Robda »Muss ich mich wirklich entscheiden zwischen den beiden Seiten?«

Seit fast 20 Jahren macht Robda Rap. Doch erst jetzt hat er sein Debütalbum »Das dicke R« veröffentlicht. Ein Umstand, der nicht Robdas Disziplin geschuldet ist. Denn Robda ist Kung-Fu-Lehrer, betreibt eine eigene Kung-Fu-Schule. Und hatte eben jetzt Lust, sein Debüt aufzunehmen.

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In der Darmstädter HipHop-Szene verdient sich Robda seine ersten Sporen – er steht in Freestyle-Cyphers und fährt mit dem 35-Mark-Bahnticket zu Jams. Er macht Abitur, interessiert sich für Kampfsport und ist Teil von Magnum12, einer Crew, die sich für HipHop begeistert und über Umwege 2006 den ersten Release von Marteria veröffentlichte. Doch 2006, als Marsimotos »Halloziehnation« erscheint, ist Robda gar nicht mehr im Land. Er hat sich dazu entschieden nach China zu gehen, um dort eine Ausbildung zum Kung-Fu-Lehrer nachzugehen. Rap bleibt fortan Nebenjob, Robda baut eine eigene Kung-Fu-Schule in Darmstadt auf, während alte Wegbegleiter sich ganz dem Rap-Spiel verschreiben.

Mittlerweile wohnt Robda in Berlin und hat nach der Veröffentlichung seines Debütalbums »Das dicke R«, das er nach knapp 20 Jahren als Rapper kürzlich veröffentlichte, wieder richtig Bock auf Rap. Robda ist entspannt, der Release – natürlich auf Magnum12 – ist mehrere Wochen her, die für einen Newcomer sehr professionell gearbeitete Promo-Phase mit Video-Premieren und Teaser-Videos bei unterschiedlichen Medienpartnern ist vorbei, man sitzt bei einem Alsterwasser zusammen und spricht über Deutschrap im Allgemeinen und Robdas Rap im Speziellen. »Sollen wir mit dem Interview beginnen?« Kurzes Zögern. »Klar, aber bevor wir anfangen: Wie gefällt dir denn mein Album?«

Hm. »Das dicke R« fühlt sich stellenweise ein wenig verloren an. An manchen Ecken fehlt etwas oder ist nicht konsequent zu Ende gedacht. Es ist ein Mixtape eines Newcomers, das professionell auf allen Vertriebskanäle, mit einer gut und stringent durchdachten Kampagne platziert wurde. Fast ein wenig zu viel Konzept und Professionalität für etwas, das sich anhört, als hätte man es ein wenig aus der Hüfte geschossen.

  • Ein Slogan hat den Release deines Albums begleitet: »Money, Weed, Bitches, Kung-Fu«. Wie passt das zusammen?

  • Gar nicht. Und das ist mir auch vollkommen bewusst. Darum habe ich es auch gemacht. Für mich persönlich ist diese ganze Rap-Reise fast eine spirituelle, also ein Bewusstwerden, was alles in mir schlummert, was in mir lebt, was mich ausmacht. Und dieses »Money, Weed, Bitches« steht symbolisch für die Bilder aus der Rap-Welt, die jeder Rap-Fan sich seit Jahren tagein, tagaus gibt und worauf wir alle auch immer anspringen. Wir feiern alle Dre und Snoop oder auch Haftbefehl. Wir hören das alle und wir springen immer wieder auf die gleichen Bilder an: Ischen mit dicken Titten, Low-Rider, Typen, die mit Geld um sich werfen. Es ist immer wieder das selbe Spiel. Und es funktioniert immer wieder. Die Szene ist so stark von diesen Bildern geprägt, dass es für mich keinen Sinn macht, mich davon zu distanzieren. Den einen oder andere Widerstandskämpfer gibt es zwar, aber im Großen und Ganzen funktioniert Rap seit vielen, vielen Jahren immer wieder über diese Bilder. Das muss ich mir einfach eingestehen – ich bin seit vielen Jahre Teil dieses Ganzen. Ich unterstütze seit vielen Jahren Künstler, die sowas sagen, die sich so ausdrücken, die so einen Humor haben. Und ich habe eben auch diesen Humor. Ich sage auch mal »Bitch«, aber ich möchte natürlich kein diskriminierender Mensch sein. Das ist völliger Quatsch. Ich bin ja Kung-Fu-Lehrer. 

  • »Wir alle springen immer wieder auf die gleichen Bilder an: Ischen mit dicken Titten, Low-Rider, Typen, die mit Geld um sich werfen. Es ist immer wieder dasselbe Spiel.«Auf Twitter teilen
  • Das musst du erklären.

