2014 / THE RAP UP:
Die Alben des Jahres

Das Ende des Jahres bedeutet auch das Ende unseres Jahresrückblicks »THE RAP UP«. Zum Abschluss präsentieren wir euch die 15 besten Alben des Jahres, gewählt von den ALL GOOD-Autoren.

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Wer sich regelmäßig auf ALL GOOD herumtreibt, weiß: Wir lieben Listen. Und wir wissen: Ihr liebt sie auch. Was würde sich daher, kurz vor Jahresende und als Abschluss des ALL GOOD »RAP UP« besser anbieten, als die Song- und Album-Highlights dieses so vielschichtigen, erfolgreichen und spannenden HipHop-Jahres noch einmal hervorzuheben? Eben.

16 Autoren haben abgestimmt – und wir haben daraus die ALL GOOD Jahres-Charts unserer Edelfedern kompiliert. Nach den 15 besten Songs präsentieren wir euch heute, korrekt™ am Jahresende, die 15 unserer Meinung nach besten Alben des Jahres 2014.

Bild: Creativity103 – »cd jewel case« (modif.) / Lizenz: CC BY 2.0

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  • Platz 15 Absztrakkt & Snowgoons – »Bodhiguard«

    Absztrakkt-Snowgoons-Bodhiguard-Artwork

    »Ein Sieg für den Untergrund« nannten die 58-Muzik-Jungs den Charteinstieg von »Bodhiguard«, dem gemeinsamen Album von Absztrakkt und den Snowgoons. Vollkommen zu recht. »Bodhiguard« war ein von boombappigen Beats und buddhistischen Ideen gleichermaßen zusammengehaltenes Meisterwerk. Ein Album, so rough und hart wie die Stadt des Lichts in diesen Wintermonaten, aber gleichzeitig auch bis in den hinterletzten Sound und Songtext erfüllt von größtmöglichem Glück.

  • Platz 14 Karate Andi – »Pilsator Platin«

    Karate_Andi_Pilsator_Platin

    »Irgendwie schon ganz geil, aber halt nicht hundertprozentig« meinte Jan Wehn abschließend in seiner Review – und das spiegelt, im allerbesten Sinn, auch diese Platzierung hier wider. Denn, stimmt schon: das Gesamtbild aus Karate Andis umfassenden Fähigkeiten als Rapper, seiner Inszenierung als prollig-gewitztem Kaputtnik und den an vielen Stellen etwas zu breitwandigen »Dubstep-Brummereien und Trap-Imitationen« hätte noch ein wenig mehr Feinjustierung vertragen – aber unter’m Strich ist »Pilsator Platin« halt trotzdem ein saustarkes Debüt.

  • Platz 13 Mädness – »Maggo«

    Maedness_Magoo

    Direkt nach Erscheinen wurden der Titeltrack und das dazugehörige Video vielerorts über den grünen Klee gelobt. Mehr noch: Mädness, de Gude, legte dank ordentlich Rückenwind und neu erlangtem Darmstädter Selbstbewusstsein auch noch eine grandiose EP nach. Auf der gab’s besagten Track, HippiHoppi-Echthalterei mit Yassin und sogar noch zwei Leftovers der leider nie erschienenen EP mit Kamp. Is‘ eben de Gude.

  • Platz 12 Apollo Brown & Ras Kass – »Blasphemy«

    Blasphemy

    Die guten alten Zeiten – die Mello Music Group aus Arizona bringt sie am Fließband zurück. Gerne und oft mit Hilfe des Produzenten Apollo Brown, der zwischen Dilla, Rock, Finesse und Premier seinen eigenen BoomBap gefunden hat. Für »Blasphemy« schnappte er sich den kalifornischen Veteranen Ras Kass, der hier endlich auf einem kohärenten Soundteppich seinem Talent freien Lauf lassen kann. Natürlich atmet all das den Geist der alten Zeit – aber das soll es ja auch. Oder wie es Rezensent Marc Dietrich in seiner Review schreibt: »Blasphemy« ist »im besten Sinne zeitlos, ohne hängengeblieben zu sein.«

