Peter Sreckovic & STF Put Da Needle To Da Records – ein Label und seine Geschichte — Teil 2/2

Klassiker-Alben von RAG und Creutzfeldt & Jakob, ein sehr guter Riecher bei Curse und Kool Savas und auch Business-technisch hat das legendäre Label Put Da Needle To Da Records vieles – wenn auch nicht alles – richtig gemacht. Knapp 20 Jahre nach der Gründung ist es allemal Zeit für einen umfassenden Rückblick: Ein Label und seine Geschichte, Teil 2.

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Da das Gespräch, das Julian Brimmers mit Peter Sreckovic aka Fast Forward und seinen STF-Kollegen Tuareg und Scope führte, nicht nur spannend, sondern auch sehr ausführlich war, haben wir das Interview gesplittet. Hier geht’s zum ersten Teil, in dem es unter anderem um die Anfänge des legendären Labels, um untergegangene Katalognummern und um Erfolge mit Doppelplatin-Status geht.

Hier folgt nun die zweite Hälfte des Interviews, die den folgenschweren Schulterschluss mit Def Jam Germany, den Bruch mit Kool Savas sowie dem Klan und den Untergang der Deutschrap-Institution PDNTDR beleuchtet.

  • Lasst uns zurück gehen zu der Zeit, als es mit den großen Vorschüssen anfing und zu dem darauf folgenden Absturz des Marktes. »Unter Tage« war ein großer Erfolg für Put Da Needle, das zweite RAG-Album kam dann schon beim Major und ihr hattet die Vinyl-Rechte – stimmt das so?

  • Fast Forward: Genau, das hat man damals so gemacht. Es war komisch – obwohl der Wandel sich andeutete, haben die Majors das alles eher ausgesessen, statt zu reagieren. Wir haben uns ans Vinyl geklammert. Mit RAG lief aber alles einvernehmlich. Es ging vor allem darum, dass die Platten auch in die kleinen Shops um die Ecke kommen sollten, die die Majors sonst gar nicht beliefern. Das entsprach auch der Ruhrpott-Malocher-Mentalität der Jungs.

  • Stimmt, bei uns im Dorfplattenladen standen neben Dr. Dre und Rawkus immer die absurdesten Home-Recordings-Platten, von Mopz & Melmark bis Dreigestirn. Kurioserweise hat dein Unterlabel am Ende ein paar der bekanntesten Put-Da-Needle-VÖs beherbergt. 

  • Fast Forward: Findest du echt?

  • Zumindest die Westberlin-Maskulin-Alben und Taktlo$$‘ »BRP 7«.   

  • Fast Forward: Ja gut, im Nachhinein stimmt das. Taktlo$$ war immer unterhaltsam. 

  • Tuareg: Netter Kerl! 

  • Fast Forward: Auf jeden Fall. In manchen Belangen ein bisschen schräg, aber das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere und unser Label. Staiger hatte WBM zuvor nur auf Tape rausgebracht. Über Savas kam ich in Kontakt mit dem Berliner Untergrund. Bei Savas’ Demo war es genauso wie bei allen anderen Sachen von dort: Die Soundqualität war unglaublich schlecht, aber von den Songs her war es unglaublich gut. Bei WBM gab es nur eine 8-Spur-Aufnahme, die sich nach Home Recording angehört hatte. Da war wirklich mein Gedanke: Ich nenne das Label dafür anders, dann können wir sowas auch rausbringen. Savas hatte auch noch eine EP, die er im Endeffekt selbst lanciert hat. Die hätte ich gerne im Anschluss an die »LMS / Schwule Rapper«-Maxi veröffentlicht.  

  • »Haus & Boot« kam ja auch noch bei dir. 

  • Fast Forward: Ja, aber das war eine spezielle Produktion. Da hat sich schon angedeutet, dass er sich etwas von seinem alten Zeug abwendet. So krass wie er beim Bunker oder auf der »LMS / Schwule Rapper«-Maxi war, war er da schon nicht mehr. Jetzt aber auch nicht Mainstream oder so, der ist ja immer noch ein rougher Typ … 

  • Willst du mal skizzieren, wie dieser Bruch mit Savas aus deiner Sicht abgelaufen ist? 

