Lance Butters »Müsste ich meine Jugend in Musik ausdrücken, würde ich sagen: Wu-Tang.«

Heute erscheint »Blaow«, das Debütalbum von Lance Butters. Ein rohes Stück Rap, das sich ganz explizit nicht an solchem Unfug wie Themen, Konzepten oder Reimkaskaden abarbeitet, sondern den Fokus auf das richtet, was Lance‘ Musik seit jeher auszeichnet: Attitude.

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Lance ain’t nuthing ta fuck wit, könnte man den Subtext zu »Blaow« zusammenfassen, dieser Abfahrt aus brettigen, dreckigen Beats, einer rotzigen, arroganten Delivery und diesen monothematischen, dennoch unwiderstehlichen Lobeshymnen auf die eigene Großartigkeit. Und damit auch die Eselsbrücke zu dem prägnanten Wu-Logo auf Lance Butters‘ Unterarm spannen.

  • Warum hast du ein Wu-Tang-Tattoo?

  • Weil damit alles angefangen hat. Müsste ich meine Jugend in Musik ausdrücken, würde ich sagen: Wu-Tang. 1997 hat mir mein Bruder »Wu-Tang Forever« gezeigt. Mein älterer Bruder war auf so einem Westcoast-Film mit 2Pac und so, aber er kannte auch Wu-Tang. Er kam zu mir und meinte: »Kauf dir das, das ist gut.« Okay, also kaufe ich das. Ich hatte natürlich keinen Plan, wovon die geredet haben, aber ich fand es richtig geil. Das war ein bisschen aggressiv, es hatte einen geilen Vibe, alles hat gepasst. Und ab da war ich so ein Spasti, der nur mit Wu-Wear rumgelaufen ist und seinen Freunden Wu-Tang-Namen gegeben hat. (lacht) Im Jahr 2000 hatten die dann auf einmal so einen Hype mit »Gravel Pit« – und ich hab mich richtig gefreut. Endlich kennt die jeder! Endlich sind die auch in der »Bravo«! Ich hab mich überhaupt nicht geärgert, dass das jetzt jeder kennt, ich war einfach nur froh. Ich hab ja nicht einfach Rap gehört, nicht ein bisschen 2Pac und Mobb Deep, sondern nur Wu-Tang und den ganzen Kosmos außenrum.

  • Also kannst du auch mit Namen wie Bronze Nazareth etwas anfangen?

  • Na klar! (lacht) Damals gab es ja dann auch schon Internet und ich hab versucht, alles über die Leute rauszufinden: Wie heißen die mit bürgerlichem Namen? Wann sind die geboren? Ich war ein richtig ekelhafter Fan – und zwar von der ganzen Wu-Family. Von den Solo-Künstlern sind nach wie vor die krassesten für mich Ol‘ Dirty Bastard und Method Man. Method Mans Stimme und Style sind übertrieben krass. Und Ol‘ Dirty ist einfach unfassbar. Das waren die Krassesten – aber es gab natürlich auch immer die Schwächsten: U-God und Masta Killa – jeder kennt sie. (lacht) Die hatten echt selten geile Dinger …

  • Aber es war cool, dass sie mitmachen durften.

  • Voll! Die gehörten halt einfach dazu. Wären die gegangen, hätte ich das nicht verkraftet. Die sind doch eine Familie, eine Clique, eine Gang! Obwohl Masta Killa schon besser war als U-God, denn er hatte zumindest ein paar Parts, die krass waren. Zu der Zeit konnte ich auch noch kein Englisch, aber ich fand schon cool, wie er die Sachen ausgesprochen hat, so leicht drunk irgendwie. 

  • Verstehst du eigentlich mittlerweile alles, worüber die Wu-Tang-Leute rappen? Bei diesem spirituellen Kram von z.B. RZA bin ich oft nicht sicher, wovon er eigentlich spricht. 

