Haiyti Tulpen, Blumen, Päckchen, Kugeln

Mit »Montenegro Zero« ist das Haiyti-Debütalbum jetzt da. Aber Haiyti ist natürlich noch lange nicht fertig. ALL GOOD-Autor Wenzel Burmeier durfte der Hamburgerin ein paar Fragen stellen.

Haiyti

Release-Wahnsinn hin, Major-Debüt her – mit »Montenegro Zero« ist schon jetzt eines der wichtigsten Alben des jungen Rap-Jahres erschienen. Auf zwölf KitschKrieg-Produktionen findet sich die Hamburgerin zwischen NDW und 808 wieder und definiert die Eingängigkeit im deutschen Rap neu. Überbordend wie eh und je schießt einem das Adria-Girl dabei wahnwitzige Assoziationsketten aus Pusher-Lingo und emotionalen Bekenntnissen um die Ohren. Wir haben den Revolver gewendet und Haiyti mit elf Bulletpoints ihrer Karriere konfrontiert – eine Spurensuche zwischen Fertignudeln mit Sahnepulver und norddeutschen Dirty-South-Konferenzen.

Interview von: Wenzel Burmeier

  • Hummelsbütteler Markt 

  • Ich durfte nach der Schule nicht nach Hause, wie die anderen, weil meine Mutter gearbeitet hat. Ich musste deshalb in die Kindertagesstätte. Aber manchmal durfte ich zu meiner Freundin Aydin, die hat am Hummelsbütteler Markt gewohnt. Und das war das Beste. Dann haben wir bei ihr Fertignudeln mit Sahnepulver gemacht – das Leckerste überhaupt. Bei mir zu Hause gab es nämlich keine Fertigprodukte, nur vegetarische Ossi-Hausmannskost.

  • Du bist in Langenhorn aufgewachsen, richtig?

  • Ja. Meine Schule war aber in Rummelsbüttel. In Hamburg gab es im Bus so große, runde Sticker mit einem Landhaus drauf. Kennst du die? In diesem Haus, was darauf abgebildet war, hat ein Freund von mir gewohnt. Den muss ich mal ausfindig machen. Ich will nämlich langsam die Leute von früher wiedersehen. Mittlerweile habe ich da genügend Abstand zu. Wo bist du denn zur Schule gegangen?

  • In Altona.

  • Achso, die Ecke. Ja, das kam ja erst später in meinem Leben, dass ich nichts mehr mit meiner Gegend anfangen konnte. Ich kam Montags total aufgekratzt in die Schule, weil ich am Wochenende in Altona und in der Flora und so war. In Langenhorn ging halt gar nichts, außer Kiffen.   

  • »Am liebsten wohne ich nur zwischen kompletten Vollassis, weil die normal sind.«Auf Twitter teilen
  • Steindamm

  • Da wohne ich gerade, aber ich habe keinen Mietvertrag und bin nur noch bis Ende Februar in der Wohnung. Ehrlich gesagt, würde ich dort gerne wohnen bleiben. Das ist das beste Viertel. Wobei, am liebsten wäre mir die Neustadt, da sind die Leute cool – richtige Hamburger, aber nicht so eingebildete. Wer in Neustadt wohnt, wohnt da auch schon lange. Ich meine, wer will denn aus der Neustadt wegziehen? Das ist ruhig, aber direkt neben dem ganzen Gedöns. Und du hast eine gute Mischung an Leuten: nicht nur Reiche und nicht nur Assis. Am liebsten wohne ich nur zwischen kompletten Vollassis, weil die normal sind. Der Steindamm war ja früher auch noch fertiger, aber heute ist das beliebt bei Studenten und Hipstern. Leider muss ich jetzt nach Altona ziehen, das ist für mich die Hölle. Ich mag das Viertel nicht mehr. Warum, kann man sich vorstellen: Fatih Akin hasst Ottensen (ein Viertel im Stadtteil Altona; Anm. d. Verf.) mittlerweile auch. Da hat es sich genau so entwickelt wie im P-Berg und überall…

  • SMA

  • Mit 15 war ich im Planet Subotnik (ehemaliger Club in Altona; Anm. d. Verf.) beim Auftritt von SMA. Ich habe auch noch eine CD von denen. Die Lieder kenne ich in und auswendig. Und mit JayHuttz (Rapper und Produzent der Gruppe; Anm. d. Verf.) war ich neulich auch feiern. Am Ende waren wir auf dem Hamburger Berg und haben einen Text zusammen geschrieben: »Drei Tage im Club, doch es ballert nicht mehr / Klau ein Auto, klau den Schnaps, doch es ballert nicht mehr / Du hast den Tisch voller Tash, doch ich baller nicht mehr«. Aber Joel (Joey Bargeld, damals Teil von SMA; Anm. d. Verf.) hatte ich damals gar nicht auf dem Zettel, den habe ich erst später kennengelernt. 