  • Fast Forward: Absehbar war es für mich zu dem Zeitpunkt nicht – im Nachhinein ist man immer klüger. Soweit ich das rekonstruieren kann, sind verschiedene Faktoren zusammen gekommen. Er war damals durchaus bei anderen Majorlabels im Gespräch, viele waren interessiert und er hat sich umgehört. Das konnte natürlich nicht in unserem Interesse sein, da sein erstes Album fester Bestandteil unseres Deals mit Def Jam war. Ich muss aber fairerweise dazu sagen, dass wir uns ein paar mal am Telefon darüber unterhalten haben, dass ihm so ein Eminem-und-Dr.-Dre, bzw. Shady/Aftermath-Modell vorschwebte. Ich glaube, er wollte ein Sublabel bei PDNTDR machen, was für mich damals zu groß gedacht war. Vielleicht habe ich da auch etwas falsch verstanden. 

    Vieles ist dann extrem schnell gegangen. Bevor wir mit dem Major kooperiert hatten, lief alles per Handschlag. Auf einmal aber gab es vertragliche Verpflichtungen mit einem Konzern. Das hat ein Anwalt für uns ausgehandelt, der dementsprechend passende Bandübernahme-/Künstlerverträge für uns ausarbeiten sollte. Das hat sich sehr hingezogen, bis alle Punkte zu unserer Zufriedenheit und der unserer Künstler waren. Die Materie ist sehr komplex. Um für den Def-Jam-Deal wenigstens etwas in der Hand zu haben, habe ich mich hingesetzt und selber mit allen Künstlern auf zwei Seiten einen Vorvertrag – »Headz of Agreement« [sic] – ausgearbeitet, der für Künstler und Label funktionierte. Dieser sollte dann gemäß dem 20-Seiten-Vertrag des Majors so schnell wie möglich durch einen umfangreichen, detaillierten Lizenzvertrag ersetzt werden. Da muss man ganz ehrlich sein: Je mehr Geld im Spiel war, umso größer wurden die Interessen der Künstler, der Studios, der Videoproduzenten und so weiter. Jeder will seinen Teil abhaben. Die Vertragslage war also wischiwaschi – das war ein weiterer Aspekt. 

    Außerdem hatte Savas zu dem Zeitpunkt diesen dubiosen Manager, Julian Smith, kennengelernt. Kann sein, dass der nur Englisch kann, vielleicht hat er am Telefon aber auch immer nur so getan. Jedenfalls führte der fortan die Verhandlungen auf Englisch. Wenn man mit jemandem nicht in seiner Muttersprache dealen kann, ist man immer erst mal in der schwachen Position. Irgendwann ist der Typ dann mit der Kohle von mehreren Leuten abgedampft. 

  • Das thematisiert Savas dann doch selber auf dem MC-Rene-Diss, oder nicht? 

  • Fast Forward: Ja? Na gut, das habe ich mir ehrlicherweise noch nie angehört. (lacht) Also, zu Vertragslage und neuem Manager kam dann interessanterweise das Thema »BRP 7«. Für mich war das simpel – die beiden haben Westberlin Maskulin zusammen gemacht und neben Savas gibt es auch Taktlo$$, den könnten wir ja auch rausbringen. Da hieß es dann in etwa: »Wenn du das rausbringst, bring ich nix mehr bei euch raus!« Einfach so, ohne Erklärung. Ich habe keine Ahnung, was da vorgefallen ist, da hat nie jemand drüber gesprochen. Dieses ganze Paket hat letzten Endes dazu geführt, dass ich nach Berlin zu Def Jam Germany gebeten wurde. Das Def-Jam-Büro mit dem damaligen Chef Bär Läsker war bei Savas in Berlin quasi um die Ecke und die hatten wohl was verhandelt. Dort wurden meine Frau und ich einbestellt und dann wurde uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Es ging letztlich wohl darum, Savas im Universal-Konzern zu halten.

