Olexesh »Wie soll ich an Liebe glauben?«

Das Arbeitstier hat wieder abgeliefert. Gerade ist mit »Makadam« das dritte Album von Olexesh erschienen. Dieses Mal hat der Darmstädter die Chartspitze fest im Visier. Jan Wehn traf OL in seiner Heimatstadt zum Interview.

olexmakadam-26

Ortstermin in der Darmstädter Fußgängerzone an einem Freitagnachmittag Ende Oktober. Olexesh sitzt mit seinen Freunden Samir, Ramazan und Ajé vor dem »Café Bruno’s«. Direkt neben dem Café befindet sich das Schnellrestaurant für Sandwiches, in dem Olexesh vor seiner Rap-Karriere lange Jahre gearbeitet hat. Auf dem Tisch stehen Wasserflaschen und Kaffeetassen, eine Packung Zigaretten macht die Runde. Ab und an kommen Fans mit gezückten Smartphones vorbei und fragen Olexesh nach einem gemeinsamen Foto.

Nicht, dass das ein Parameter wäre, aber es zeigt: Olexesh hat sich in den letzten drei Jahren als eine feste Größe in der deutschen Rap-Szene etabliert. Woran das liegt? An seinem sich fernab von tagesaktuellen Trends bewegenden Styleverständnis, seiner präzisen Technik und einer schier unerschöpflichen Motivation, die ihn Jahr für Jahr Album nach Album machen lässt. Zuletzt gab es für dieses Gesamtpaket sogar lobende Worte von Kool Savas. Jan Wehn traf Olexesh zum Interview. Man sprach über seinen Antrieb, den Besuch bei seinen Großeltern in der Ukraine und die Liebe.

  • Wie ist die Lage?

  • (gähnt) Ach, nur am Arbeiten, Bruder…

  • Sitzt du schon wieder am nächsten Album, oder?

  • So sieht’s aus. »Makadam« ist zwar fertig, die Interviews sind gegeben, aber ich schreibe schon wieder. Den Titel kann ich noch nicht verraten, aber das wird richtig geil. Geht nur nach vorne. Auf dem Album wird man keine Traurigkeiten finden. Bis jetzt habe ich auf jedem Album auch nachdenkliche Songs. Vielleicht packe ich auch einen mit drauf, »Entschuldige, Mama«.

  • »Ich will Ansagen machen, schnelle Flows…bam, bam bam!«Auf Twitter teilen
  • Jedes Mal wenn wir uns treffen, schreibst du schon wieder für das nächste Album. Wie machst du das?

  • Keine Ahnung, Bruder. Ich denke jedes Mal, dass mir nichts mehr einfällt. Aber dann kommt doch immer wieder etwas Neues. Irgendwas motiviert mich immer. Ich will jetzt richtig angreifen. Ich will Ansagen machen, schnelle Flows…bam, bam bam!

  • Normalerweise geht es bei Rappern nach dem ersten Album eher bergab. Aber du scheinst dich von Veröffentlichung zu Veröffentlichung zu steigern. Wie machst du das?

  • Ich arbeite halt hart. Wenn du eine Sache liebst und gut darin bist, dann machst du sie gerne – so eine Steigerung kommt von ganz alleine.

  • Was motiviert dich denn eher: Der Respekt von anderen Leuten oder das Geldverdienen?

  • In erster Linie geht es mir um Respekt und Anerkennung. Aber, klar, wenn ich kein Geld mehr auf dem Konto habe, dann schreibe ich wieder was Krasses, um einen Hype zu kriegen und richtig zu verdienen.

  • Nie mal Bock die Füße hochzulegen und zu chillen?

  • Das ist der falsche Move. Man muss sich da echt zusammenreißen. 

  • »Bruder, wir sind alle Künstler. Wir müssen immer etwas machen.«Auf Twitter teilen
  • Woher hast du diesen Antrieb? Von deiner Mutter?

