Wandl »Wenn es ein guter Loop ist, kann man sich daran nicht satt hören.«

Die Beat-Szene in Österreich boomt – das hat sich mittlerweile auch bis jenseits der Alpen herumgesprochen. Neben den klassischen Beat-Nasen floriert in Wien eine äußerst vitale Kreativ-Szene, die eifrig an der Weiterentwicklung von instrumentaler HipHop-Musik frickelt. Einer ihrer Namen: Wandl.

Wandl

Der erst 20-jährige Produzent/Fast-Sänger Wandl lässt sich musikalisch irgendwo in der Post-R&B-Ecke verorten und ist doch fest im Rap verankert. Nach seiner starken Internet-EP »Soon«, erscheint »Far Way Home« (mit dem ersten Song »Steps«) nun über die Wiener Geschmacksinstanz Affine Records, wo auch Dorian Concept beheimatet ist. Don’t call it »Österreichs next Wunderkind« – obwohl so ziemlich alles dafür spricht.

  • Wo erreiche ich dich gerade? Du stammst ja aus St. Pölten, wohnst aber seit einem Jahr in Wien.  

  • Genau, da bin ich auch gerade. Hier habe ich angefangen, Kunstgeschichte zu studieren. Jetzt bin ich Mitbeleger an der Musik-Uni, aber noch nicht aufgenommen, weil ich die erste Prüfung nicht bestanden habe. Aber bald ist der zweite Versuch und wenn ich den schaffe, würde ich hier gerne Instrumental- und Gesangspädagogik studieren. 

  • Wann und mit welchem Set-Up hast du angefangen zu produzieren?

  • Ich war immer schon ein großer HipHop-Head und habe mir irgendwann mit 14 eine MPC gekauft. Zur gleichen Zeit bekam ich von einem Freund das Sequencer-Programm Reason, mit dem ich begann, HipHop-Beats zu machen. Meine Frustration – weil das zu Beginn alles so beschissen geklungen hat – hat mich angepeitscht und gereizt, gutklingende Musik zu produzieren. 

  • Wie klangen deine ersten Produktionen im Vergleich zu deiner gerade erschienenen EP?

  • Total flach und komplett gebitet. (lacht) Ich habe natürlich versucht, wie Pete Rock und J Dilla zu klingen. Parallel habe ich viel österreichischen Rap gehört und mich davon beeinflussen lassen: Texta natürlich, Markante Handlungen, Kayo oder Kamp, der meiner Meinung nach immer noch der beste Rapper Österreichs ist.

  • »Ich lasse meine Stimme im Verborgenen, weil ich mich nicht vordergründig als Sänger sehe.« Auf Twitter teilen
  • Die ersten Produktionen, die man von dir im Internet finden kann, sind instrumental. Hast du damals auch gerappt?

  • Ja, ich rappe eigentlich schon genau so lange wie ich produziere. Da schwirrt auch noch irgendwas im Netz rum. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber da gibt es auf jeden Fall noch ein paar alte Ausrutscher. Ich hab’ dann immer mehr experimentiert und 2009 auf meiner ersten EP, auf der ich noch unter dem wunderbar kreativen Namen ›Zweipunktnull‹ unterwegs war, erstmals gesungen. 

  • Auf »Far Way Home« war ich mir erst gar nicht sicher, ob das deine Stimme ist oder Samples sind. Du spielst da bewusst damit und setzt Vocals als sehr spärliches und zurückhaltendes Stilmittel ein. 

  • Ich lasse meine Stimme im Verborgenen, weil ich mich nicht vordergründig als Sänger sehe. In meiner Selbstwahrnehmung würde ich mich immer als Produzenten begreifen. Die Stimme benutze ich quasi im Sinne eines Synthesizers. Bei der EP habe ich mich jetzt schon viel mehr in die Vocals reingehängt, was die Lautstärke, Präsenz und auch die Texte angeht. Dadurch habe ich jetzt auch mehr den Reiz am Texten für mich entdeckt – auch wenn ich kein Philosoph bin, oder jemand, der besonders viel Message in seine Texte steckt. Ich versuche vielmehr ein Gefühl zu kanalisieren und eine Stimmung zu erzeugen.  

  • Mich hat die EP an Künstler wie How To Dress Well oder Black Atlass erinnert, die auch beide im HipHop sozialisiert sind und zeitgenössischen R&B machen. 