  • Auch, weil klar war, dass es mit Def Jam Germany nicht mehr weitergehen würde?

  • Fast Forward: Vielleicht wussten die das intern schon, aber ich kann ja nur über das reden, was ich weiß. Zuerst hieß es, wir hätten irgendein Vertragsangebot bekommen, was wir nie gekriegt hatten. Außerdem müsste die Einigung an Ort und Stelle passieren, sonst ginge morgen die »Fuck Peter«-Kampagne los. Und da halte ich es wie die Amis: Mit Erpressern wird nicht verhandelt! Legt los. Ich kann es nicht ändern, aber ich knicke auch nicht ein – das war mein Standpunkt. Wenn man sich nicht ganz normal einigen kann, muss es in der Schlammschlacht enden. Ich habe mich bedeckt gehalten und er hat diese Kampagne dann abgefeiert. Für mich ist das auch alles vergessen und begraben. Jedenfalls habe ich von der ganzen Sache zum ersten mal bei Def Jam Germany gehört. 

  • »Es ist nicht zulässig, da jetzt 15 Jahre später zu jammern.«Auf Twitter teilen
  • Def Jam Germany wurde ja eh zu einer der großen Absurditäten der deutschen Rapgeschichte. Erklär‘ doch grad noch mal, wie es überhaupt zu der Zusammenarbeit von PDNTDR und Def Jam Germany kam.

  • Fast Forward: Mit deren Repertoire hatten wir nichts zu tun. Für die hat es sich sicher auch nicht so entwickelt, wie die sich das vorgestellt hatten. Def Jam ist ja schon eine Marke … 

  • Tuareg: Innerhalb der Put-Da-Needle-Künstler wurde der Schritt aber basisdemokratisch verhandelt. Da wurde doch abgestimmt, oder nicht? 

  • Fast Forward: Ja ja. Ich habe mich mit kaum einer Entscheidung jemals so schwer getan wie damit. Ich kann auch jedem nur raten, immer auf sein Gefühl zu hören. Ich war nie zu 100 Prozent überzeugt von dem Schritt, aber irgendetwas musste passieren. Es war in dem Sinne jetzt kein reiner Vertriebsdeal, das hätte man auch zum Beispiel mit Groove Attack machen können. Das wäre vielleicht cleverer gewesen, einfach um die Produktionskosten abzuwälzen. Aber es ist nicht zulässig, da jetzt 15 Jahre später zu jammern. Vielleicht wäre es auch cleverer gewesen, eine feste Summe anzunehmen und einfach etwas anderes zu machen. Aber das spricht gegen das, was ich eben meinte – wir dachten uns wirklich, das macht Spaß, das mach’ ich bis an mein Lebensende. So bescheuert ist man manchmal. Unterm Strich ist es natürlich nur ein Business. Naturgemäß kannst du jedes andere Label, jeden Club nehmen: Wenn man clever ist, dann weiß man, das hat eine Laufzeit von fünf bis zehn Jahren. 

  • Scope: Film-Studios genauso. 

  • Fast Forward: Wenn man ein Fuchs ist, dann nennt man das um, man renoviert mal, streicht die Wände und spielt andere Musik. Dann läuft das Ding weiter und es kommen neue Leute rein.  

  • Gab es Gegenangebote von anderen Firmen als Def Jam?

  • Fast Forward: Nach ersten erfolgsversprechenden Maxis wie La Familia, Creutzfeldt & Jakobs  »Partner«, Kool Savas‘ »LMS« und durch unsere Kontakte aus dem Deal für die zweite RAG-LP kamen recht viele Majors mit Angeboten auf PDNTDR zu, ja. Wir haben versucht, auch im Sinne der Künstler das Bestmögliche an Budgets, Vorschüssen, Marketing- und Vertriebskompetenz rauszuholen. Def Jam war natürlich auch interessant, weil der Name für eines der prägendsten Rap-Labels überhaupt steht. Rein finanziell ändert sich einiges grundlegend: Hatte man früher auf Erfahrungsbasis LPs und CDs vorproduziert und über Vertriebe abverkauft, hatte man dadurch natürlich auch die Kosten für Pressung, mechanische Lizenzen, gegebenfalls Booklets, Cover-Sonderdruck und so, aber auch monatliche Einnahmen, die im Idealfall natürlich deutlich über den Ausgaben lagen. Jede Katalognummer wurde mit jedem Künstler separat abgerechnet und mit dem Label-Anteil konnten wir weitere Projekte anschieben. Man hat deshalb auch immer besonders drauf geachtet, unnötige Kosten zu vermeiden, wie zum Beispiel beim Abmischen des RAG »Unter Tage«-Albums. Das haben wir mit unserem eigenen Equipment ganz respektabel hinbekommen. 