  • Beim Feiern? 

  • Genau. Ich habe irgendwann Miles kennengelernt, der SMA auch produziert hat. Der Typ ist Altona, Altona, Altona. Und der war damals auch mit den Loveravers (Elektro-Gruppe aus Hamburg; Anm. d. Verf.) unterwegs. Wir waren zusammen im Hafenklang Exil auf der Großen Bergstraße feiern, da habe ich Joel kennengelernt. Nach dem einen Abend ist der Kontakt aber erstmal abgebrochen, weil wir wenig Überschneidungen hatten. Ich habe Joel damals auch nicht als Rapper wahrgenommen. Und mit Miles hatte ich dann auch erstmal nichts zu tun, weil der über meinem Kopf eine Kugel in die Wand geballert hat. Da dachte ich, ich gehe mal lieber. Der Typ lebt noch, aber ihm geht’s wohl nicht so gut. Ich traue mich gar nicht, den zu sehen, schließlich gehört der zu den geilsten Typen überhaupt in Hamburg.

  • Hast du damals schon Musik gemacht?

  • Ja, ich habe Texte vor mir hin geschrieben. Der Wille war da, aber ich war weit weg davon, ein Mikro in die Hand zu nehmen. Ich wollte den Jungs wahrscheinlich die ganze Zeit sagen, dass ich auch rappe, aber hab’s dann nicht gemacht. Bei Battles wollte ich eigentlich immer auf die Bühne. Wir haben damals auch ständig gefreestylet, im Park und überall. Aber ich traute mich nicht, das auf der Bühne zu zeigen. Angefangen habe ich ja eigentlich mit Graffiti, in der Schanze, mit BASF, DSF und so. Dann bin ich bei Leuten in Homestudios gelandet und habe angefangen, aufzunehmen. Zu meiner Hochphase habe ich jeden Tag einen Track recordet und ein Bild gemalt. Ich habe eigentlich alle Elemente durch. Aber ohne so eine HipHop-Tuse zu sein. Ich war keine Fame Bitch, ich habe einfach meinen Memphis Shit gemacht. Und bei Rap bin ich geblieben, weil ich gemerkt habe, dass ich mich damit am besten ausdrücken kann – nicht, weil ich darin am besten war.  

  • Project Pat

  • »Chickenhead« war früher mein Lieblingslied. Von 2007 bis 2010 haben wir echt nur Project Pat und La Chat gehört. Wir waren so eine winzige Dirty-South-Szene in Deutschland; 50 Leute in Bielefeld, Hamburg, Berlin und Osnabrück. Und Project Pat war unser König. Angefangen hat das mit Horrorcore, aber irgendwann haben wir nur noch so 808-Musik gemacht.  

  • »Für solche Leute wie uns ist Erfolg im Grunde der Tod.«Auf Twitter teilen
  • Amy Winehouse

  • Mit der wurde ich schon mal verglichen. Die wollte, glaube ich, auch nur Musik machen und mit dem Rest von der Welt nichts zu tun haben. Für solche Leute wie uns ist Erfolg im Grunde der Tod. Stell dir vor, du hattest nie das Ziel, berühmt zu werden, sondern wolltest einfach nur Musiker sein. Auf einmal gibt es aber diese vielen Möglichkeiten: die Millionen, die Fans und Leute, die mit dir Songs machen wollen. Auf einmal kommen alle Medien gleichzeitig auf dich zu und du hast eine ganz neue Verantwortung; du sollst bestimmte Dinge tun. Und Produzenten wollen auch immer ans Äußerste mit dir gehen: immer noch mehr Psycho und Leid, noch härter und härter. Aber dann wollen sie auch, dass du pünktlich zum Termin erscheinst – das geht doch irgendwie nicht zusammen. Wenn man so einen extremen Charakter hat wie ich, ist das schwer zu handeln.