  • Platz 11 Antilopen Gang – »Aversion«

    Antilopen Gang_Aversion

    Danger Dans »Ölsardinenindustrie« holte die Antilopen 2012 auf ein hier installiertes Radar. Deutschraps inzwischen sperrangelweit offenen Scheuklappen wiederum bescherten dieser, das »Anti« schon im Namen tragenden, Aussenseiter-Kombo und ihrer Mischung aus Verweigerung, Verletzbarkeit und Gesellschaftskritik seitdem eine wachsende Zielgruppe – führenden YouTube-Kommentatoren zufolge rekrutiert sich diese ausschließlich im studentischen Milieu. Dass Studenten alle kein Geld haben, störte wiederum Alt-Punk Campino nicht, zwang die drei in einen Plattenvertrag – und brach damit einer der interessantesten Veröffentlichungen des zurückliegenden Deutschrap-Jahres Bahn. Mit Selbstzweifeln bei ausbleibender Fremdscham, mit politischen Aussagen bei ausbleibenden Fahnen im Video und mit gesungenen Hooks (und Parts!) bei ausbleibendem Autotune.

    Im ausführlichen Gespräch mit Philipp Killmann erklären Danger Dan, Koljah und Panik Panzer unter anderem, wieso »Aversion« eine Konsequenz aus NMZS‘ Tod ist und beleuchten die Hintergründe zum äußerst harten Beef mit Prinz Pi.

  • Platz 10 Shawty Pimp – »Comin' Real Wit It«

    Shawty Pimp

    Shawty Pimp ist eine fast vergessene Producer-Legende aus der HipHop-Szene des Memphis‘ der Neunzigerjahre. Sein Debütalbum »Comin‘ Real Wit It«, das er mit dem Rapper Reddog aufnahm, wechselt als Musikkassette bei eBay gerne mal für zwei bis vier Euro den Besitzer, weil es nicht mehr zu haben ist. Bis jetzt. L.A. Club Resource, das Label von Techno-Produzent Delroy Edwards, re-releaste 2014 den Klassiker in neu gemasterter Form und haucht damit dem – ohnehin omnipräsenten – Memphis-Sound weiteres, neues Leben ein. »Comin‘ Real Wit It« ist 43 Minuten purer Lokal-Rap – hängengeblieben und faszinierend, hypnotisch und tumb. Ein wichtiges Zeitdokument und ein unglaublich unterhaltsames dazu.

  • Platz 9 Flying Lotus – »You're Dead«

    Flying Lotus

    Dem Tod entkommt keiner. Das weiß natürlich auch Flying Lotus – er hat wichtige musikalische Wegbereiter wie Dilla, Austin Peralta und seine Großtante Alice Coltrane verloren. Ob er deswegen sein fünftes Album komplett dem Tod widmete? Man weiß es nicht. Denn FlyLo wäre nicht FlyLo, wenn er ein so großes Thema – womöglich das größte überhaupt – mit seinen einzigartigen Drums, Sample-Versatzstücken und Thundercat-Basslines auch nur einen Deut offensichtlich übersetzen würde.

    Seine Karriere startete Flying Lotus einst mit einer Veröffentlichung, die mit seinem Geburtsjahr betitelt war. Ein Kreis, der sich nun also irgendwie schließt, weil er mit »You’re Dead« noch weiter im Jazz angekommen ist, sich dabei aber auch bei Krautrock und Detroit Techno bedient. Ganz zur Freude von Stephan Szillus, der dem Album in seiner ALL GOOD-Review bescheinigte, den auf »Cosmogramma« eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen und »dabei den entscheidenden Schritt von Jazz-Fusion zu Prog-Rock, von Chick Corea zu King Crimson« zu gehen.

