Hade »In den letzten fünf Jahren gab es keinen Tag, an dem ich mich nicht mit Musik beschäftigt habe.«

Bei Melting Pot Music gehört der Name Hade schon lange zum Roster, obwohl der Kölner Produzent musikalisch jetzt nicht unbedingt sofort in die dortigen Reihen passt. Seine Sporen verdiente er im Techno, aber HipHop kann der auch. Und noch viel mehr. Zuletzt machte er mit seinem Tribute-Mix für den verstorbenen Footwork-Producer DJ Rashad von sich reden.

Hade_Hans Arnold

Mit etwa acht Jahren erblickt Henrik Büren, der als Produzent den Namen Hade trägt, das erste Mal eine MPC – im Studio eines Schlagerproduzenten, mit dem sein Vater befreundet ist. Eine MPC 60. Die erste Frage war damals schon: »Darf ich da mal drauf drücken?« Schon als Kind hört Hade House und Garage im Radio und DJ Bobo gleichzeitig, später beeinflussen ihn die Musik aus Skate-Videos genau wie David P und dessen Main Concept, noch später dann Onyx, Wu-Tang Clan, Alchemist und Phil Collins. Ja, Onyx stehen absichtlich in einer Reihe mit Phil Collins. Anders kommt man Hade nicht auf die Spur.

Hade hat seitdem eine Menge Knöpfe gedrückt. Gemeinsam mit seinem Freund Benjamin Westermann alias DWFL produzierte er Techno, später Beats, dann Wonky (oder wie man es nun nennen mag). Außerdem stehen in seinem Katalog Remixe für Rapper wie Haftbefehl oder Veedel Kaztro, wobei er nebenher Songs auf seine Soundcloud-Page lädt, denen man jeweils anhört, was Hade privat gerade am liebsten rotieren lässt. Da geht es kreuz und quer im scheuklappenfreien Eichhörnchen-Galopp durch die Genres: Talking Heads, Jacques Greene, Mobb Deep und Larry Heard, Clams Casino und die Beautiful Swimmers.

  • Was hat dich musikalisch am meisten geprägt? 

  • Die wichtigste Phase war, noch bevor ich auf das Gymnasium kam und so richtig Rap gehört habe. Da habe ich immer BFBS gehört. Da lief dann House und Garage und 2Step. Es war eigentlich immer House, dann kam Rap, dann war House erst mal ‚ne ganze Weile fast tabu. Ich hab aber trotzdem zu Hause nebenher House gemacht, aber hab’s halt keinem gezeigt. Dann hat der Ben (Benjamin Westermann aka DWFL; Anm. d. Verf.) auch immer House gemacht. So 2004 muss das dann so richtig in die Gänge gekommen sein.

  • Gemeinsam mit Ben bist du als Ampersand mit deiner Musik dann das erste Mal an die Öffentlichkeit gegangen.

  • Das war das glorreiche MySpace-Zeitalter. Wir haben die Songs einfach da hochgeladen. Und irgendwann hat uns eine Band aus Belgien angeschrieben: »Hey, wir finden die Sachen geil, können wir die unserem Chef zeigen?« Und Ben meinte: »Hey, das sind die Subs!« Die waren halt bei Lektroluv und Dr. Lektroluv ist halt fast so was wie der Sven Väth von Belgien. Der fand das geil. Dann kam ein halbes Jahr später unsere Platte raus.

  • »Ich war nie zufrieden mit dem Sound. Er klang einfach nicht so dick, so tight oder so dreckig wie bei anderen.« Auf Twitter teilen
  • Das passierte zu der Zeit, in der Ed Banger gerade seine große Zeit hatte. Danach habt ihr ja die Ampersand-Identifikation relativ schnell wieder abgelegt. Wie merkt man denn, dass ein Projekt vorbei ist?

  • Wir hatten einen Drei-Platten-Deal unterschrieben. Die dritte Platte haben wir nie gemacht. Jedenfalls haben wir uns für die zweite Platte schon ein bisschen gequält. Und die klingt für mich auch heute so. Die ganze Ampersand-Sache hat mich dann einfach nicht mehr so richtig erfüllt. Von Lektroluv haben wir irgendwann eh nichts mehr gehört und wir haben dem auch nichts mehr geschickt. Da habe ich dann angefangen, das zu machen, worauf ich wirklich Bock hatte. 

  • Und das war?

  • Ich habe erst mal experimentiert, was ich machen muss, damit die Dinge so klingen, wie ich das gerne hätte. Ich war nie zufrieden mit dem Sound. Er klang einfach nicht so dick, so tight oder so dreckig wie bei anderen.

  • Nach welchen Kriterien hast du denn entschieden, auf welche Musikrichtung du dich mehr einlässt?

  • Nach diesem ganzen Ed-Banger-Ding kam ja auch ziemlich schnell dieses B-More-Ding in Köln wieder. Und so Jersey-Sachen. Und das erste Mal wirklich so Bass-Mucke. 

  • »In den letzten fünf Jahren gab es keinen Tag, an dem ich mich nicht mit Musik beschäftigt habe.«Auf Twitter teilen
  • Du warst schon immer sehr davon geprägt, wie der musikalische Kosmos um dich herum gerade klang?

  • In den letzten fünf Jahren gab es keinen Tag, an dem ich mich nicht mit Musik beschäftigt habe. Das war halt auch damals, als dieses ganze Blogosphäre-Ding losging. Dazu war immer inspirierend, was die Kollegen auf Partys gespielt haben. 

  • Was ist denn dein Selbstverständnis? Was produziert Hade denn nun eigentlich? 

  • Joa, das ist genauso eine schwere Frage wie: »Welche Musik hörst du?« Könnte ich nie wirklich beantworten.