  • Das ist ja auch wirklich so, dass man davon nicht viel versteht. Aber das hindert einen ja nicht daran, ein krasser Fan zu sein. Ich fand einfach den Style, die Beats und vor allem diesen Klan-Zusammenhalt geil. Deswegen hat es mich auch krass gestört, als irgendwann rauskam, dass die alle mittlerweile miteinander verstritten sind und RZA z.B. krass kämpfen musste, um die Jungs für das letzte Album »A Better Tomorrow« zusammen ins Studio zu kriegen. Das will ich nicht hören! Traurig genug, dass es so ist – aber macht das bitte unter euch aus. 

    Was darüber hinaus für mich faszinierend war, war natürlich das Kung-Fu-Ding. Wobei das bei Method Man ja gar nicht im Vordergrund stand, bei ihm fand ich vor allem die Zusammenarbeit mit Redman krass. »Blackout« ist für mich nach wie vor eines der krassesten Alben überhaupt. Da sind 19 Tracks drauf und wirklich alle sind geil. »Blackout« ist mein Album. Da finde ich jedes Ding überkrass – bis heute.

  • Was muss jemand, der von Wu-Tang keine Ahnung hat, deiner Meinung nach gehört haben, um deine Faszination nachvollziehen zu können?

  • Das erste Crew-Album natürlich: »36 Chambers«. ODBs »Return to the 36 Chambers: The Dirty Version« musst du gehört haben, um Ol‘ Dirty zu verstehen – falls du ihn dann verstehst. »Tical 2000: Judgement Day« von Method Man ist auch ein Muss. Überkrass. Das höre ich immer wieder. »Wu-Tang Forever« muss man auch gehört haben, »Liquid Swords« auch. Von den neuen Sachen aber… »Nigga Please« von ODB war schon kommerzieller, da waren mehr wirkliche Tracks drauf und es passierte nicht andauernd irgendwas Komisches im Hintergrund. Aber als Character war er da trotzdem noch richtig krass. Wie fandest du RZA?

  • »Bobby Digital« fand ich ein bisschen schwierig. 

  • Das ist mir neulich auch wieder aufgefallen: RZA ist einfach nicht so ein krass guter Rapper.

  • Und seine Produktionen sind mit der Zeit immer cleaner geworden, was mir irgendwann einfach nicht mehr gefallen hat.

  • Das stimmt. Aber das ist ein grundsätzliches Problem, auch bei Rappern: Die rappen am Anfang sehr raw, mit steigender Routine wird die Technik besser und die Reime sauberer. Vielleicht war das bei RZA ja anfangs gar kein Stilmittel, dass seine Beats so klangen. Vielleicht konnte er es einfach nicht besser, vielleicht hatte er einfach nicht die technischen Mittel. Aber ich fand das ohnehin nicht schlimm, ich hab Wu-Tang auch zu Zeiten von »The W« und »Iron Flag« gefeiert. (lacht) Was natürlich, im Nachhinein betrachtet, ein komplett anderer Style war. Aber ich hab die supportet, ich war komplett auf dem Film. Aber wenn ich mir jetzt so Zeug wie »Pinky Ring« anhöre, dann denke ich mir: Da war es eigentlich schon vorbei – aber ich habe es damals nicht kapiert. Aber die ganze Zeit um »Wu-Tang Forever«, die fand ich richtig geil.

  • »Ich sehe keinen Sinn in einer verkopften Herangehensweise, ich sehe keinen Sinn darin, mir krass was auszudenken, wenn ich es auch einfach sagen kann.«Auf Twitter teilen
  • Wie hast du auf den Tod von ODB reagiert?