  • Platz 8 Hiob & Morlockk Dilemma – »Kapitalismus Jetzt«

    Hiob & Morlockk Dilemma – Kapitalismus Jetzt

    »Wir leben Orwells feuchten Traum im Joch des Weltenrats / im Garten Eden mit genveränderter Zell-Membran« – die ersten Worte Morlockk Dilemmas auf dem zweiten Teil der »… Jetzt«-Kollabo-Reihe mit Hiob machen direkt und unmissverständlich klar, dass leichte Kost auch weiterhin andernorts zu suchen sein wird. Wie die beiden MCs mit unverwechselbarer Artikulation seit jeher den schmalen Grat zwischen mondäner Dichtung, höchster Beleidigungskunst und messerscharfem Rap-Gebretter meistern: die deutsche Sprache darf sich geehrt fühlen. Im Falle von »Kapitalismus Jetzt« passiert dies auf »einer eigenwilligen Mischung von Vintage-Synthesizer-Melodien aus einer längst vergangenen Zukunft, der kompletten ›Star Trek‹-Soundeffektpalette und immer wieder eingestreuten dissonanten Tönen«, wie Alex Seltenreich in seiner Review Anfang des Jahres den Sound der Platte zutreffend beschrieb. Das Video zum Titeltrack transportiert die Gesamtstimmung dieser Album gewordenen Dystopie perfekt.

  • Platz 7 Dorian Concept – »Joined Ends«

    Dorian Concept – Joined Ends

    Mit »Joined Ends«, seinem zweiten Solo-Album, gelang dem österreichischen Produzent Dorian Concept, der dereinst als MicroKorg-Talent von sich reden machte, die Reifeprüfung als Instrumentalmusiker auf internationalem Niveau. Das klingt allerdings schrecklich bieder und viel zu technisch, denn »Joined Ends« ist eine so spielerische wie abenteuerliche Reise durch analoge Soundwelten, die sich Ideenschnipsel von Flying Lotus, Thundercat und Hudson Mohawke leihen, in ihrer Struktur und Detailverliebtheit aber so eigen sind, dass man sich wundern muss, wieso dieser unscheinbare Österreicher nicht viel umfassender bekannt ist und gefeiert wird.

  • Platz 6 Travi$ Scott – »Days Before Rodeo«

    Travis Scott_Days Before Rodeo

    »Days Before Rodeo« ist ein bombastisches Avant-Rap-Meisterwerk. Dabei ist es »nur« eine EP, lediglich eine Ankündigung auf das, was noch kommen wird, eine wirklich sehr ambitionierte Kiste eines Früh-Zwanzigjährigen, auf den einflussreiche Kontemporär-Künstler derzeit große Stücke halten. Mit der Unterstützung von Young Thug, Rich Homie Quan, T.I., Big Sean und Migos entwirft Travi$ Scott ein Sammelsurium aus modernen Klang-Entwürfen, die zu keinem Zeitpunkt beliebig, antrainiert oder gar langweilig klingen. Unvergleichliche Hier-und-Jetzt-Musik von einem der größten Nachwuchstalente des Genres. In seiner Review schreibt Anthony Obst: »Travi$ Scott hat als Prelude für sein Album eine der stärksten, mutigsten und eingängigsten Rap-Veröffentlichungen des Jahres veröffentlicht.«

  • Platz 5 Run The Jewels – »Run The Jewels 2«

    Run The Jewels

    Über die schicksalhafte Zusammenkunft dieser zwei Charaktere – der im Dungeon Atlantas groß gewordene Hüne Killer Mike und El-P, der launig grantelnde Weltverschwörer vom Planeten Brooklyn – wurde in diesem Jahr vieles geschrieben. Natürlich weil sie auf dem Run-The-Jewels–Zweitlingswerk musikalisch wie eine 2014er Version der Bomb Squad klangen, ergo alles richtig gemacht haben. Wie tief Killer Mike und El-P mit ihrem Album im Zeitgeist stehen, unterstrichen parallel zu »Run The Jewels 2« die tragischen Ereignissen in Ferguson nach der Ermordung von Michael Brown und den darauffolgenden Protesten über Polizeigewalt und sozialem Ungleichgewicht. Das Album ist ein tonnenschweres Meisterwerk voller Fickfinger und Ghetto-Funk von zwei 39-jährigen Genies, die eigentlich etwas Besseres zu tun hätten, als HipHop künstlerisch nach vorne zu bringen. Wenn Alte-Männer-HipHop so klingt, dann brauchen wir uns um dieses Genre wirklich gar keine Sorgen machen!