  • Ist dir aber auch nicht wichtig, oder? Du willst dein musikalisches Profil gar nicht schärfen?

  • Doch, schon. Ich fände es schon gut, wenn man mich in Zukunft mit einem gewissen Sound assoziieren würde. Abgesehen von der ganzen Ampersand-Sache assoziiert man mich jetzt erst mal mit einem sehr Beat-lastigen Sound, den ich solo gemacht habe. Und dann der ganze Footwork. Und dann gab es ja noch so Garage-angehauchte Sachen.

  • Dein größtes Talent ist ja vielleicht dein größtes Problem: Du kannst scheinbar jede Musikrichtung, die du hörst, perfekt nachbauen. 

  • Ich mache halt gerne viel. Ich habe auch in den letzten paar Monaten Mucke gemacht, die ich davor noch nie gemacht habe. Ich habe echt viel Zeit in so Dub-Sachen gesteckt. Dann das ganze Talking-Heads-Zeug, dann der Genesis-Einfluss aus der Kindheit – der kommt auch immer durch, was so Akkord-Findungen angeht. Weil Tony Banks einfach ein fucking Genie ist. 

  • Jetzt sind wir schon wieder in alle musikalischen Himmelsrichtungen unterwegs. Schon mal darüber nachgedacht, unter verschiedenen Künstlernamen zu veröffentlichen?

  • Ja, schon. Das ist auch die Frage, ob ich das mache oder nicht. Gerade für die kommenden drei Releases. Das Ding ist halt, dass der Hade-Name jetzt schon bei manchen Leuten auf dem Schirm ist. Ich würde das bei Projekten gerne auch so kennzeichnen: Hey, das ist das und das, das ist der und der, aber der hat auch Bock auf das und das. 

  • Ist es nicht auch problematisch, wenn man als Hörer nicht sagen kann: »Oh, den Sound kenne ich, das ist ein neuer Song von Hade«? Der Trademark-Effekt fehlt, oder?

  • Ja, das versuche ich halt in den nächsten zwei Jahren so hinzubekommen. Und man muss sagen: Man kennt solo noch gar nicht so viele Sachen von mir. Man kennt halt Hade+DWFL. Die wirklichen Solo-Releases kommen in zwei bis drei Monaten und haben einen Sound, den ich auch in zwei Jahren noch produzieren möchte. 

  • Und mit welchem Sound willst du solo assoziiert werden?

  • House. Darauf soll in Zukunft das Hauptaugenmerk liegen. Auf Bass und House. Und ich finde auch, dass das ganze House- und Footwork-Ding schnell zusammenfindet, weil der Sound ja irgendwo derselbe ist.

  • »Eigentlich möchte ich mich ein bisschen von Deutschrap distanzieren.« Auf Twitter teilen
  • Die Leute kennen dich solo aber auch im Rap-Kontext, vor allem durch deine Remixe für z.B. Haftbefehl oder ganz aktuell Veedel Kaztro. 

  • Eigentlich möchte ich mich ein bisschen von Deutschrap distanzieren. Also ich mache da jetzt überhaupt nicht den Savas und sage, ich rede nicht mehr über KKS-Sachen. Aber ich habe eher weniger vor, der Haus-und-Hof-Producer für kommende Deutschrap-Sachen zu sein.

  • Wie passt dieser Wunsch und auch deine Hinwendung zum 4-To-The-Floor denn eigentlich zu Melting Pot Music?

  • Das passt ganz gut zusammen! Olski ist ja ein uralter Jungle- und Bass-Head.

  • Aber diese Musik bringt man ja nicht unbedingt mit dem Label an sich in Verbindung. Ist es nicht schwierig, unter dem Dach MPM die House- und Footwork-Fans zu erreichen?

  • Also für ein Label aus Köln, das sehr bekannt für Rap und noch viel mehr für Beat-Sachen ist, finde ich den Schritt ganz gut, weil Beat-Sachen jetzt nicht mehr ganz so hip sind. Ich bin auch immer noch Fan von Jazz-Loops mit Bitcrusher und Drums darunter, aber wenn man die Möglichkeit hat, das Spektrum seines Labels zu erweitern, dann ist das gut. 

  • »Die ganzen Beat-Nasen von damals haben inzwischen Bock auf einen anderen Sound.« Auf Twitter teilen
  • Glaubst du, alteingesessene Fans von Melting Pot Music haben Bock auf das, was du jetzt produzierst?

  • Es hat sich sehr viel getan in den letzten drei Jahren. Die ganzen Beat-Nasen von damals haben inzwischen Bock auf einen anderen Sound. Die sagen sich auch: Joa, nur Beats ist auch langweilig. 

  • Aber wie schwierig ist es denn, einen Song zu produzieren, der unverkennbar nach Hade klingt?

  • Ich muss mich halt mal zusammenreißen. (lacht) Ich muss mich fokussieren und wirklich darüber nachdenken, welchen Sound ich mit meinem Namen in Verbindung gebracht haben will. Sagen wir mal: Hade steht in Zukunft für die richtig tanzbaren Sachen. Und dann mache ich mir noch einen Moniker für alles andere.   

  • Wenn du jetzt so ein Selbsthilfe-Programm unter dem Titel »Hade muss sich zusammenreißen« erstellen würdest: Was sind die einzelnen Punkte, die du befolgen musst?

  • (lacht) Ich muss lernen, Geduld zu entwickeln. Vor allem beim Arrangieren. Ich finde nichts schlimmer, als wenn ich hundert Prozent zufrieden bin mit allen Bestandteilen des Songs und dann kommt dieser Moment: Igitt, jetzt musst du arrangieren, jetzt musst du dich konzertieren, jetzt musst du ADHS wieder ausschalten und mal wieder arbeiten.