  • Ich stehe in meiner Kung-Fu-Schule und irgendein Schüler kriegt spitz, dass ich auch rappe. Da bekomme ich dann zu hören: »Das hätte ich niemals gedacht – du bist doch Kung-Fu-Lehrer!« Die Leute sehen mich halt immer nur in meinem Kung-Fu-Anzug in Kung-Fu-Pose. Und Kung-Fu-Lehrer sind ganz friedvolle Menschen, die nie ein böses Wort in den Mund nehmen, die sowas sogar ablehnen, die immer nur auf dem Weg des friedvollen Kriegers unterwegs sind und irgendwann mit 80 Jahren einen langen weißen Bart haben und jeden Tag meditieren. Ich höre immer wieder, ich sehe gar nicht aus wie ein Kung-Fu-Lehrer. Aber: Muss ich mich wirklich entscheiden zwischen den beiden Seiten? Darf ich nicht meine rabiaten Witze machen und einen harten Humor haben, weil ich, seit ich 12 bin, mit diesem Humor aufgewachsen bin? Darf ich nicht gleichzeitig einen spirituellen Weg gehen und versuchen, Kung-Fu zu leben? Wo soll ich denn diesen so genannten negativen Teil, also Rap, der in mir drin ist, hinstecken? Wo lasse ich den raus? Es gab Phasen, in meinem Leben, da war ich nur auf Training, habe nur vegetarisch gegessen und sozial isoliert gelebt. Zu der Zeit hatte ich auch ein fertiges Album. Das war zur gleichen Zeit, als Marsimoto sein erstes Album veröffentlicht hat. Ich bin nach China gegangen und was aus Marten geworden ist, wissen wir alle. Mein fertiges Album gibt es immer noch. Ich habe mich aber dann voll isoliert und war in China und habe einen anderen Weg eingeschlagen. Ich habe zu der Zeit versucht, alles so zu machen, wie man das soll als Kung-Fu-Schüler. Bis ich dann gemerkt habe, dass irgendwas fehlt. Ich habe zwar sehr viel gelernt, aber es hat mich nicht glücklich gemacht. Dann wusste ich, dass es eben auch eine andere Seite an mir gibt, die wichtig ist. Und das ist eben »Money, Weed, Bitches« … und Kung-Fu. Das bin ich. Ich habe keine Lust mehr, eine Seite zu verdrängen. Ich kann sehr gut Kung-Fu und ich auch kann auch rappen. 

  • Ich finde aber, du bleibst diese Erklärung auf »Das dicke R« ein wenig schuldig. 

  • Über sowas habe ich mir erst auch gar keine Gedanken gemacht. Ich wollte ein Album machen, auf dem ich rappe. Jetzt unterhalte ich mich mit anderen Menschen darüber und merke erst, dass man sich da durchaus Gedanken darüber machen kann. Der Anreiz und mein Wunsch, diese Dinge genauer zu erklären, ist jetzt auch erst gekommen. Ich kann also voll nachvollziehen, wenn man das Gefühl hat, dass ich mich auf dem Album nicht ausreichend erkläre. 

  • Versteh mich nicht falsch, Musik ist ja auch gar nicht verpflichtet, sich erklären zu müssen. 

  • Stimmt. Was man auch bei mir verstehen muss: Wenn ich rappe, ist das für mich wie Urlaub machen. Das Kung-Fu-Ding mit der ganzen Disziplin ist mein Alltag. Davon lebe ich. Ich trainiere täglich, ich unterrichte jeden Tag, ich meditier jeden morgen. Aber wenn ich Rap mache, dann geh ich auf den Spielplatz. Da habe ich gar keinen Bock, groß über alles nachzudenken oder spirituelle Themen abzuhaken.

  • Und jetzt ist seit einigen Monaten dein Debütalbum draußen. Wie fühlt es sich an?

  • Ich bin sehr froh, dass ich nach all den Jahren – es sind ja jetzt dann schon fast 20 Jahre Rap – endlich geschafft hab, ein Album zu releasen. (lacht) Ich habe damals Magnum12 mit zwei anderen Jungs auf dem Schulhof gegründet – als selbst kopiertes HipHop-Magazin. Das war eine Crew, die zwei Mal ein Magazin auf dem Schulkopierer zusammenkopiert hat. Danach war es wieder nur eine Crew. Dann hab ich mal eine EP gemacht, auf der Magnum12 stand. Aber das war eigentlich auch nur das Logo. Dann kam das Gabreal-Ding, dann kam Marten und dann war es irgendwie auf einmal ein Label. Für mich ist es also einfach ein geiles Gefühl, dass ich ein richtiges Album auf diesem Label mit meiner Rap-Familie machen konnte. Daran hat ja keiner von uns geglaubt. Wir wollten einfach auch sicherstellen, dass wir es uns nie vorwerfen müssen, dass wir es nie auf die Reihe gekriegt haben. Jetzt ist es uns dazu gelungen, ein paar Leute zu finden, die das abfeiern und auch Bock drauf haben. Für mich ist also alles super cool. Dadurch bin ich eigentlich so krass gepusht und motiviert, dass ich jetzt mehr Bock auf Rap habe als je zuvor. 

  • »Wenn ich rappe, ist das für mich wie Urlaub machen.« Auf Twitter teilen
  • Die ganzen Jahre warst du zwar Teil der Szene, aber nie irgendwie groß in der Öffentlichkeit. Und jetzt mit Release hattest du zumindest ein bisschen den Fuß in der Öffentlichkeit. Wir war das für dich?