    Beim Major fließt die Kohle dann eher in größeren Blöcken von Vorschüssen, zusätzlichen – gegen Rechnungsvorlage abrufbaren – Videobudgets und Marketingbudgets sowie Sekretariatskosten fürs Label. Das Creutzfeldt-&-Jakob-Album war im Prinzip fertig und das Klan-Album auch. Der Klan wurde aber auch gleich bei Busy recorded und gemischt, was den Jungs wichtig war, aber natürlich direkt ins Geld geht. Das war aber abgesprochen und durch die Vorschüsse abgedeckt. Sowohl Der Klan als auch Creutzfeld & Jakob haben für ihre LPs bei PDNTDR durch den Def-Jam-Deal hohe Summen erhalten. Beim Klan kam aufgrund der Verkaufszahlen nichts mehr dazu, bei Creutzfeld & Jakob wurde aber ordnungsgemäß abgerechnet. Wie bereits erwähnt war der Hauptgrund für den Major-Deal natürlich, weiter zu wachsen, mehr Künstler aufzubauen und mehr auf dem gewohnten Qualitätsniveau rausbringen zu können. Und natürlich auch dieses »Bei einem Flop ist man weg vom Fenster«-Risiko abzufangen. Seltsamerweise zog sich aber alles auf einmal sehr hin, das geplante Savas-Album kam und kam nicht. Wer ein wenig rechnen kann, weiß: Eine Maschine, die sowohl mannschafts- als auch büromäßig auf Output und hohe Stückzahlen ausgelegt ist, verursacht auch im Stand-By-Betrieb hohe Kosten. Aber man stellt ja niemanden auf Tagelöhner-Basis ein und auch eine große Gewerbefläche überlässt einem der Vermieter nicht wie ein Stundenhotel.

  • Gab es zusätzliche Finanzierungskanäle?

  • Fast Forward: Der Mailorder lief auf Hochtouren und hat anfangs trotz der günstigen Preise Geld abgeworfen und – noch vor Def Jam – das Label mitfinanziert. Aber nach der Euro-Umstellung zogen die Preise unverhältnismäßig an, die illegalen Downloads wurden zunehmend ein Problem, die Kaufkraft im Land war Anfang der 2000er nicht mehr so gut. 

    Man hat also gerade den Major-Deal eingetütet, wartet auf die erfolgversprechende erste LP von Savas, gleichzeitig sind die monatlichen Einnahmen des Labels mit dem Majordeal quasi entfallen und die ganze Branche befindet sich mehr oder weniger im Abschwung. Das kann man auf Dauer nicht mit ein paar Vinylverkäufen und Home-Recordings-Releases abfedern. Davon können wahrscheinlich auch einige andere Labels aus dieser Zeit, die verschwunden sind, ein Lied singen. Auch die zweite Creutzfeldt-&-Jakob-LP, die anfangs als Ersatz für das verlorene Savas-Album geplant war, und auch das »Fight Club«-Album von Lenny kamen dann insgesamt so spät, dass da nichts mehr zu retten war. Vier Alben waren zentraler Bestandteil des Vertrags mit Def Jam / Universal und erst nach der vollständigen Ablieferung wäre wieder neues Geld geflossen. Als wir den Deal damals abgeschlossen haben, gingen wir davon aus: In maximal einem halben Jahr sind die vier Alben raus und weiter geht es. Aber dann kam alles ganz anders.