  • Annette Humpe

  • Annette hat mal in Hamburg gewohnt und war mit meiner Mutter befreundet. Als ich ein Kind war, waren wir bei denen im Haus und ich habe ihren Sohn kennengelernt. Den habe ich zehn Jahre später wiedergetroffen und er war wie ein Bruder, ganz komisch. Von Annette habe ich aber lange nichts mehr gehört, die hat sich auf Gran Canaria abgesetzt. 

  • Kennt sie deine Musik?

  • Ja, ich glaube schon. Ich weiß aber nicht, was sie dazu sagt. Komisch, ich bin mit Promis aufgewachsen – jetzt bin ich selbst einer. (lacht)

  • Instagram

  • Ich bin kein typisches Instagram-Girl. Ich gebe mir Mühe, jeden Tag ein Bild zu posten, aber wenn ich gut wäre, würde ich jetzt die ganze Zeit so Videos machen: »Berlin, Kreuzberg – ihr wisst, wo ich bin.« Aber das kann ich nicht ertragen. Dabei finde ich Instagram bisher das coolste von allen Formaten. Mit Tumblr bin ich damals nicht klargekommen. Da war ich aber auch noch nicht so Internet-süchtig. Lag vielleicht daran, dass ich noch kein gutes Smartphone hatte. 

  • »Die Zeit«

  • Daniel Haas (Redakteur der Zeit; Anm. d. Verf.) ist einer, der mich immer unterstützt. Schöne Grüße an den! 

  • Liest du Artikel, die über dich geschrieben werden?

  • Ich lese die Überschrift. Und wenn mir die nicht passt, wird das auch ganz schnell wieder zugeklappt. Wenn’s mir gefällt, lese ich vielleicht die ersten paar Zeilen. 

  • »Ich finde gar nichts mehr komisch.«Auf Twitter teilen
  • Ist es komisch, Texte über sich zu lesen?

  • Nee, ich finde gar nichts mehr komisch. Aber vielleicht bin ich da auch schon zu abgebrüht. Ich habe mich heute in der DB-Zeitschrift entdeckt… Wieso bin ich denn da drin? Wieso weiß ich davon nichts? Und dann stören mich so Dinge, über die ich gar nicht reden kann. Wenn ich das Outfit schon sehe, dann denke ich mir: Warum hatte ich denn diesen Mantel an? Und dann klappe ich das ganz schnell wieder zu. 

  • Young M.A.

  • Das ist nach 50 Cent mal wieder ein richtig großer Rapper, beziehungsweise eine Rapperin. Die hat wirklich Charakter und was zu sagen – Tiefgang und Freshness. Die hat eine ganz besondere Stimme, und sie ist ein ganz besonderer Mensch. Die Videos bleiben mir auch so hängen. Die guckt dir direkt ins Gesicht, total intensiv. In Amerika ist das für mich gerade die Größte. 

  • Thunderdome

  • (Guckt die Tulpen auf dem Tisch an) Wow, wusstest du, dass ich gerade über diese Blumen nachgedacht habe? Also Thunderdome, das ist 2Malle. Mit dem habe ich ja auch ein Mixtape gemacht, »Drop In Music« – ging leider total unter. Malle ist zu verrückt für die Leute. Aber der bringt mich gerade auf das »Tulpenmoney«-Mixtape von Euroslimes, einer Crew aus Bremen, das musst du unbedingt auschecken. Und daran ist wiederum mein Song »Sideback« angelehnt (Song auf dem Bonus-Mixtape der »Montenegro Zero«-Box; Anm. d. Verf.]. Ich rappe da: »Alles kommt in meine Sideback: Die Tulpen, die Blumen, die Päckchen, die Kugeln«. Die Tulpen sind Ecstasy, die Blumen gefälschtes Geld, die Päckchen Speed und die Kugeln Kokain.

  • Passion

  • Das war mein Wort für 2017. Ich wusste anfangs gar nicht, was das heißt. Passion, Passion… Ah, Leidenschaft! Das fand ich so passend und cool, also habe ich das irgendwie in allen Tracks gesagt. Das Wort wird gerade sehr oft benutzt. Ich bekomme auf einmal mit, dass Leute das sagen. Vielleicht habe ich das in Deutschland neu integriert. Aber für ein T-Shirt wäre es mir auch schon wieder zu spät.

  • Deine Adlib für 2018?

  • Hm, die habe ich noch gar nicht. Ich glaube, es wird »special«