  • Ja, auf jeden Fall. Sie arbeitet sehr viel. Aber weil sie muss. Sie ist Malerin und die Kunst treibt sie an. Sie malt zum Beispiel Hochzeitsbilder. Manchmal bringen ihr Menschen auch alte Wandteppiche, die sie dann restauriert. Mittlerweile gibt sie auch Malkurse. Das liegt in der Familie – sogar meine Oma malt noch. Die schickt meiner Mutter regelmäßig Bilder nach Deutschland und sie verkauft die dann hier für sie bei eBay. Sie malt zum Beispiel Katzen. Die sind nur ganz klein, aber richtig schön, mit vielen Farben. Bruder, wir sind alle Künstler. Wir müssen immer etwas machen.

  • Du warst diesen Sommer das erste Mal seit sehr langer Zeit wieder in der Ukraine und hast deine Großeltern besucht. Wie war das?

  • Ja, das war gut. Ich habe meine Kumpels hier (zeigt auf Samir und Ajé) mitgenommen. Ramazans Pass ist leider nicht fertiggeworden. (lacht) Außerdem war noch mein Stiefbruder und das Kamerateam von One Take dabei. Meine Großeltern wohnen da mitten in der Stadt. Die beiden sind schon älter und ich überweise ihnen jeden Monat 1.000,- Euro, Bruder. Als ich das zum ersten Mal gemacht habe, habe ich ihnen gesagt, sie sollen von dem Geld bitte beide zum Arzt gehen, sich untersuchen und die besten Medikamente verschreiben lassen. Die beiden waren unfassbar glücklich und meine Oma hat gesagt: »Ich werde versuchen, für dich so lange zu leben, wie ich nur kann.« Wenn jemand so etwas zu dir sagt, dann geht dir das Herz auf – das ist für mich noch ein Grund mehr, Musik zu machen und Geld damit zu verdienen.

  • Wie leben die beiden denn?

  • Da sieht alles ein bisschen anders aus als bei uns. Die Einrichtung ist sehr antik. Aber das Essen ist krass. Wir haben jeden Tag frisch gegessen: Brot und Borschtsch, Gurken und Wodka. 

  • Im Video zu »Geboren in der Großstadt« sieht man dich ja auch mit deinem Opa trinken.

  • Jaja, genau. Er hat mich jeden Tag gefragt, ob ich einen Kurzen will. Meine Oma hat dann mit ihm geschimpft. Daraufhin meinte er: »Aber der Junge will doch vielleicht selbst?« Dann habe ich mit ihm einen getrunken. Immer, wenn Oma dann kurz aus dem Zimmer ist, hat er mir wieder nachgeschenkt – und jedes zweite Mal wurden wir erwischt. (lacht) Aber mein Opa freut sich eben über Besuch – und lädt denjenigen dann auf Schnaps ein.

  • »Man kann nicht sein ganzes Leben immer nur Stress machen.«Auf Twitter teilen
  • Sind deine Großeltern glückliche Menschen?

  • Ja, total. Die lieben sich total. Ich glaube, dass das bei fast allen Großeltern von uns hier (zeigt auf Ramazan und Samir) so ist. Das ist eine ganz andere Generation. Ich will nicht wissen, wie dieser Junge und dieses Mädchen (zeigt auf ein Paar in der Fußgängerzone) als Opa und Oma sein werden. (denkt kurz nach) Aber vielleicht werden die auch so. Vielleicht verändert man sich auch, wenn man alt wird. Man kann ja nicht sein ganzes Leben immer nur Stress machen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man im Alter gelassener wird.

  • Was haben deine Großeltern denn gearbeitet?

  • Mein Opa hat viel gemacht. Der war Soldat, hat aber auch als Restaurateur gearbeitet. Der sammelt und schnitzt auch Gehstöcke, aus Elfenbein und Holz. Der hat einen ganzen Schrank voll mit diesen Dingern. Manche haben Wappen drauf, bei einem kann man sogar den Griff rausziehen und da ist ein Schwert drin. (denkt nach) Als wir dort waren, gab es auch ein Gespräch darüber, wer nach deren Tod was erbt – und ich würde am liebsten gar nichts von den beiden weggeben, sondern viel lieber einen Raum kaufen und dort ein kleines Museum einrichten.