  • Aber von der Musik, die bei Put Da Needle rauskam, hatte man nicht das Gefühl, dass andere, größere Labels diese Sachen besser an den Mann hätten bringen können. Bei RAG und Creutzfeldt & Jakob hat sich das mit dem jeweils zweiten Album ja gezeigt.

  • Fast Forward: Außer bei Savas. Da hatte sich dieser musikalische Wechsel ja auf »Haus & Boot« schon abgezeichnet. 

  • Scope: Der hatte da kein Problem mit, glaube ich. Ganz im Gegenteil.  

  • Fast Forward: Das war sein persönlicher Antrieb, das war jetzt keine Vorschrift von dem Major oder so etwas. Der wollte auf einem anderen Level zeigen, was er kann. 

  • Diese »Fuck Peter«-Kampagne kam dann also nach dem Der-Klan-Album, oder? Germany vom Klan war ja sogar noch auf dem Track dabei …

  • Tuareg: … was auch keiner verstehen konnte.  

  • Fast Forward: Joah, keine Ahnung, woran das jetzt gelegen hat. Den Klan gab es zu dem Zeitpunkt, als das Album rausgekommen ist, auch gar nicht mehr. Bevor das Album in den Läden stand, ging es hin und her, ob die Band überhaupt noch existierte. Nichts, womit man arbeiten konnte …

  • Scope: Das Problem war, dass die die eigentliche Innovationskraft innerhalb der Gruppe rausgekickt haben. Reno und Germany sind halt okaye Rapper. Die können ihr Handwerk, aber so ein Out-of-the-Box-Denken hatten die nicht. Das wiederum hatte aber Lord Scan drauf, der war ein komplett … 

  • Tuareg: … Durchgeknallter. Ein richtiger Freigeist.  

  • War die Grundstimmung dann auch ein Grund für Creutzfeldt & Jakob zu sagen: »Wir wechseln zum Major«? 

  • Tuareg: Ich kann mir schon vorstellen, dass das einen Einfluss hatte.

  • Fast Forward: Im Nachhinein war das ein Wendepunkt. Creutzfeldt & Jakob waren neben Savas unsere wichtigsten Künstler. RAG war von Anfang an ausgeklammert, weil wir da einen eigenen Deal mit Motor gemacht haben. Als Creutzfeldt & Jakob zum Major wollten, hat sich im Nachhinein wahrscheinlich schon etwas angedeutet. Ich glaube, es lag aber eher an dieser generellen Tendenz innerhalb der Industrie. Die Vorschüsse waren fett und wurden immer fetter. Manche machen dann einen interessanten Spagat – man will einerseits den Erfolg der Leute, die man künstlerisch belächelt, aber nicht so Mainstream werden, dass man in die »Bravo« muss. So war das damals vor 15 Jahren. Underground auftreten, aber majormäßig verkaufen wollen – das ging dann nicht so ganz. 

  • Im Nachhinein fällt mir auf, wie viele Home-Recordings-Pullis und Put-Da-Needle-Shirts im Umlauf waren … 

  • Fast Forward: Label-Klamotten, also Put Da Needle und Home Recordings, gingen natürlich in unsere Tasche, aber auch da gab es erst mal Produktionskosten. Wie bei allen physischen Sachen ist es so, dass kleine Serien per se von der Stückzahl teurer sind. Erst in der Menge gehen die Kosten runter, aber es kann einem ja keiner garantieren, dass man die verkauft. Und wenn es dann nicht weggeht… Beim Klan haben wir uns das geteilt und sind im Endeffekt drauf sitzen geblieben. Das ist dann manchmal so. Wenn es schief läuft, hält man den Kopf dafür hin und ist der Buhmann. 

  • Ich bin zufällig letztens dem Lenny zum ersten mal in Berlin über den Weg gelaufen …  

  • Scope: Der macht jetzt super erfolgreich seine Fotografie, echt Spitzensachen.

