Fashawn »Jeder Künstler sollte danach streben, etwas Unvergängliches zu erschaffen.«

Hoffnungsträger des neuen Westens, Retter des Lyricism, der nächste Nas – es gab eine Zeit, da wurde Fashawn als das gehandelt, was Kendrick letztlich werden sollte: ein übertalentierter Conscious-Superstar. Für den Nachfolger seines gefeierten Debüts »Boy Meets World« ließ sich Fashawn sehr viel Zeit – »The Ecology« erschien jetzt unter Nas bei Mass Appeal.

Fashawn

Vor gut fünf Jahren grinste der mittlerweile 26-Jährige aus Fresno neben Wiz Khalifa, Big Sean und J. Cole grimmig vom Freshmen-Cover der »XXL« und erschuf mit »Boy Meets World« einen Untergrund-Klassiker für die Westküste, auf dem er Straßenschläue mit Schulbildung verband und den Lifestyle eines Hustlers mit Rucksack zelebrierte. Heute gilt Fashawn als einer der Verlierer der Class of 2010, zu der – das muss man fairerweise sagen – auch Pill, Donnis und OJ Da Juiceman zählten. Während Kendrick und Cole zu Platinkünstlern reiften, stagnierte Fash auf undurchdachten Mixtapes, ließ aber immer wieder durch stabile 16er im Dunstkreis der Dilated Peoples und auf zwei starken Mixtapes mit Alchemist seinen Hunger aufblitzen. Im Gegensatz zu J. Cole, hat Fashawn immerhin keine »Let Nas Down«-Vorgeschichte und so signte Mr. Jones, in seiner neuen Position als Head of Mass Appeal, das ewige Talent als ersten Künstler des neuen Labels. Im Februar erschien das lang und oft verschobene zweite Album »The Ecology«, das wieder aus der MPC-Schmiede von Exile stammt, überraschenderweise doch noch.

  • In Vorbereitung auf das Interview, habe ich mir »Boy Meets World« seit langem mal wieder komplett angehört. Ich behaupte jetzt mal, dass man das Album als Neuzeit-Klassiker bezeichnen kann.

  • Absolut, man kann heute noch darauf zurückgreifen und das Album als fresh empfinden. Egal wie alt du bist, es wird dir schwer fallen, es einer Zeitepoche zuzuordnen. Das macht die Größe von Alben wie »Illmatic« auch aus: Dass es immer wieder Generation geben wird, die es neu für sich entdecken können. Es muss den Test der Zeit bestehen, langlebig sein. Deshalb hatte ich meine Probleme, als »Boy Meets World« als Instant Classic bezeichnet wurde. Wenn aber fünf Jahre später noch darüber gesprochen wird und mein Album noch immer Einfluss nimmt, bedeutet mir das alles. 

  • Als Künstler immer am ersten Album gemessen zu werden, kann auch beschwerlich sein – der frühe Klassiker als Segen und Fluch?

  • Ich fühle mich eher verewigt. Als hätte ich einen Beitrag zur Kultur geleistet, der anerkannt wird. Natürlich stellen die Fans dadurch Erwartungen und Vergleiche an. Ich habe davor ja schon Musik veröffentlicht, die kaum Zuspruch bekam. Einen Klassiker im Katalog zu haben, eröffnete mir viele Möglichkeiten. Ich hoffe, »The Ecology« kann einen Platz daneben einnehmen. 

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  • Nervt es nicht, wenn Journalisten – mich eingeschlossen – immer erst über das alte Material sprechen wollen und dich auf das erste Album reduzieren?

  • Gar nicht. Jeder Künstler sollte danach streben, etwas Unvergängliches zu erschaffen. Ich habe kein Problem damit, dass die Menschen mich so behandeln, als wäre »Boy Meets World« gerade erst erschienen oder als es würde erst rauskommen. (lacht)

  • Das Konzept und der Titel zu »The Ecology« stehen seit fünf Jahren fest. Gab es noch Tracks aus den alten Sessions mit Exile, die ihr so lange aufbewahrt habt?

  • Es gibt auf jeden Fall Outtakes von damals, bei denen ich mir denke: »Wow, wenn der auf dem ersten Album gewesen wäre, hätte ich die XXL-Wertung bekommen.« Ich mach’ das irgendwann wie Nas mit seinen »Lost Tapes« und bring das alles raus. 

  • »Es hat Jahre gedauert, bis ich verstand, was für ein Genie Nas ist.«Auf Twitter teilen
  • Hast du mit Nas mal über die Problematik und Erwartungen des ersten Albums gesprochen? Er wird Zeit seiner Karriere an »Illmatic« gemessen.

