sagt Wesley im ALL GOOD-Gespräch. »Die sind im Rap auf Romanes auf einem ganz anderen Level: lyrisch und flow-mäßig erst recht. Auf Deutsch sind sie vielleicht sogar noch besser.«

Rückendeckung bekam Chawo auch von G-Rain, als er ein One-Take-Video zu seinem Track »Sinti« drehte. Der nur 1:40 Minuten lange Song, der auf einem Sample von Gene Chandlers »Duke of Earl« basiert, ist ein starkes Statement gegen Rassismus und für die Völkerverständigung zwischen deutschen Sinti und deutschen Nicht-Sinti. »Der Song hat mich ein bisschen berühmt gemacht«, sagt Chawo. »Ich hab ihn gemacht, weil ich das einfach mal loswerden wollte. Ich finde, die wichtigsten Dinge habe ich darin auch gesagt: dass man offen sein soll – beidseitig.« Die Quintessenz des Songs, für den er »von vielen Lob bekommen« habe: Die Nicht-Sinti sollen ihre Vorurteile ablegen und sich von den Klischeebildern in ihren Köpfen befreien und die Sinti sollen sich mehr öffnen. »An die Sinti, die für sich bleiben: Ihr sträubt Euch vor Jedem / Ja, dann müsst Ihr Euch nicht wundern, wenn man Euch nicht verstehen will«, rappt Chawo in dem Track. Ein bemerkenswerter Vers. Denn: »Traditionelle Sinti lehnen es normalerweise streng ab, Informationen über ihre Sprache und Kultur mit Außenstehenden zu teilen«, schreibt Professor Yaron Matras, ein US-amerikanischer und auf Romani-Sprachen spezialisierter Linguist, in seinem 2014 erschienenen Buch »I Met Lucky People: The Story of the Romani Gypsies«.

»Es gibt die eine Seite, die nicht so viel preisgeben will«, räumt G-Rain ein. »Wir gehören zu der anderen Seite.« Gerade deshalb hätten er und Giano – nach reiflicher Überlegung – ja die Anfangssequenz ihres Videos zu »Schuckesta abi Platza« mit deutschem Untertitel unterlegt. Ein Grund für die anhaltende Zurückhaltung vieler Sinti gegenüber der Mehrheitsgesellschaft ist wohl auch die erlittene Verfolgung durch die Nazis im Dritten Reich. Das Misstrauen sitzt tief. Dizzy und Chawo, G-Rain und Giano – sie alle kennen die Geschichten von ihren Großeltern oder Urgroßeltern noch aus erster Hand, manche haben an ihnen die tätowierten Nummern aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gesehen. Deshalb könne er die Zurückhaltung der Älteren verstehen, sagt Chawo. Ganz zu schweigen von den nach wie vor bestehenden Vorurteilen gegenüber Sinti und der bis heute verbreiteten Ablehnung von Sinti, womit sie selbst ihre eigenen Erfahrungen gemacht haben. »Aber die Zeiten haben sich auch geändert«, sagt Dizzy. »Und wenn Renaldo und Giano das übersetzt haben, dann heißt das ja auch, dass sie die Leute mit in die Welt hineinnehmen.« Chawo gibt noch zu bedenken, dass man sich ja auch mal in die Lage der Nicht-Sinti versetzen müsse: »Die fragen sich dann: Warum will der nicht, dass ich den verstehe? Hat der was zu verbergen?«

Inzwischen ist es Abend, draußen ist es dunkel geworden. Doch der Eingangsbereich des Eiscafés Castello, in dem Dizzy, Giano, G-Rain und Chawo jetzt stehen und über die Zukunft der Rolle der Sinti im deutschen Rap orakeln, ist von den Straßenlaternen und den Lampen der Gastronomie hell erleuchtet.