Princess Nokia »Bitches« und »Brujas« und Riot Grrrl Rap

Vorbei die Zeit der einsamen Galionsfiguren im US-Rap wie Nicki Minaj. Mittlerweile rappt eine Vielzahl selbstbewusster Frauen. Princess Nokia formuliert ihre feministische Message populär, radikal und gleichzeitig am eindringlichsten.

Princess Nokia

Mit 24 hatte Destiny Frasqueri in diesem Jahr ihren ersten Hype, als sie sich im gleichnamigen Track als »Tomboy« inszenierte. Dort besingt sie den dicken Bauch und die kleinen Brüste, die sie in einem Hoodie, der zwei Nummern zu groß ist, in Szene setzt. Weil man als Frau in New York und ohnehin überall auf der Welt nun mal aussehen darf, wie man will. Das Video wurde bis heute über 700.000 mal angeklickt. Princess Nokia, wie sich Frasqueri nennt, macht Musik, durch die sich konstant das Tomboy-Image zieht – ein Begriff, der Frauen mit männlichen Attributen betitelt. Doch in ihrem Falle transzendiert die burschikose Rotzigkeit mit einem Äußeren, das kaum mit dem beschriebenen Bild zusammenpasst. Frasqueri ist schlank, ließ sich Anfang der 10er Jahre, als sie sich noch Wavy Spice nannte, in teurer, gleichzeitig freizügiger Streetwear-Kluft von Designern wie Nasir Mazahr ablichten. Sie wirkte wie ein Hip-Teen aus Brooklyn.

Die von Männern in der HipHop-Subkultur in dieses Aussehen hineininterpretierte Harmlosigkeit allerdings, die gab es nie. Schon als Princess Nokia ist Frasqueri vor zwei Jahren mit ihrem Debüt »Metallic Butterfly« wie ein trojanisches Pferd in die Männerdomäne Rap eindrang, entpuppte sie sich als radikales Riot Grrrl. Doch während das Album aus 2014 noch mit tribalen Gesängen, Ethno-Beats und verschleiernden Synths auskam, die Frasqueri von Delay-Rückkopplungen und Hall entschärften SingSang überschatteten, ist ihr neues Werk »1992« der direkte Aufschrei.

Frasqueri Wurzeln liegen in Nigeria und Puerto Rico. Neben Sexismus hat sie bis heute mit dem omnipräsenten Alltagsrassismus zu kämpfen. Dagegen bäumt sie sich auf. Sie fordert in ihren Liedern Akzeptanz für ihre Kultur, verteidigt wie zuletzt auch Solange Knowles ihre Haare, die andere einfach antatschen wollen. Gleichzeitig macht sie sich das Wort »Bitch« zu eigen, transformiert es von einem degradierenden Ausdruck zu einer Selbstzeichnung – einem Codewort für all die selbstbewussten Frauen, die sie ansprechen möchte. Das gleicht der Herangehensweise der schwarzen Rapper, die das abfällig-rassistische »Nigger« so lange untereinander als Signum ihrer Selbst verwendeten, bis die zerstörerische Kraft des Wortes abschwächte.

»1992« ist auf den ersten Blick kein homogenes Album. Es ist eine Melange aller Einflüsse Frasqueris, die über die Message zusammengehalten werden. Soulige Sounds, die an Eastcoast-Veteranen wie Notorious B.I.G. erinnern, koalieren mit technoidem Wirrwarr und Maschinengewehr-Trap. Lex Luger, jener Produzent, der den Zeitgeist-Sound in den USA mit ratternden HiHats und minimaler Melodiegebung, den man als Trap bezeichnet, mitprägte, unterstützte Frasqueri unter anderem. Die ansonsten auf derartigen Beats dargebotenen Erzählungen von Reichtum, die Frauenfeindlichkeit und die Drohgebärden, bricht sie aber auf. Der Materialismus wurde verbannt. Stattdessen liegt über den Beats ihr feministisches Manifest, das nicht dogmatisch, sondern urcool daherkommt. Frasqueri ist die Übersetzung der Riot Grrrl-Bewegung der 90er in ein zeitgeistiges Format. Auf Konzerten befördert sie Männer gerne mal in die zweite Reihe, damit Frauen vorne genug Platz zum Tanzen haben. Gegrapscht wird nicht. Wie Zeigefingermentalität wirkt das trotzdem nicht, ihr Diktum wird befolgt. Keine Selbstverständlichkeit im HipHop, der seit jeher von einem Hypermaskulinismus durchzogen ist. In Princess Nokias Musik wird die Brutalität, das Anarchische und die Protzigkeit auch aufgegriffen. Allerdings aus einer weiblichen Perspektive, die es bisher viel zu selten gab.

Das Macker-Motiv verwandelt Frasqueri. Sie bezeichnet sich neben dem schon angesprochen »Bitch« selbst als Hexe, als »Bruja«. Ein weiteres negativ konnotiertes Wort. Auf »Brujas«, ein von hypnotischen Synth-Melodien getriebenes UpTempo-Stück, wird diese Affinität zur Spiritualität, die sie aus ihren puertorikanischen Wurzeln zieht, untermauert. »I’m the Black a-Rican bruja straight out from the Yoruba / And my people come from Africa diaspora, Cuba«, sagt sie da und ist Stolz auf ihre Herkunft. »Don’t you fuck with my energy« wiederholt sie kurz darauf mantraartig und man wird überrumpelt von der Energie, die zum Vorschein kommt, die einnehmend ist und zugleich furchteinflößend. Kompromisse gibt es für Frasqueri keine. Sie macht alles selbst. Angebote von großen Labels gab es genügend. Doch sie lehnte alle ab, um die totale Autonomie ihrer Musik aufrechtzuerhalten. Sie veröffentlicht ihre Lieder wann und wie sie will über Soundcloud im Internet, und macht sie für jeden zugänglich, der zuhören möchte – ohne sich dem Markt zu unterwerfen. Diese Streamingplattformen, auf denen jeder selbst zum Verleger seines Schaffens werden kann, haben auch die Musikindustrie, in denen Künstlerinnen schon immer hinten anstehen mussten, demokratisiert.

Damit bildet Princess Nokia mit Künstlerinne wie Abra, Tommy Genesis oder Noname die Spitze einer selbstbewussten Strömung im Rap, die klar eine weibliche Zielgruppe ansprechen und gleichzeitig die festgefahrenen Normen hinterfragen will. Das kommt an und wird mittlerweile weitestgehend akzeptiert. Auch deswegen, weil die Rap-Skills überdurchschnittlich sind. Nur einmal, da bekam die Bewunderung für Frasqueri Risse. »See, I know my money got raised by the jews«, skandierte sie auf »Bart Simpson«. Antisemitismus? Frasqueri verneint den Vorwurf im Interview mit dem »Spex«-Magazin entschlossen: »Ich wurde von reichen Juden aufgezogen, (…) war zehn Jahre lang im hebräischen Ferienlager. Meine Tanten und Onkel waren reiche Jüdinnen und Juden.« Man hofft, dass diese Erklärung der Wahrheit entspricht. Denn Princess Nokia ist eine der wichtigsten Stimmen der emanzipatorischen Rap-Musik: Ein Vorbild.

Bild: Shaheen Wacker