Hubert Daviz »Ich hab schon Bock, aber es muss auch nicht so viel passieren.«

Hubert Daviz ist einer der besten HipHop-Beatmaker Deutschlands. Trotzdem kennt den rumänischstämmigen Kölner außerhalb eines eingeschworenen Nerd-Zirkels keine Sau, denn er verweigert sich jeglicher Selbstvermarktung. Gerade ist seine »Framework«-LP mit Beats aus den letzten fünf Jahren erschienen.

Hubert Daviz

Hubert hat bisher nur sehr wenige Interviews gegeben, so gut wie nie DJ-Gigs oder MPC-Sets gespielt, auch seine Social-Media-Accounts wirken lieblos bis halbverwaist. Nicht mal auf den üblichen Grillfesten der Beat-Generation treibt er sich herum. Und auch seine neue LP »Framework« mit Instrumentals aus den Jahren 2011 bis 2015 wird nicht viel am bewusst kultivierten Underdog-Status des Kölners ändern. Er scheint einverstanden damit zu sein, dass er in einem 9-to-5-Bürojob arbeitet und sich abends mit einem Beutel grünen Kraut an die MPC setzt. Vielleicht kann er der Musik weniger Zeit widmen als andere Produzenten, doch muss er auch weniger Kompromisse machen.

»Ich komme aus dem Westerwald, bei Koblenz, ungefähr eine Stunde von Köln«, erzählt Hubert Daviz bei indischem Huhn am Chlodwigplatz. »Geboren bin ich in Rumänien. Als ich fünf Jahre alt war, sind wir nach Deutschland gekommen. Als ich in Montabaur zur Schule ging, war ich erst gar nicht so auf HipHop fixiert, sondern habe Body Count, Clawfinger und Rage Against gehört. Dann bekam ich die ersten Tapes von Freunden: Naughty By Nature, Run-D.M.C., Snoop Doggy Dogg. Abends haben wir den Videorekorder programmiert, um ›Yo! MTV Raps‹ aufzuzeichnen. Meine Clique, das waren Skater, mit denen ich Tapes getauscht habe, aber keine Aktiven. Deshalb hab ich wohl auch nie deutschen HipHop gehört. Diesen lokalen Bezug gab es einfach nicht.«

Natürlich hielten sich Hubert Daviz und seine Jungs für die Coolen von der Schule. »Wir haben sogar Leute ausgegrenzt, die nicht den richtigen Shit gehört haben«, lacht er. Der »richtige Shit«, das waren Lord Finesse, Erick Sermon, Pete Rock und Dilla. Irgendwann fing er selbst mit dem Produzieren an. »Mir blieb ja nichts anderes übrig. Rappen oder DJ sein war nie mein Ding. Machste halt Beats, ne? Nur dachte ich immer, dafür braucht man eine MPC. Bis ich mal Besuch von einem Kollegen aus Bayern hatte, der mir Fruity Loops gezeigt hat. Cubase hatte ich schon, aber das hat mir nichts gesagt. Fruity Loops hat man sofort verstanden. Also hab ich angefangen, auf meinem 14-Zoll-Monitor ein paar Loops zusammenzuschrauben, ohne Ziel, nur für mich und die Kollegen. Für meinen ersten Beat hab ich ›Sweet Dreams‹ von Eurythmics gesamplet. Einfach geloopt, paar Drums drunter, fertig. So hab ich fünf, sechs Dinger am Abend gemacht.«

Noch im Westerwald lud er seine Beats auf MySpace und tauschte sich mit anderen Produzenten aus. Seine Beats produzierte er bald nicht mehr mit Fruity Loops, sondern mit der MPC-2500 und einem Microkorg. Schließlich zog er 2007 nach Köln. »Hier ist ja alles eng beieinander. Am Anfang hatte ich auch Bock, Leute kennenzulernen. Mit der Zeit bekommt man mit: Okay, der macht auch was. Aber das hat sich alles natürlich entwickelt.« So traf er Joscha Creutzfeldt, einen DJ und Allround-Auskenner, der das feine Indie-Label Up My Alley betrieb und die »Beatnicks«-Compilations kuratierte. Dort debütierte Hubert neben Kollegen wie Rustie oder fLako. Außerdem freundete er sich mit Huss & Hodn an, die aus Köln heraus gerade die Antithese zum damaligen Deutschrap-Status-Quo formulierten. »Hulk Hodn wohnte 400 Meter von mir entfernt«, erzählt er. »Und den Olski von MPM hab ich im Stecken kennengelernt, wo man eigentlich jeden getroffen hat und immer wieder gelandet ist.«