  • Klar, da gab es schon einen Bruch bei mir, nicht mehr nur klassische HipHop-Beats zu produzieren. Ich habe immer schon sehr viel verschiedene Musik gehört, auch in die elektronische Richtung. Unter anderem eine Weile sehr viel Minimal. Mich hat es aber nie gekickt, sowas produzieren zu wollen. Als die Beatmaker-Phase losging und Leute wie Flying Lotus und Dorian Concept hochkamen, hat mich dann diese Zwischenwelt fasziniert. Ich hatte das Gefühl, die können alles machen und es fühlt sich trotzdem nach HipHop an. Das sehe ich bei meinen Produktionen auch so – für mich fühlt es sich immer noch nach HipHop an. Vielleicht ist das eine Einstellung, eine Gefühlslage, mit der man ans Musikmachen rangeht. 

  • Jan Delay hat mal gesagt, er sehe einen Song immer durch die Logic-Matrix. Ich glaube, das bezog er darauf, dass er immer in diesem HipHop-Denkmuster verhaftet bleibt, egal welche Musik er macht. Inwiefern drückt sich dein HipHop-Background in deiner Produktionsweise aus?

  • Das kann ich gar nicht definieren, das ist einfach ein Gefühl. Bei einem Track wie »Pressure« würde niemand mit gesundem Musikverständnis von HipHop sprechen, verständlicherweise. Aber die Herangehensweise und das Gefühl, mit dem ich Musik mache, ist für mich immer tief im HipHop verankert.

  • »Flying Lotus und Dorian Concept: Die können alles machen und es fühlt sich trotzdem nach HipHop an.« Auf Twitter teilen
  • Arbeitest du dann überhaupt noch mit Samples oder ist auf »Far Way Home« mehr eingespielt? 

  • Auf »World« ist ein gechopptes Gesangsample, sonst ist fast alles eingespielt. Ich arbeite aber auch noch viel mit Samples und produziere HipHop-Beats, z.B. für Phatman, ein verstrahlter Wiener Dude, der runtergepitcht rappt. (lacht) Anfang nächsten Jahres soll auch eine Remix-EP von mir rauskommen. Weil sich einfach so viel angesammelt hat: von Danny Brown, DOOM, Eazy E, Kendrick Lamar und natürlich von meinem Homeboy Crack Ignaz. Darauf arbeite ich eigentlich strikt sample-basiert. 

  • Dein Remix für Gucci Manes »I’m The Shit« hat auf Soundcloud ordentlich Welle gemacht. Wie wichtig sind Edits und Remix-Arbeiten als Promo-Tool für dich als Produzent?  

  • Ich sehe das nicht als Chance, um von mehr Leuten gehört zu werden. Eher umgekehrt: Wenn ich auf Soundcloud nach Joey Bada$$ suche, bin ich eher genervt, wenn da tausend Remixe von unbekannten Produzenten auftauchen. Offizielle Remixe, also Auftragsarbeiten, habe ich bisher erst zweimal gemacht: »Herbert Prohaska« von Crack Ignaz und »Wolfes« für Léyya, eine österreichische Indie-Band. Klar kann man damit auch deren Fanbase erreichen, aber so richtig Sinn macht das wohl erst, wenn man Leute wie Banks remixen darf. Um Auftragsarbeiten reiße ich mich aber nicht – so funktioniert das ja auch nicht. Bei Léyya fand ich die Idee super, weil ich wusste, dass man aus dem Song noch was Neues, Besonderes herausholen kann. Jetzt erscheint der Remix sogar auf Vinyl, was mich mega freut. 

  • Auf YouTube existiert das expressionistische »Tape One«-Projekt von dir, das zu großen Teilen aus Störgeräuschen besteht und mit Weltkriegsbildern unterlegt ist. Was war da eigentlich los?

  • Ich hab’ in der Phase viele Dokus über den zweiten Weltkrieg geschaut. Irgendwie kam mir dann der Gedanke, ein neues Album oder eher Tape an einem Stück zu machen. Innerhalb von zwei Stunden entstand dann »Tape One«, völlig irrational. (lacht) Ich nehme mir öfters solche Limitierungen vor, einfach als Challenge – zum Beispiel in einer Stunde fünf Tracks zu machen. Das würde dann aber nicht unter dem Namen Wandl erscheinen. Ich finde die Unmittelbarkeit von den Sachen, die unter künstlich hergestelltem Druck entstehen, spannend. Was die Weltkriegsthematik angeht, habe ich mir schon bei jedem Track was gedacht. Es ist aber keine ernsthafte Aufarbeitung des Themas. Mit politischen Statements will ich mich eher zurückhalten, da fehlt mir einfach der Impact und das Wissen.        