  • Zunächst mal: Ich hasse es, wenn irgendjemand Berühmtes stirbt und sich dann alle mit R.I.P.-Bekundungen überschlagen. Immer wenn du so etwas postest, sterben im gleichen Moment 500 andere Leute, die niemanden scheren. Aber das mit Ol‘ Dirty war für mich schon sehr krass. Vor allem, weil man ja den ganzen Abstieg mitbekommen hat: Drogen, Knast, Drogenentzug, gefühlte 500 Kilo, dann wurde er auf der Flucht gebustet, weil er jemandem ein Autogramm gegeben hat. Aber sein Tod am 13. November 2004, der war schon traurig für mich. Diesen Tag vergesse ich jedenfalls nicht. Aber schau dir mal Interviews mit ODB an, was für ein geschädigter Typ das war – der war einfach völlig drüber. Das war einfach ein Kerl aus dem Ghetto, der an zu viel Geld gekommen ist, davon wie ein kleines Kind Drogen gekauft hat und mit seinem Hype nicht klarkam.

  • Wenn du eine Parallele zwischen Wu-Tang und deiner Musik ziehen würdest, dann wäre das was?

  • Viele sagen, man hört den Einfluss raus. Ich würde sagen, es ist diese Herangehensweise von früher, diese Rohe, Dreckige. Scheiß auf Arrangement, scheiß auf Tonstudio, lass zu Hause Musik im Kinderzimmer machen. Aber sonst… ? Mit der Maske, meiner Delivery und meiner Attitude habe ich einen Character etabliert, der in so einem Kollektiv wohl sehr herausstechen würde. Dazu muss ich sagen: Meine Reime sind richtig behindert, richtig einfach – aber das ist scheißegal. Weil einfach die Delivery passt. Ich sehe keinen Sinn in einer verkopften Herangehensweise, ich sehe keinen Sinn darin, mir krass was auszudenken, wenn ich es auch einfach sagen kann. Ich geh den leichteren Weg. Geh du den graden Weg, ich kann das nicht. (lacht)

  • Du hast in letzter Zeit daran gearbeitet, dir einen eigenen Kosmos zu etablieren: Du vermeidest offensichtliche Referenzen in deinen Texten, du connectest nicht mit dem Rest der Szene, deine VBT-Vergangenheit spielt keine Rolle, du redest nicht darüber, aus welcher Stadt du kommst. Wieso?

  • Das VBT-Zeug nervt einfach, weil da in eine falsche Schublade einsortiert wird. Ich bin kein Battle-Rapper. Ich mache Battle-Rap, ja. Aber ich bin kein Rapper, der Leute battlet. Dass ich im VBT so weit gekommen bin, lag ja auch nicht an meinen Punchlines, sondern an meiner Delivery. Ich sehe mich einfach nicht als Standard-Rapper. Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen, ich weiß, wieso Leute meine Musik feiern. Und das ist was Eigenes. Ich bin kein VBT-Rapper, das VBT war nur ein Sprungbrett, damit es für mich schneller geht. 

    Was meine Herkunft angeht: Mich als Konsumenten nervt diese Transparenz im Rapgame. »Aha, der Rapper kommt von dort, mit dem kann ich mich besser identifizieren. Aha, der hat so und so viel verkauft. Wie alt ist der? Was für eine Schuhgröße hat der?« Fick dich, das interessiert mich nicht. Ich repräsentiere keine Stadt. In meiner Musik geht es nicht darum, wo der Typ herkommt. Mich nervt diese Selbstverständlichkeit, mit der solche Infos rausgehauen werden. Darum geht es einfach nicht. Auch diese falsche Loyalität, die daraus entsteht, die will ich nicht. Ihr müsst die Flagge für mich nicht hochhalten! Wenn jemand mich scheiße findet, dann lasst ihn das doch tun. Ich finde es eklig, wo mittlerweile die Prioritäten gesetzt werden, und deswegen wollte ich den Fokus bei mir auf die Musik richten. Es ist scheißegal, wie alt ich bin, wie groß ich bin, ob ich eine Freundin hab – ich mag es nicht, wenn die Leute in privaten Sachen nach Sympathiepunkten suchen. Für euch bin ich einfach Lance Butters. Und ich rappe, das was ich rappe. Fertig.