»Hubert Daviz ist einfach nur ein bodenständiger Tiefstapler. Seine meistgebrauchte Phrase im Gespräch ist ›Keine Ahnung‹.«

Genau dieser Kölner Untergrund zwischen Stecken und Groove-Attack-Plattenladen, zwischen ENTBS und MPM, würde in den nächsten Jahren sein musikalisches Umfeld bilden. 2010 veröffentlichte MPM sein erstes Soloalbum »Proceduri de Rutina«, das komplett auf rumänischen Jazz-Samples basierte. Das Konzept entstand allerdings nicht aus einer langjährigen Leidenschaft für die Musikgeschichte seiner Heimat. »Das war einfach nur eine lange Nacht im Internet, da hat mir jemand einen rumänischen Blog zugespielt. Vorher hatte ich null Plan davon. Drei, vier Monate hab ich mich dann intensiv damit beschäftigt und über ICQ mit irgendwelchen rumänischen Jazz-Freaks gesprochen. Ich glaube, ich hab da schon das meiste abgegrast.«

In den Folgejahren erschienen zunächst das gemeinsame Album mit Hulk Hodn namens »Kaseta«, aber auch EPs und Projekte mit befreundeten Rappern wie Retrogott, Morlockk Dilemma und Sylabil Spill. Sie blieben bis heute die einzigen Rapper, die man je auf Hubert-Daviz-Beats hören konnte. Es habe schon auch andere gegeben, die über seine Beats rappen wollten, sagt er. »Aber ich hatte da immer meine eigenen Vorstellungen und war nicht überzeugt genug. Und wenn’s mir nicht taugt, dann funktioniert es nicht. Was ich bisher gemacht habe, ist immer aus einer persönlichen Verbindung entstanden. Ich schreibe niemanden an, den ich nicht kenne, und frage ihn, ob er auf meine Beats rappen will. Das ist es mir nicht wert. Also, ich hab schon Bock, aber es muss auch nicht so viel passieren.« Er grinst.

So kompromisslos Hubert Daviz als Musiker ist, so wenig engstirnig ist er als Musikhörer. »Ich feier’ auch den ganzen Trap-Shit ab. Ich hab ja früher auch den R&B-Mist gehört und bin mit den Jungs in die Disco zum Weiber checken.« Seine eigene Musik ist jedoch nicht für den Club gedacht. »Ich mache eigentlich nur Mucke, wenn ich breit bin. Einfach mal vom Alltag abschalten, schön einen wickeln und Beats machen — ist schon immer so gewesen.« Eins ist klar: Das Understatement, das seine mediale Präsenz ausstrahlt, ist nicht gespielt und auch kein Versuch, sich ein rätselhaftes Image zu verleihen. Hubert Daviz ist einfach nur ein bodenständiger Tiefstapler. Seine meistgebrauchte Phrase im Gespräch ist »Keine Ahnung«. Auf die zugegeben doofe Frage, ob das, was er macht, eigentlich schwierig sei, antwortet er: »Nicht wirklich.«

Heute stehen eine MPC 3000, ein Moog-Voyager-Synthesizer und der analoge Drumcomputer DSI Tempest in seinem Arbeitszimmer. »Ich bin sehr gerätefixiert. Wenn ich mir bei eBay wieder eins geschossen habe, dann wird das Ding zu Hause erstmal geputzt, bevor ich es anschalte. Muss ja gut aussehen.« Und obwohl gerade erst die »Framework«-LP mit Beats aus den letzten vier Jahren erschienen ist, hat er schon wieder neue Projekte in Arbeit: Ein Tape mit dem süddeutschen Produzenten Wun Two aus dem Sichtexot-Umfeld ist fast fertig, außerdem arbeitet er an einer Solo-EP mit fünf oder sechs Tracks, die laut seiner Aussage »dunkler, atmosphärischer und kälter« werden. Natürlich macht er sich keinen Druck, was eine baldige Veröffentlichung angeht. »Ich bin froh, dass ich arbeiten gehe und mein Geld damit verdiene. Ich muss nicht unbedingt liefern, wenn ich keinen Bock habe. Ich bin zufrieden.«

Bild: Robert Winter