  • Prefuse 73 hat dich letztens in einem Tweet erwähnt, was von dir wiederum gepostet wurde. Ein Co-Sign von großer Bedeutung für dich?

  • Nein, nein, nein. (lacht) Er hat einen Post retweetet, indem ich erwähnt wurde. Nichts weiter. Das war dann so ein Facebook-Gag von mir. Klar bin ich riesiger Fan von ihm. Das war wohl zeitgleich zu FlyLo, oder sogar früher, als dieser Einfluss dazukam. 

  • »Wien ist einfach zu klein, da muss man sich über den Weg laufen.« Auf Twitter teilen
  • Die Szene in Österreich ist mittlerweile stark ausdifferenziert: Von Weirdo-Rap der Hanuschplatzflow-Gang über Ernst Palicek und die Up-My-Alley-Crew bis hin zur starken Beatmaker-Clique um Brenk & Fid Mella. Man hat das Gefühl, dass ihr sehr gut vernetzt seid.

  • Das hat bestimmt mit der Größe des Landes zu tun. Seit ich in Wien wohne, lerne ich jeden Monat einen interessanten, spannenden Musiker oder Label-Typen kennen. Man ist einfach schnell in der Szene drin, die auch überschaubar ist. Die Stadt ist einfach zu klein, da muss man sich über den Weg laufen. Letztens hab’ ich auch Brenk kennengelernt, der meinen Gucci-Mane-Remix sehr gefeiert hat. Gestern sind S O H N und Dorian Concept zusammen aufgetreten – und bei solchen Events weiß man schon, welche Leute man dort treffen wird.

  • Du singst auf Englisch. Deine Musik könnte also durchaus auf dem internationalen Markt funktionieren. 

  • Wir forcieren das nicht gezielt, aber klar schauen wir, auf internationalen Blogs stattzufinden und in ganz Europa Gigs spielen zu können. Was mich ur gefreut hat: S O H N, der ja auch in Wien ansässig ist, hat gerade in einem Set für »BBC 1« meinen Track »World« von der neuen EP gespielt.  

  • Du verknüpfst das Akustische stark mit dem Visuellen. Wie wichtig ist dir die optische Komponente deiner Kunst?

  • Sehr wichtig, wenn nicht sogar essentiell, weil ich eigentlich als Zeichner angefangen habe. Ich habe immer viel gemalt und das war noch vor der Musik meine erste Leidenschaft. Ich habe immer eine visuelle Vorstellung, wenn ich Musik mache. Jetzt macht mein Kumpel Clemens Haas die ganze optische Umsetzung. Von Artworks über Fotos bis hin zu den Visuals bei meinen Live-Shows. 

  • Die Klangästhetik auf »Far Way Home« ist sehr minimalistisch und verhallt. »Home« besteht zum Beispiel aus nur einem Akkord. Verfährst du nach dem Prinzip ›Weniger ist mehr‹? 

  • Ja, »Home« besteht wirklich nur aus zwei Spuren. Bis auf diese Nummer sind aber alle anderen Dateien eher groß. Es sind immer Kleinigkeiten, auf die man sich nicht fixiert, die man nach dem zehnten Mal Hören dann erst entdeckt. Das ist auch der Ansatz, den ich bei Dorian Concept total bewundere: Das extrem Detaillierte im Hintergrund, das man bewusst kaum wahrnehmen kann. Auf seinem neuen Album »Joined Ends« hat er das aufs nächste Level gebracht. Aber eigentlich empfinde ich meine Musik nicht als minimalistisch – das ist eher der Loop-Gedanke, der in meinen HipHop-Einflüssen wurzelt. Samiyam hat das mal passend formuliert: bei Tracks die ihm gefallen, gab es immer eine Stelle, nicht länger als vier bis sieben Sekunden, die er stundenlang hören wollte. Damit kann ich mich total identifizieren. Wenn es ein guter Loop ist, kann man sich daran nicht satt hören.