Rockstah »Ich will nicht an den Punkt kommen, wo ich den Leuten nichts mehr erzählen kann.«

Rockstah ist in der »Pubertät«. Endlich. Etwas mehr als drei Jahre nach »Nerdrevolution« erscheint die neue Platte vom schlechtgelauntesten Rapper Deutschlands. Ein Interview über die Frage, ob man eigentlich merkt, wann Schluss ist, die Achse Heusenstamm-Berlin und grenzwertige Foto-Fanpost.

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  • Du hast mir mal erzählt, dass du großer Fan von Childish Gambino bist.

  • Ja, ich mag seine Vielfältigkeit. Er ist Rapper und Schauspieler, aber schreibt eben auch. Und wenn ein Typ alleine zwei »30 Rock«-Staffeln schreibt, ist der für mich schon so etwas wie ein Held. Überhaupt gibt es auf vielen Ebenen eine Verbindung zwischen uns. Wenn man jetzt »Camp« oder »Because The Internet« hört, merkt man ja auch, dass er eigentlich ein Außenseiter, ein Nerd und Videospiele-Fan war, der in so eine komische Situation geraten ist. Als Kind hatte er ‚ne dicke Nase und alle haben ihn ausgelacht, dann hat er angefangen Kunst zu machen und keiner hat’s verstanden. Er sagt immer: »Ich war der weißeste Junge unter den Schwarzen.«

  • Warst du auf einem seiner Konzerte neulich?

  • Ja, und es war das erste Konzert seit »Watch The Throne«, bei dem ich wieder richtig mitgelitten habe. Der war nur eine Stunde auf der Bühne – und das auch noch im Unterhemd – aber der hat da eine unfassbare Show mit unglaublicher Präsenz abgezogen. Da wußte ich wieder, wie sich Fan-sein anfühlt. 

  • Wäre das eigentlich auch eine Option für dich, ähnlich wie Childish Gambino mal eine Serie zu schreiben?

  • Neben der Musik schreibe ich ja auch noch seit Jahren an einem Buch. Da habe ich alle paar Wochen wieder mal eine Phase, in der ich daran schreibe und es endlich fertig machen will. Aber ich mache nicht gerne fünf Dinge gleichzeitig. Es ist eher so, dass das eine durch das andere abgelöst wird und die Prioritäten sich verschieben. Ich weiß nämlich gar nicht, ob ich die Ideen habe, um den Leuten die nächsten 15 Jahre Musik zu schenken. Ich will nicht an den Punkt kommen, wo ich den Leuten nichts mehr erzählen kann. Ich möchte nicht, dass meine Fans, und wenn es nur 50 Stück sind, das empfinden, was ich heute für manche Künstler empfinde, zu denen ich aufgeschaut habe. Es gibt eben Künstler, die habe ich wirklich geliebt und die haben irgendwann begonnen, mich zu enttäuschen, weil ich gemerkt habe, dass sie das nur noch machen, damit ihr Name weiter existiert. Dann lieber gehen, wenn es am schönsten ist. Und dafür habe ich auch zu viele Stärken, die ich nutzen kann. Vielleicht schreibe ich auch irgendwann mal wieder ein Comedyprogramm, vielleicht werde ich Regisseur, vielleicht drehe ich Dokumentationen, vielleicht setze ich mich auf ein Sofa, da kommen Leute rein und ich sage: »Guten Tag!«

  • »Von meinen Fans kenne ich locker 150 bis 200 mit Namen. Wenn ich deren Namen lese, weiß ich, dass die zu mir gehören.«Auf Twitter teilen
  • Zu sagen, dass es reicht, muss man sich auch erst mal eingestehen können.

  • Klar. Diesen Mut hatte ich ja schon mal, als ich mit Comedy aufgehört habe. Gut, da kannte mich kein Schwanz. Aber das war jahrelang ein Traum von mir und dann habe ich gesagt: »Nee, ich rappe jetzt.« Das war am Anfang echt hart, aber dann hat es mich doch sehr glücklich gemacht.

  • Gab es eigentlich mal einen Punkt, an dem du auf Rap keinen Bock mehr hattest?

  • Schon. Letztes Jahr im Herbst, als der eigentlich sichere Deal geplatzt war und man allen anderen Labels auch abgesagt hatte.

  • Was ist da eigentlich genau passiert?

  • Ich hatte Gespräche mit Plattenfirmen und bei einer waren wir uns einig, dass es das jetzt ist. Es gab dann auch einige Treffen. Und ich glaube, keiner hatte das Gefühl, dass das eine Nullnummer wird. An einem Tag saßen wir sogar alle beieinander, das Label, die Designer, die Grafiker, die Videoleute, mein Manager und ich. Und da haben wir einen Schlachtplan gemacht. Aber dann ist nichts passiert.