  • Voll schräg. Richtig verrückt. Auch eine echte Herausforderung, die sich teilweise auch echt komisch anfühlt. Ich komm da als absoluter Newcomer an, bin aber natürlich für einen Newcomer viel zu alt. Dann sagst du, dass du schon ewig dabei bist und alle fragen – zu Recht: »Ja, aber wo warst du denn?« Auf der einen Seite komisch, auf der anderen aber auch scheißegal. Es gibt ja zum Glück kein Rap-Gesetz, das das Alter für die Veröffentlichung des Debütalbums beschränkt. 

  • Deine Situation ist dennoch ein wenig besonders, weil du dein Album über ein sehr professionelles Umfeld veröffentlichst, das sich in der Szene und der Industrie sehr gut auskennst. 

  • Da bin ich auch mega dankbar dafür. Aber ich denke auch: Klar, hab ich das vorher nicht so genutzt, aber mir wird das jetzt auch nicht einfach so hingelegt, ohne dass ich was dafür getan habe. Ich bin ja durch die Schule gegangen. Wir haben das ja auch zusammen aufgebaut. Als Marten auf Magnum12 releast hat, war ich zwar raus und habe andere Sachen gemacht, aber auf dem Weg dahin war ich schon ein Teil vom Ganzen. 

  • Gibt es denn Sachen, mit denen du jetzt auf dem Album nicht zufrieden bist?

  • Ja, auf jeden Fall. Das hat auch mit meiner ganzen Philosophie zu tun. Für mich gilt: Der Weg ist das Ziel. Ich bin nie zufrieden. Da können wir auch gerne wieder über Kung-Fu reden. Dieser Ansatz liegt über meinem ganzen Leben. Ich versuche es immer so gut zu machen, wie ich es kann. Ich versuche jede Chance zu nutzen, die mir das Leben offenbart – das bin ich auch dem Leben schuldig. Wenn ich die Chance bekomme, dann muss ich sie auch nutzen. Wenn ich Talente habe, dann muss ich sie auch einsetzen. Es gibt ja genug Menschen, die bekommen diese Chancen nicht oder haben kein Talent. Deswegen will ich auch stetig an mir arbeiten. Wenn ich irgendwann in die Kiste steige, möchte ich auf jeden Fall sagen, dass ich alles versucht und mein Bestes gegeben habe. Insofern gibt es natürlich schon 100 Sachen, die ich bei dem Album besser machen würde. Frag mich besser nicht, wie ich mein Album finde. Ich kann natürlich dazu stehen und bin froh, dass es so ist, wie es ist. Aber ich habe schon 100 Ideen wie ich es besser machen könnte. Wir können uns jetzt gerne über Sounds und Snares und Bridges unterhalten. Aber an dem Tag, an dem das Master kam – in dem Moment ging es nicht besser. Ich hatte ja auch Beats von anderen Produzenten zu Hause. Ich hatte ja diverse Möglichkeiten. Aber das wollte ich auch irgendwie nicht. Die Beats wären sicher ein wenig besser produziert gewesen, aber irgendwas hätte mich dann daran gestört. Ich wollte es alleine machen. 

  • »Ich feier halt Alt und Neu, Boombap und Trap.« Auf Twitter teilen
  • Von deiner Attitüde und Historie könntest du dich ja durchaus in den Neunzigern und im Boombap verorten, aber deine Beats klingen nicht unbedingt danach. 

  • Ja, ich sehe mich auch nicht als Teil von irgendwas. Ich sehe mich als Künstler, der mit dem Drum-Setz der Neunziger und frühen 2000er gut klar kommt. Mein ganzes Album ist auch etwa zwischen 85 und 90 BpM, die Snare liegt auch immer auf der 2 und der 4 – ich bin also mit diesen Boombap-Rythmen vertraut. Ich wollte aber mit modernen Elementen arbeiten. Ich feier ja genauso A$AP Rocky, Smoke DZA oder Dom Kennedy. Ich feier halt alt und neu, Boombap und Trap. Dass man sich auch immer zu einem Lager bekennen muss. Das nervt mich. So: »Bist du Straßenrapper?« Oder: »Hasst du auch Straßenrap?« Ich war früher immer mit Rucksack auf der Straße unterwegs und hab mit den Straßenjungs Bong geraucht. Ich hab nicht im Hochaus gewohnt, aber bei mir daheim war auch nicht alles cool.  

  • Wann standest du denn das letzte Mal auf der Bühne? 

  • Joa, das ist auf jeden Fall schon ein bisschen her. Letztes Jahr in Darmstadt bei einer Freestyle-Cypher. Mann kann mich aber gerne buchen – ich bin bereit. (lacht) Ich bin ja sowieso recht entspannt. Ich mache mir um nix Sorgen. Ich habe jetzt dieses Album gemacht, jetzt habe ich Lust das Musik-Ding weiterzumachen. Ich habe die Kanäle dafür. Ich mach weiter. Und wenn ich morgen keinen Bock mehr habe, dann hör ich auf. Oftmals werden die Sachen, an die du mit 80 Prozent rangehst gut. 150 Prozent ist manchmal einfach zu viel.