  • Platz 4 Freddie Gibbs & Madlib – »Piñata«

    Freddie Gibbs & Madlib - Pinata

    Auf seinen Alben war Freddie Gibbs immer ein bisschen Hansdampf in allen Gassen – eben weil sein überbordendes Talent ihn fast zur Vielseitigkeit zwang. Für ein außergewöhnliches Album fehlte ihm lediglich, aber stets der rote Faden. Auftritt: Madlib. Auf »Piñata« schusterte der Musikus aus Oxnard dem brandgefährlichen Gangster aus Midwest ein musikalisches Ganzes, welches genau jenes Gerüst für einen Freddie Gibbs in Bestform lieferte. Gemeinsam legte das ungleiche Duo damit »einen Meilenstein ihrer jeweiligen Karriere«, so Anthony Obst in seiner Review.

  • Platz 3 YG – »My Krazy Life«

    YG_My Krazy Life

    Ob DJ Mustard mehr kann als nur diese olle Akkordfolge, die Claps und die anorganische Bassline, ist hier nicht die Frage, denn: er braucht es gar nicht können. Mit YG hat Mustard zudem einen Gangbanger gefunden, der seine Geschichten unverwechselbar auf den Klangteppich-Bastard aus G-Funk und Hyphy legen kann. In einer Zeit, in der gefühlt alle auf die gleichen DJ-Mustard-Beats rappen, spricht das Bände. Stephan Szillus schrieb in seiner Review: »›My Krazy Life‹ gehört zu den spannendsten Alben des noch jungen Jahres und beweist einmal mehr, dass Los Angeles derzeit eines der kreativen Epizentren der HipHop-Welt darstellt.«

  • Platz 2 Marteria – »Zum Glück in die Zukunft 2«

    Marteria - ZGIDZ2

    Marten hat es schon immer gewusst: Der zweite Teil wird noch besser. »Zum Glück in die Zukunft« hat Deutschrap verändert. Ach was: gerettet. »Zum Glück in die Zukunft 2« hat gezeigt, dass es dann halt aber doch immer noch ein klein bisschen besser geht. Wenn man keine Weichen stellen muss, dann kann man die ganze große Welt in einen kleinen runden Silberling packen. ZGIDZ2 ist das Future-BoomBap-Album, das Kanye West nie gemacht hat, in umfassend sympathisch. In der ALL GOOD-Review hieß das: ein »großes und wichtiges Album. Für deutschen HipHop. Und ganz besonders für deutsche Musik.«

  • Platz 1 Haftbefehl – »Russisch Roulette«

    Haftbefehl – Russisch Roulette

    Wenn Haftbefehl eines unter Beweis gestellt hat, dann ist es die Erkenntnis, dass Eigenständigkeit immer noch etwas zählt im Musikzirkus 2014. Nach Jahren der Perpetuierung immergleicher Schlüsselreize fügte Aykut Anhan dem hiesigen Straßenrap etwas gänzlich Neues hinzu. Mit »Russisch Roulette« gelang Haftbefehl dies endlich auch auf Albumlänge – nur eben ohne immergleiche Schlüsselreize. Dafür mit einem Soundbild zwischen kontemporär amerikanischen und französischen Vorbildern, klassischen BoomBap-Entwürfen und – b∆Zz∆zi∆N und Farhot sei Dank – eigenständiger Note. Vielleicht ist dieses Album auch nur so gut, weil Deutschrap genau so ein Album gebraucht hat. Oder wie Jan Wehn in seiner Review resümiert: »… dieser Vorschlaghammer-Mittelfinger-Trockenarschfick-mit-Anlauf ist einfach die beste und wichtigste deutschsprachige HipHop-Platte des Jahres.«