  • Würdest du sagen, der Besuch hat dich verändert?

  • Klar. Vorher habe ich immer nur mein eigenes Ding gemacht und gar nicht richtig gecheckt, wie schlecht es anderen Mitgliedern meiner Familie vielleicht geht und wie viel Zeit ich verplempert habe. Deshalb will ich es jetzt besser machen.

  • Samir, du warst ja mit Olexesh in der Ukraine. Wie hat’s dir gefallen?

  • Samir: Das war auf jeden Fall krass. Wenn ich mal im Urlaub gewesen bin, dann nur in Frankreich, Spanien oder Marokko. In der Türkei war ich auch einmal. Aber in den Ostländern halt noch nie. Das war was ganz Neues für mich, weil da nicht überall Marokkaner oder Türken rumlaufen. Man wird da anders angeguckt. Aber abgesehen davon war es richtig cool. Wir haben ja in dem Hotel geschlafen, das man auch in dem Trailer sieht. Davor war so eine Militärparade für den Präsidenten.

  • »Kannst du stabil bleiben? Schaffst du das? Traust du dir das zu? Bleibst du da und gehst nicht weg?«Auf Twitter teilen
  • Wo kamen diese Aufnahmen eigentlich her?

  • Die kamen alle von meiner Mutter. Ich wusste, dass es die Kassetten irgendwo gab. Dann hat meine Mutter die irgendwann rausgeholt, wir haben sie uns zusammen angesehen und beide geheult. Meine Mutter meinte auch noch mal, dass es ihr so leid tut und sie mich mit den falschen Leuten zusammengebracht hat. Egal ob mit meinem Vater, der sich dann verpisst hat, oder später mit anderen Männern. Aber ich bin ihr dennoch dankbar. Sie hat mich auf diese Welt gebracht und war immer da. Weißt du, abspritzen kann jeder. Aber was ist danach? Kannst du danach auch sorgen? Kannst du stabil bleiben? Schaffst du das? Traust du dir das zu? Bleibst du da und gehst nicht weg?

  • Samir: Vielleicht kannst du ja trotzdem mal in die USA und deinen Vater suchen.

  • Ach, nein, Bruder. Ich habe den nie gekannt. Mich interessiert nicht, wer er ist. Ich habe einmal ein Foto von ihm gesehen, das reicht. Er hat auch Scheiße gebaut. Er hat meiner Oma die Nähmaschine geklaut. Meine Mutter hatte zu der Zeit keinen Job und wir brauchten Anziehsachen, also hat meine Oma uns alles selbstgenäht. Aber er hat sie ihr geklaut und ganz viele Bilder hat er auch mitgenommen. Der hat so viel Scheiße gemacht und weder meine Oma noch meine Mutter konnten sich wehren. Vermutlich würde ich ihm einen Lowkick geben und sagen: »Hier, der ist von deinem Sohn!« (denkt nach) Ach, nein, das würde ich nicht machen. Meine Oma sagt immer, dass er vor Gott schon seine gerechte Strafe bekommen wird. Wir können da eh nichts tun.

  • Du kannst es aber besser machen und da sein, wenn du mal Kinder hast, oder?

  • Ja, Bruder. Da hast du auf jeden Fall recht.

  • Glaubst du an die Liebe?

  • Klar, Bro. Ich liebe auch immer noch. Ich liebe viele Sachen. Wobei, vielleicht kann man das nicht mehr Liebe nennen. Wenn man etwas immer haben will, dann ist das Liebe. Aber wenn man es dann hat, lässt das nach. Aber so sind die Menschen. Ich habe echt viel Scheiße erlebt. Meine Mutter wurde oft geschlagen. Wie soll ich da an Liebe glauben? Aber wenn es so sein soll, dann werde ich sie auch wieder erfahren. Das steht so geschrieben. Da bin ich mir ganz sicher.