  • Und dann?

  • Bin ich erst mal in ein Loch gefallen, habe mich zwei Wochen lang eingeschlossen und »GTA« durchgespielt. Mir war das natürlich auch sehr peinlich, weil man ja hier und da schon gesagt hatte, dass wir jetzt einen Deal haben. Und dann habe ich mich aufgerafft, mit meinem Manager zusammengesetzt und bin wieder auf die Suche gegangen. Am Ende gab’s dann auch wieder drei Optionen, die auch alle nicht schlecht waren. Aber dann habe ich mich für Embassy of Music entschieden.

  • Warum eigentlich Embassy of Music?

  • Das war eine Bauchentscheidung. Bei der Geschichte davor war es eine Kopfentscheidung. Und dieses Mal hat es sich einfach gut angefühlt. Und es hat sich auch bewährt. Das Label ist sehr bemüht und lässt mir wirklich Freiheit. Ich saß bei acht oder neun Labels, und keiner hat gesagt: »Wir nehmen das Album so wie es ist.« Alle wollten da noch Änderungen dran vornehmen. Nur Embassy nicht.

  • Dabei ist Embassy ja nicht unbedingt Rap-related.

  • Die kommen eigentlich aus dem Ministry-of-Sound-Ding. Die machen Passenger und Robyn, Shaggy und Moby, aber auch Eric Prydz oder Duck Sauce. Außerdem ist der Embassy-of-Music-Stempel auch auf ganz vielen schrecklichen Fußball-WM-Hymnen-CDs mit Goleo und so. (lacht)

  • Ihr habt das ja gar nicht so an die große Glocke gehangen.

  • Das war eine bewusste Entscheidung. Es ist ja auch scheißegal. Wären wir damit hausieren gegangen, hätten die Leute das gegooglet und hätten ganz falsche Assoziationen gehabt. Die Leute haben das halt so antrainiert bekommen. Egal, ob zu Zeiten von Optik Records und Bozz Music oder heute Chimperator. Die Leute haben da dieses Familiendenken. Und wenn die Leute mit der Einstellung an das Label rangehen, wäre das grundlegend falsch. Und dadurch, dass wir nicht darüber geredet haben, hat man auch keinen falschen Eindruck bekommen. Es geht da nicht um ein Label, um Features, um Freunde. Es geht um Rockstah und seine Platte. Und um die Frage, wie man das Album am besten rausbringt.

  • »Bei YouTube stand neulich unter dem Video zu ›Astronaut‹, ich würde ›richtige Tobiasmusik‹ machen.«Auf Twitter teilen
  • In »VUP Lounge« geht es ja auch ein bisschen darum, nicht bei den ganzen Coolen in Berlin mitzuspielen.

  • Wie soll man denn seine eigene Geschichte erzählen, wenn man da ist, wo alle sind? Dann bist du irgendwann in diesem Fahrwasser, in dem viele schon untergegangen sind oder sehr lange gebraucht haben, um ihren Arsch wieder hochzukriegen. In Heusenstamm ist ja auch nicht alles rosig. Hier ist ja auch keiner mehr. Meine fünf, sechs besten Freunde arbeiten den ganzen Tag. Ich bin mit meiner Zeit alleine. Und wenn du ein Kopfmensch bist, ist das nicht immer einfach. Aber für mich als Mensch und meine innere Ruhe ist es wichtig, da zu bleiben. Ich bin oft genug in Berlin. Ich war jetzt zwei Wochen auf Pressetour und du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als ich durch die Ortseinfahrt von Heusenstamm gefahren bin. So glücklich ist da schon lange keiner mehr durchgefahren. (lacht) Aber ich hab mir nur gedacht: »Gleich kommst du in deine blöde Wohnung, legst dich in dein blödes Bett, machst dir schön ‚ne Schüssel Kellog’s, guckst die ›Simpsons‹ und schläfst ein.«

  • Was lief gerade im Radio, als du am Ortschild vorbei bist?

  • Ich hör nachts auf YouFM immer so eine Sendung, in der Leute ihre Probleme erzählen – Domian für Arme quasi. Da lief jetzt nicht Drake mit »Hold On We’re Going Home«, sondern irgendwer hat erzählt, wie sein Vater ihn als Kind mal Arschloch genannt hat. (lacht)

  • Lass uns mal über das ästhetische Erscheinungsbild von »Pubertät« sprechen. Du hast ja zu jedem Song ein eigenes Cover entworfen. Überhaupt ist alles sehr mit Liebe zum Detail gemacht, auch die Track-by-Track-Videos. Der Typ im Video bist ja du, aber du bist ein bisschen hyperaktiver als sonst.

