MC Smook »Männlichkeit? Ich weiß nicht!«

»Frauen raus aus Clubs« heißt eine Spotify-Playlist, die über vierzig Songs versammelt, auf denen Deutschrapper Frauen den Diskobesuch verbieten. ALL GOOD-Autor Tobias Wilhelm hat mit MC Smook, dem Kurator der Liste, über Sexismus, Männlichkeit im Jahre 2019 und geläuterte Schwulenhasser gesprochen.

MC Smook

MC Smook ist, neben seiner Haupttätigkeit als spannender Rapper, ein wahres Instagram-Phänomen. So nahm er in seinen Storys jüngst den Löwen-Fetisch deutscher Rapper auf die Schippe, rauchte auf dem Höhepunkt des Alpha-Mentoring-Gates Shisha in Kollegahs Alpha-Lounge und ärgerte seine Nachbarn, die ihn sowieso hassen. Sein neuester Grind ist es nun, Deutschrap-Songs in einer Playlist zu sammeln, in denen Rapper Frauen davon abraten in die Disko zu gehen. Warum eigentlich?

  • Was war der Startpunkt für deine Playlist?

  • Auf Twitter haben Leute damit angefangen zu schreiben, dass Frauen nicht in die Disko gehören und damit natürlich auf gewisse Ehrenmänner im Deutschrap angespielt. Ich habe mich dann immer mehr in die Thematik reingesteigert, schließlich sogar meinen eigenen Frauen-raus-aus-Diskos-Track »Surviving Ehrenmänner« aufgenommen, der irgendwie einen Nerv getroffen hat und mir immer noch großen Spaß bereitet. Die Playlist ist dann einfach aus diesem Spaßfaktor heraus entstanden, dass ich mir eben überlegt habe: »In welchen Songs wird Frauen der Club-Eintritt verwehrt?« Anfangs hatte sie nur drei, vier Tracks, aber dann habe ich die Liste nach ein paar Wochen in meiner Insta-Story erwähnt und mir wurden daraufhin sehr viele Songs zugeschickt.   

  • Auf der Playlist befinden sich nicht nur Songs, in denen das Disko-Verbot direkt ausgesprochen wird. Kannst du kurz sagen, nach welchen Kriterien du die Lieder ausgesucht hast?  

  • Es muss in jedem Song direkt oder indirekt gesagt werden, dass eine Frau nicht in die Disko gehört. Auf »Bambi« von Bausa zum Beispiel erzählt dieser, dass er ein besoffenes, sehr junges Mädchen ritterhaft aus der Disko rauseskortiert und nach Hause zu ihrer Mutter bringt, bevor sie von jemandem vergewaltigt werden kann. In weiterem Verlauf klingt dann noch durch, dass das Mädchen eh zu kurze Röcke tragen würde, irgendwie allgemein sehr naiv sei und sich deshalb auch nicht darüber wundern müsse, wenn dann doch mal was passiert. Das ist so diese Eigentlich-wollte-sie-es-doch-auch-Denke. Außerdem gibt es natürlich nicht immer einen edlen Beschützer, also: Lieber nicht in den Club gehen, Mädel.   

  • Aktuell befinden sich 45 Songs auf der Playlist. Im Gegensatz zu mir hast du sie dir wirklich alle angehört. Kannst du vielleicht kurz zusammenfassen, was für die gefeaturten Rapper so schlimm daran ist, wenn eine Frau in den Club, oder die Disko geht?

  • Die betreffenden Männer wissen ja, wie sich selbst verhalten, wenn sie in die Disko gehen und Frauen dort als Frischfleisch betrachten. Die Disko ist für sie daher ein potentiell gefährlicher Ort. Dann gibt es natürlich verschiedene Arten von Frauen-raus-aus-Diskos-Tracks: Zum Beispiel den Trennungs-Song, in dem nachträglich mit der Ex abgerechnet wird. Oder Songs, in denen ganz allgemein beschrieben wird, wie Frauen angeblich zu sein haben. Dieses ganze Disko-Ding wird darüber hinaus auch einfach als eine Art Metapher für angeblich ehrenloses Verhalten von Frauen benutzt. Es ist dabei aber so omnipräsent, dass es mich selbst immer noch wundert. Vielleicht kann man Bushido mit seiner »Partyfotos da, Partyfotos hier – Du bist partyfokussiert«-Line auf »Highlife« als den Urvater des Frauen-raus-aus-Diskos-Genres sehen. Wahrscheinlich hat er diese Metaphorik dann an die nachfolgenden Rapper-Generationen weitergegeben. Inzwischen scheint die ganze Sache ein sich selbst verstärkender Kreislauf geworden zu sein. 