  • Fast Forward: Das ist doch cool! Bei seinem Album war auch schon eine DVD dabei. Wenn ich das recht erinnere, war das ein Teil seiner Abschlussarbeit für sein Studium. Bei den Video-Drehs hatte der immer eigene Ideen. Teilweise schon fast penibel und pingelig dafür, dass wir finanziell auch nicht mehr die Mittel hatten.

  • »Das war eine schwierige Zeit, da guckte dann jeder, wo er bleibt.«Auf Twitter teilen
  • Wie denkst du im Nachhinein über Lennys »Fight Club«?

  • Fast Forward: Irgendwo sind wir froh, dass wir das Lenny-Album noch hingekriegt und danach die Rollläden runter gemacht haben. Andererseits hätte das vielleicht auch gar nicht mehr sein müssen. Es war einfach eine unheimlich anstrengende Zeit. Nicht nur, weil Künstler sich ungerecht behandelt fühlten – »Ich hätte gern noch ein zehntes Video!«. Aber jeden Tag fragen zig Leute am Telefon, wo ihre Kohle bleibt, Vertriebe oder Leute, denen man wirklich Geld schuldet. Das meiste von dem Stress hat meine Frau abbekommen, mit der zusammen ich das Label geführt habe. Das hat jetzt inhaltlich nichts mit dem Lenny-Album zu tun, aber danach war das für mich alles einfach nicht mehr zu retten. 2003, als die zweite Creutzfeld-&-Jakob-LP bei Universal und die Lenny-LP bei uns über Groove Attack rauskam, hatten wir schon fast die gesamte Belegschaft, die mal bei PDNTDR gearbeitet hatte, kündigen müssen und kamen aus dem Mietvertrag für das viel zu große Büro nicht raus. 

    Am Ende hat alles so aufgehört, wie es angefangen hat: zuhause und mit nichts – nur einem Riesenberg Schulden. Zum damaligen Zeitpunkt hat uns eventuell das nötige Know-how im Business-Bereich gefehlt. Heute könnte man sagen: So ein Majordeal kann nur funktionieren, wenn man die Major-Power auch komplett ausnutzt, das Büro auf Telefon und Computer reduziert, keine Mitarbeiter und keine Miete bezahlen muss und eher wie ein Manager dazwischen hängt und so auf seinen Schnitt kommt. Wir wollten aber ja als Label weiter wachsen, nur eben besser und mit mehr Möglichkeiten. 

  • Ich kenne die meisten nur vom Hörensagen, aber es ist schon auffällig, was du da für einen Haufen an vermeintlich schwierigen Charakteren zusammengesammelt hast.  

  • (Gelächter)

  • Tuareg: Künstler eben. 

  • Fast Forward: Naja, das hat sich für mich zu der Zeit gar nicht so dargestellt. Lenny hat uns dann ja auch irgendwann gedisst – unter anderen Umständen wäre die Trennung vielleicht freundschaftlicher verlaufen. Das war eine schwierige Zeit, da guckte dann jeder, wo er bleibt.   

  • War vor dem Release von »Fight Club« schon klar, dass danach Schicht ist? 

  • Fast Forward: Nein. Zumindest geht mir das so: Man denkt: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Aber es kam einiges zusammen, das sich nicht mehr aufhalten ließ. Zum Beispiel der Mailorder: für jeden ist das Weihnachtsgeschäft wichtig, da war schon Ware bestellt, die Flyer waren gedruckt – und in dem Moment sagt die Bank: »Ende Gelände.« Und das Finanzamt pfändet ein. Da macht man dann lieber nichts mehr, bevor man weiter spekuliert. Ich weiß auch nicht, ich habe echt den Mut verloren und es ging den Bach runter. Wir haben uns immer weiter verkleinert und die letzten Sachen von zu Hause aus verschickt. die RAG-CDs für ein oder zwei Euro über eBay vertickt.  

  • (Kollektives Aufstöhnen)

  • Um auf einer versöhnlichen Note zu enden: Es gab auf dem 80. Geburtstag der Stieber Twins ein Foto von dir und Savas.