  • Wir reden eher über größere Zusammenhänge. Ich habe ihn als Künstler studiert, seine Karriere analysiert. Nimm zum Beispiel Nas’ Übergangsstadium von ’94 zu ’96, der Wandel von »Illmatic« zu »It Was Written«. Wie konnte er noch stärker nachlegen? Wenn man das vergleicht: »Illmatic« hatte nur neun Songs, auf »It Was Written« waren 15 Meisterwerke. Ich hatte das Album noch bevor ich »Illmatic« kannte und Nas überhaupt erst durch »If I Ruled The World« kennengelernt. Für mich war er der Typ, der einen Welthit mit Lauryn Hill hatte. Das Album habe ich mir erst Jahre später gekauft – 2002. Überleg’ mal, ich komme aus Kalifornien: Nas war dort nicht der angesagteste Act zu der Zeit. Die R. Kelly-Single und das Lauryn-Feature – ich dachte, das wäre Mainstream-Mukke. Es hat Jahre gedauert, bis ich verstand, was für ein Genie er ist. Dann kaufte ich mir alle seine Alben und wurde sein Student. Als »Boy Meets World« erschien, war es keinesfalls ein Erfolg, der über Nacht kam. Der Untergrund und die Kritiker liebten es zwar, die Erstwochenverkäufe waren aber gering. Es war eine Art kommerzieller Grower. Alles hat seine Zeit gebraucht und ich wusste erst nicht, wie ich wieder zurückkommen kann. Für viele bin ich heute ein Newcomer. Nas war schon in jeder erdenklichen Situation. Er ist einer der langlebigsten relevanten Rapper und von daher immer der ideale Ratgeber. 

  • Er wurde vor zwei Jahren auf dich aufmerksam, seitdem bestand Kontakt über euer Management.

  • Vor einem Jahr war das Album praktisch fertig. Da war noch alles von Exile produziert, und den Khalil- und Alchemist-Beat gab es gar nicht. Mass Appeal war sehr interessiert und Nas ist dort gerade CEO geworden. Von da an hat er das Album quasi als Executive Producer begleitet. 

  • Dein Tribut-Mixtape »Ode To Illmatic« von 2011 wurde ja schon von seinem DJ Green Lantern gemischt. Hat Nas das damals mitbekommen?

  • Durch Green Lantern bekam ich ja die ganzen Beats erst. Er ist schon ewig sein DJ und hat wirklich jedes Nas-Instrumental. Natürlich war das für mich als MC eine Herausforderung, einem Idol gerecht zu werden. Nas hat das Projekt damals abgesegnet, mir das »Okay« gegeben. Sonst hätte ich mich gar nicht getraut, über die »Illmatic«-Beats zu rappen. 

  • Lass uns über deine Partnerschaft mit Exile sprechen. Hat die Arbeit an »The Ecology« euch wieder zurück in die Zeit des ersten Albums versetzt? Die Stimmung der Beats hat mich sehr daran erinnert.

  • Exile ist ein Verrückter. Er arbeitet an zehn Projekten gleichzeitig, was nicht gerade meiner Vorstellung einer Albumproduktion entsprach. Es war teilweise echt super schwierig, gemeinsame Termine zu finden. He’s too good for his own goods. Ich musste ihn dazu zwingen, sich darauf zu fokussieren. Allein, ihn zu finden, hat mich zwei Jahre gekostet. (lacht) So kamen auch die sechs Jahre Wartezeit zwischen den Alben zu Stande. Er war oft auf Tour und beschäftigt. Aber ich will das nicht auf ihn schieben. Es ging einfach nicht schneller. 

  • Du hättest ja auch mit dem Trend gehen und über Trap-Beats rappen können.

  • Der Album-Track »Out The Trunk« ist meine Vorstellung von Trap. Ich liebe das. Ich bin aus der Trap und war an einem Punkt, wo ich dachte, in der Trap gefangen zu sein. Mein Lieblings-Trap-Song ist »Trapped« von Tupac: ein militanter, provokanter Text, der zum Nachdenken anregt. Das ist Trap-Musik für mich, das sind die Ursprünge, der Hintergrund. 

  • »Es ist eine großartige Zeit für Künstler, die etwas zu sagen haben und eine Message und Substanz in ihrer Musik transportieren.«Auf Twitter teilen
  • Du hast mit J. Cole und Kendrick Lamar zusammengearbeitet und wirst noch heute oft mit ihnen assoziiert. Die beiden haben es ohne Kompromisse und als Lyricists in den Mainstream geschafft. Denkst du, es ist eine gute Zeit für Künstler wie dich?