  • »Ich lache mich über die Tracks teilweise auch einfach nur kaputt, wenn ich sie höre. Bei manchen verging mir das Lachen aber dann auch ziemlich schnell wieder.«Auf Twitter teilen
  • Aus dem ganzen Diskoschlampen-Gebrüll höre ich neben einer Menge verletzter Eitelkeit und gekränktem Stolz auch einen stark ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex heraus…

  • Allgemein ist es natürlich immer super naheliegend seine Minderwertigkeitsgefühle an vermeintlich Schwächeren abzureagieren. Aber in Bezug auf die Playlist habe ich darüber so noch gar nicht nachgedacht. Ich lache mich über die Tracks teilweise auch einfach nur kaputt, wenn ich sie höre. Bei manchen verging mir das Lachen aber dann auch ziemlich schnell wieder. Bei Apache 207 zum Beispiel, der auf seinem Track »Kleine Hure«, neben vielen weiteren absurd-sexistischen Lines, allen Ernstes meint, dass man eine Schlampe sei, wenn man mit Schwulen abhängt. Da war der Spaß bei mir kurz vorbei, auch was die gesamte Playlist angeht. 

  • Mert, der in der Vergangenheit ebenfalls durch homophobe Äußerungen auffiel, ist mit gleich drei Songs auf der »Frauen raus aus Clubs«-Playlist vertreten. Hängen Sexismus und Homophobie zwangsläufig zusammen?

  • Die homophoben Äußerungen von Mert waren mir bekannt, weshalb ich seine Diskografie ganz gezielt nach Disko-Dingern abgesucht habe. Ich wusste einfach, dass ich da auf jeden Fall zwei, drei Lines finde. Aber fairerweise muss ich dazu sagen, dass sich Mert laut Davud von »TV Strassensound« wohl wirklich verändert haben soll und inzwischen anders über Schwule denkt. Ich habe das nicht weiterverfolgt, aber falls es wirklich so ist, finde ich das sehr cool! 

  • Zumindest was homophobe Lines angeht, scheint wirklich ein Umdenken stattzufinden. Bei sexistischen Lines kann ich dies jedoch nicht beobachten, eher im Gegenteil. Oder siehst du das anders? 

  • Ne, das stimmt schon. Aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die sexistische Lines komplett verbieten wollen. Denn irgendwie kann es ja auch nicht sein, dass wir jetzt nicht mehr »Bitch« sagen dürfen. Das ist einfach, vielleicht auch leider, ein Teil der HipHop-Kultur, die ja teilweise eben auf das ganze Stripclub-Ding in den USA zurückgeht. Rap muss meiner Meinung nach auch weiterhin gefährlich und unkorrekt sein dürfen. Gerade weil es ja eigentlich auch genug Künstler gibt, die andere Werte, und ein anderes Frauenbild transportieren. Aber die meisten von denen finden eben nicht im Modus-Mio-Mainstream statt. Der wird schon sehr von einem Gib-ihr-einen-Drink-aus-und-fick-sie-Frauenbild dominiert. Man müsste da ein stärkeres Gleichgewicht herstellen. Zum Beispiel, indem man dort Künstlern wie mir eine Plattform bietet. (lacht)

  • Abschlussfrage: Was bleibt von einem Mann übrig, der seine Partnerin in den Club gehen lässt. Oder anders: Wie definierst du für dich Männlichkeit?

  • Männlichkeit? Ich weiß nicht! Was soll im Jahr 2019 männlich sein? Okay, ich hab eine tiefere Stimme als Frauen, anatomisch bin ich ein bisschen anders gebaut, genetisch gibt es auch Unterschiede. Aber im Endeffekt geht es ja um Menschlichkeit. Es sollte das Ziel sein, dass man gar nicht mehr so groß zwischen Mann und Frau unterscheidet. Es sind einfach zwei verschiedene Geschlechter und es gibt neben diesen auch noch zwanzig, dreißig andere Geschlechter oder Formen, denen man sich zuordnen kann. Männlichkeit ist überholt, die New-Wave kommt. Auch wenn das einigen Rappern auf meiner Playlist sicherlich Angst macht.