  • Fast Forward: Ja, das fand ich richtig cool. Das war mir auch wichtig. Ich wusste, dass Savas nach Heidelberg kommt. Das war das erste Mal, dass wir uns nach alldem gesehen oder gesprochen haben. Ich habe natürlich ein bisschen verfolgt, wie es bei ihm so läuft. Ich habe ihm nie etwas Schlechtes gewollt. Put Da Needle hat ihn ja schon ein bisschen mitentdeckt und ich fand, im Anschluss war er von den Berliner Leuten immer noch der Beste. 

  • Scope: Voll. Auf jeden Fall.  

  • Fast Forward: Ich war froh, dass wir das alles aus der Welt schaffen konnten. Es gab auf beiden Seiten viel Enttäuschung, aber ich fand es cool, das alles zu begraben. 

  • Hast du denn überhaupt mitbekommen, dass Eko ihm später vorgeworfen hat, er wäre »Peter Sreckovic 2« geworden? 

  • Fast Forward: Ja, das habe ich noch am Rande mitbekommen. Da ging es dann wohl darum, ihm den Spiegel vorzuhalten. Aber es ist interessant, wie sich manche Fehler scheinbar wiederholen und andere Leute die gleichen Fehler machen und andere wiederum daraus lernen. 

  • Tuareg: Aber Savas hatte auch immer schon ein Stück weit größer gedacht. Der wollte immer mit dem dicken Mietwagen zu den Auftritten fahren und sowas. Der ist ja auch reifer und erwachsener geworden, genau wie wir. Das hat man in Heidelberg auch gemerkt. 

  • »Ich war enttäuscht davon, was aus ehemaligen Weggefährten geworden ist.«Auf Twitter teilen
  • Das STF-Album kommt zwar im Sommer …

  • (Gelächter)

  • … aber so richtig aktiv seid ihr alle nicht mehr als Musiker, Redakteure oder Labelbetreiber. Habt ihr das analytische Hören, das Hören auf eine weitere Verwertbarkeit hin, damit eigentlich ablegen können? 

  • Tuareg: Ich für meinen Teil habe mir einfach gar nichts mehr reingezogen. Ich habe die Schotten komplett dicht gemacht. Aus Desinteresse. Die sind auch immer noch dicht, was Deutschland betrifft. Ein Stück weit auch aus Enttäuschung darüber, was aus dem geworden ist, was wir mit aufgebaut haben. Enttäuschung uns selbst gegenüber, weil wir uns nicht mehr eingemischt haben. Die Jungs mögen anders denken, aber ich war auch enttäuscht davon, was aus ehemaligen Weggefährten geworden ist. Sei es ein Eißfeldt oder selbst Savas ein Stück weit. 

  • Scope: Curse.

  • Tuareg: Oder Curse, ja – noch schlimmer. Tatwaffe.

  • Scope: … you name it. 

  • Tuareg: Zu Zeiten, in denen wir noch aktiv waren, ging es ja schon los mit: »Wir sind hier gechartet und dort aufgetreten.« Da ging es nicht mehr um Styles, das hat mich schon angewidert.  

  • Scope: Wir waren ja auch keine Profimusiker und hatten eher einen künstlerischen Anspruch ans Musikmachen. STF-Songs wie »Radiosender« und »Comeback« sind ganz gute Beispiele für einen eher zeitlosen Ansatz. Insofern finde ich es weniger enttäuschend als wirklich langweilig, was heute passiert. In dieser ganzen Periode damals hat man versucht, den Standard ein wenig zu pushen – egal ob man Reime geschrieben, Musik produziert oder ein Label gemacht hat. Wenn du dich am Mainstream orientierst, heißt das, dass du dich an eine Zeit hältst, die mindestens zwei Jahre in der Vergangenheit liegt. Wenn das dein Ziel ist, bist du verrottet und alt, bevor du einen Song in den Charts hast. Das war nie unser Bestreben, nicht bei STF und nicht für Peter und sein Label. Wenn du dir ansiehst, wie Put Da Needle To Da Records seine Künstler betreut und kuratiert hat, dann siehst du immer diesen Anspruch und diese Intuition für eine gewisse Edge.