  • Ja, eine großartige Zeit für Künstler, die etwas zu sagen haben und eine Message und Substanz in ihrer Musik transportieren. Ich würde es keine Bewegung nennen, aber die Masse scheint es zu akzeptieren, sie braucht es sogar. Es gab eine Zeit, da bestand das Game nur aus Nachmachern und Rappern, die auf Nummer sicher gehen. Man wollte ja keine Fehler machen, nichts Neues versuchen. Cole und Kendrick pushen das extrem und bringen unsere Kultur auf die nächste Stufe. Ich habe nichts als Respekt dafür. Sie erleichtern meine Arbeit und machen sie kommerziell zugänglicher.

  • 2010, im Jahr deines Freshmen-Covers, wurde viel von einer neuen Westküsten-Generation um Leute wie dich, Blu, Pac Div und U-N-I geredet. War das wirklich ein »Movement«, oder wurde das von der Presse nur so offeriert?

  • Das waren einfach Crews, verschiedene Rap-Cliquen. Gemeinsam im Kollektiv waren wir stark und hätten etwas bewirken können. So lernte ich alle Posses und meine Familie kennen: Blu, Alchemist, Evidence, die ganze Dilated-Crew. 

  • Es ging also nie darum, der Westküste wieder Relevanz zu verleihen und sie zurück auf die Karte zu bringen?

  • Auf gar keinen Fall, wir waren ja nie weg. Das wurde künstlich aufgeblasen und als Story verkauft. Wie willst du uns denn erklären, dass der Westen nicht mehr am Start sei? Bei uns war die Hölle los. Ich denke schon, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, da ich aus Fresno, also aus der Mitte Kaliforniens komme. Wenn du irgendwo hin willst, musst du zwangsläufig durch Central California fahren. Ich war eine Art Brücke zwischen den Kulturen und Generation. Einer der einzigen kalifornischen Künstler, der Rapper aus dem Süden und Norden zusammenbrachte, zum Beispiel Mistah Fab mit The Grouch oder Co$$. Ich bin einer der wenigen, der diese Rapwelten vereinen kann. Als Kind habe ich mich oft gefragt, wieso der Westen so gespalten ist: Wie kann es sein, dass es keinen Track von E-40 und N.W.A gibt?

  • Du scheinst eine besondere Chemie mit Alchemist zu haben. Noch vor dem Album, habt ihr das Mixtape »FASH-ionably Late« rausgebracht.

  • Der Typ ist einfach wahnsinnig, ein gestörter Musik-Wissenschaftler. Wenn ich seine Beats höre, will ich sie zerstören und nicht nett behandeln oder so tun, als würde ich mich um sie kümmern. Ich will sie richtig verkloppen. Mit Exile ist das anders. Seine Beats sind wie Freunde fürs Leben, die man ewig lieb hat und einen begleiten. Moment, rede ich hier eigentlich immer noch von Beats? (lacht) Also wenn ich und Alchemist uns einschließen, werden sehr wenige Worte gewechselt. Wir kommunizieren durch die Musik, rauchen unzählige Spliffs und verschmelzen musikalisch. 

  • Wie auf »Dreams«, dem Feature mit Evidence. Der Beat könnte doch auch ein BFF werden?

  • Den Track habe ich sogar zweimal umgeschrieben. Die erste Version war zu offensichtlich, medioker und klischeehaft. Außerdem hatte Game das schon auf »The Documentary« gemacht. Ich wollte einen wirklichen Traum vertonen. Deshalb beginne ich mit: »Trying to see millions in profits, and still be philanthropic. Drilling a Brazilian, as I chill in the tropics« – also dem sonderbarsten Zeug, das mir einfiel. (lacht) Der Track hat deshalb auch keine Hook und kaum Drums. 

  • Evidence begleitet dich seit deinen Anfängen in der Industrie, hat für dich produziert und Videos gedreht. Ist er eine Art großer Bruder, ein Mentor für dich?

  • Ev hat mir erklärt, was es heißt, ein Solo-Künstler zu sein. Ich war ja früher auch in einer Rap-Crew. Und er ging quasi den selben Weg und musste sich erstmal als Solo-Künstler definieren. Er hat mir erklärt, was Arbeitsethos und Selbstdisziplin bedeutet. Auch lyrisch war er ganz wichtig für mich. Wenige stecken so viel Details und Gedanken in ihre Parts und beschäftigen sich damit, wie die Vocals genau auf dem Beat liegen müssen, wer den Track mastert und mischt. (Zeigt auf das Männchen auf seinem Oberarm.) Und deswegen trage ich auch für immer dieses Dilated-Peoples-Tattoo auf meinem Körper.