  • Ich trage ja auch das Cape und bin ein bisschen autistischer.

  • Ein bisschen wie Mario auf Stern, ja?

  • (lacht) Mario auf Stern. Der Mario ist wieder auf Stern!

  • Aber Rockstah mit Cape durchlebt ja nicht seine Pubertät auf dem Album, oder?

  • Ich glaube, auf »Pubertät« zeichnen sich zwei Filme ab. Da gibt’s zwei Videos, die total auf die Fresse gehen. Und dann gibt es ein tiefsinniges Video, bei dem ich das Cape nicht trage. Ich glaube, dadurch habe ich die Möglichkeit, mir meine Tiefsinnigkeit zu bewahren. Da kann ich auch weiterhin dieses Pop-Dingens machen …

  • … was du ja schon seit 2007 immer wieder tust.

  • Das ist ja auch Quatsch, dass Leute jetzt sagen, ich würde meinen Arsch für Popmusik verkaufen. Das ist echt so eine Lüge. Bei YouTube stand neulich unter dem Video zu »Astronaut«, ich würde »richtige Tobiasmusik« machen. (lacht)

  • Gibt’s noch mehr lustige Kommentare?

  • Ich lese das eigentlich nicht mehr – um mich selbst zu schonen. (lacht) Weil irgendein Tobias dann von der Arbeit nach Hause kommt, ungevögelt ist und dann frustriert so einen Kommentar schreibt. Da sind die 99 anderen, positiven Kommentare dann auch egal.

  • Du pflegst ja generell ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu deinen Fans.

  • Das ist es ja! Ich habe eine öffentliche E-Mail-Adresse, info@rockstah.de, und meinst du, da wäre einmal so ein Kommentar gekommen? Wobei, doch, einmal gab es einen Kommentar, weil jemand sauer war, dass ich das – wohlgemerkt falsche – Ende von »Batman« gespoilert habe. (lacht) Wegen einem Tweet! Wegen drei Wörtern! »Batman ist tot.« (lacht)

  • Da wäre man doch früher nicht drauf gekommen, als Fan solche Sachen zu schreiben!

  • Na, eben. Das sag ich ja immer. Das gehört sich nicht. Derjenige wird sich doch was dabei gedacht haben. Vielleicht verstehe ich es ja auch nicht. Vielleicht gefällt es mir nicht. Aber ich gehe doch nicht zu dem hin und sage: »Du hast nicht das gemacht, was ich wollte.«

  • Aber wenn man wie du seinen Fans eine solche Nähe wie durch die Nerdy Terdy Gang suggeriert, gibt man ihnen ja die Möglichkeit, genau das zu machen.

  • Die Leute, die sich beschweren, kenne ich nicht mit Namen. Von meinen Fans kenne ich locker 150 bis 200 mit Namen. Wenn ich deren Namen lese, weiß ich, dass die zu mir gehören. Es gibt ja auch Leute, die schon fünf- oder sechsmal bei mir im Shop bestellt haben. Da lege ich dann auch mal eine persönliche Nachricht dazu. Aus dieser sehr engen Künstler-Fan-Bindung ergeben sich ja auch Sachen. Über Nico, der früher nur ein Fan und heute ein Kumpel ist, habe ich meinen neuen Produzenten Silkersoft kennen gelernt. Aber für so was muss man eben auch mal zuhören und die Leute nicht immer nur als Fans abtun. Wenn jemand von sich behauptet, der größte Rockstah-Fan der Welt zu sein, dann weiß ich, ob er es wirklich ist. Ich sehe schließlich, was ihr in euren Warenkorb legt. (lacht) 

  • Gab es da eigentlich schon mal seltsame Bestellungen?

  • Es gab ganz am Anfang, also 2007, mal einen sehr verstörenden Vorfall. Da hat ein Fan, der auch selber gerappt hat, seiner Freundin ein schwarzes Shirt mit dem alten, goldenen Rockstah-Logo drauf geschenkt. Und irgendwann hat er mir ein Bild geschickt. Darauf war seine Freundin zu sehen, der er gerade offensichtlich ins Gesicht ejakuliert hat. Unten war noch seine Pimmelspitze im Bild. Und dabei stand: »Sie ist dein größter Fan.« Mit einem Zwinkersmilie! Aber so was ist danach nie wieder passiert. (überlegt kurz) Für die Kulisse von »Astronaut« habe ich meinen alten PC als Raumschiff verbaut. Irgendwo hängt also auch die Festplatte an der Wand, auf der dieses Bild ist. (lacht)