Levon Supreme »Ich habe Nikolai nichts alleine machen lassen.«

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Neben Nikolai Potthoff ist Levon Supreme der zweite wichtige Mann hinter »Nix mehr egal«, dem Majordebüt von Ahzumjot. Dass er im Gegensatz zu Nikolai noch nicht auf jahrelange Erfahrung hinter den Boards zurückgreifen kann? Geschenkt. Dafür kennt Levon Supreme Ahzumjot seit der 7. Klasse und weiß, was sein BFF in Sachen Beats benötigt. Dass er am Puls der Zeit produziert, hat er bereits mit Arbeiten für Kollegen wie Olson, Rockstah und Maxat unter Beweis gestellt. Ein Gespräch über seine Anfänge mit Fruity Loops, die Andersartigkeit seiner Beats und die Durststrecken während der Entstehung von »Nix mehr egal«.

  • Wie hast du Ahzumjot denn kennen gelernt?

  • In der 7. Klasse. Da haben wir uns einmal gesehen und draußen Basketball gespielt. Ab der 9. Klasse waren wir dann auch in einer Klasse und haben ziemlich viel zusammen abgehangen. Wir haben dann derbe viel Musik gehört und uns immer gegenseitig Sachen gezeigt und gefragt, wie wir dieses oder jenes finden. 

  • Zum Beispiel?

  • Größtenteils war das schon Ami-Kram. Zum Beispiel The Game oder T.I. – »Why U Wanna« fanden wir zum Beispiel richtig krass. 2006 habe ich dann ganz krass das »Press Play«-Album von Diddy gefeiert. Auf dem ist ein Song, der »Special Feeling« heißt. Und das ist unser Song. Den haben wir totgehört. (lacht)

  • Und wann habt ihr dann angefangen, selber Musik zu machen?

  • Mit elf hatte ich bereits Klavierunterricht. Meine Lehrerin war sehr streng, aber auch sehr herzlich. Das ging dann los mit Tonleitern und dem Buch »Der Tastenlöwe«. (lacht) Aber ich habe nie darüber nachgedacht, Beats zu machen. Irgendwann hat Ahzumjot mir aber seine ersten Songs gezeigt, die er mit dem Headset aufgenommen hat. Die klangen zwar hart nach Kool Savas, aber waren schon ganz geil. Ungefähr zur gleichen Zeit hat er auch angefangen, Beats mit Fruity Loops zu bauen. Irgendwann saß ich dann mal bei ihm rum und er meinte: »Ey, Lev – ich hab hier so Streicher. Kannst du mir dafür mal die Akkorde klicken?« Ahzumjot hat zwar die Drums immer ganz geil hinbekommen, hatte aber null Ahnung von Harmonien. (lacht) Aus dem Beat ist nie was geworden, aber von dem Moment an hatte ich richtig Bock. Im Klavierunterricht habe ich dann auch nur noch Sachen aus dem Kopf gespielt und meine Lehrerin in den Wahnsinn getrieben. (lacht) Ich habe mir dann ein MIDI-Keyboard gekauft und Ahzumjot erst mal gefragt, wie das überhaupt alles funktioniert. Aber er hatte nie Bock, mir irgendwas zu erklären. (lacht)

  • Es gab damals ja noch keine YouTube-Tutorials für »Drake Type Beats«.

  • Genau! Ich hatte keine Ahnung von Arrangements oder so. Am Anfang habe ich Ahzumjot noch das Projekt geschickt und er hat mir das alles schön arrangiert. (lacht) Es war auf jeden Fall ein langer Weg.

  • Und auf welchem Release hattest du dann deinen ersten Beat?

  • Ahzumjot und PRZ haben vor dem »Schlechte Menschen«-Album noch eine EP gemacht. Und den Song »Weit entfernt« habe ich produziert. Den mag ich auch heute noch sehr gerne. Als der fertig war, habe ich den damals die ganze Nacht auf Repeat durchgehört. Da war ich richtig stolz. (grinst)

  • Bei »Schlechte Menschen« warst du dann auch mit dabei, oder?

  • Ja, bei einem Song. Der hieß »Eckige Klammer auf drei«. Was ja eigentlich »Spitze Klammer auf drei« heißen müsste, weil es dieses Herz darstellen soll. (lacht)

  • Stimmt! Mich hat damals krass genervt, dass die das falsch gemacht haben.

  • Digga, das hat auch niiiemand verstanden damals. (lacht) Aber zu der Zeit habe ich dann auch kaynBock und FiST kennengelernt, mit denen Sachen gemacht und auch für Rockstah produziert.

  • Für Maxat hast du auch Beats gemacht, oder?

  • Ja. Den habe ich das erste Mal auf seinem »Zu viel für Deutschland«-Album gehört und war sofort begeistert. Klar, der ist auch Russe. Aber dem glaub ich alles, was er rappt. Ein richtig sympathischer Typ. Und der hat irgendwann mal einen Remix-Contest veranstaltet, bei dem ich mitgemacht und gewonnen habe. Wir haben sehr viel Kontakt und werden in Zukunft hoffentlich noch einiges zusammen machen.

  • Danach kam dann aber nicht mehr so viel, oder?

  • Ich habe generell noch nicht so viel gemacht. Bei »Nix mehr egal« war ich das erste Mal richtig am Start.

  • Warum eigentlich?

  • Ich habe mit der Zeit schon einen eigenen Sound entwickelt. Aber auf den kommen viele Leute nicht richtig klar. Das ist heute noch so. Wenn ich Beats verschicke, dann höre ich oft: »Der ist überkrass, aber nix für mich.«

  • Ich finde deine Sachen halt richtig super.

  • Ja, aber du hörst auch viel internationale Musik aus allen möglichen Bereichen. Aber wenn du einem durchschnittlichen deutschen Rapper einen experimentellen Beat schickst, ist der total damit überfordert.

  • Eigentlich ja fast schon traurig.

  • Voll. Es gibt halt ein paar Sachen, die immer funktionieren: laute Kickdrum, knallige Snare, viel Bass, schnelle Hi-Hats. Aber ich mag halt ruhige und melodische Sachen und das raffen nur wenige deutsche Rapper wie Ahzumjot, Crusoe oder eben Maxat. Deswegen war Ahzumjot auch klar, dass ich auf jeden Fall bei »Nix mehr egal« dabei sein soll. Aber es war uns beiden auch klar, dass wir das nicht zu zweit hinbekommen würden. Ich hätte mir das auch nie zugetraut. Wir brauchten also einen Profi. (lacht) Und das war dann Nikolai Potthoff.

  • Erinnerst du dich noch an das erste Treffen?

  • Das war im Januar oder Februar 2013. Wir wollten an dem Abend einfach nur chillen und ein bisschen Musik hören. Wir kannten uns ja alle nicht. Ahzumjot und ich hatten uns ein paar Monate nicht gesehen, Nikolai und er hatten auch erst zwei Treffen. Und irgendwie kamen wir relativ schnell schon auf unsere Beatskizzen zu sprechen und wir haben ihm die eine Skizze vorgespielt. Er war so: »Lass machen!« Dann haben wir, statt zu quatschen, direkt den ersten Song angefangen und waren danach sehr euphorisch. Das war »Besser jetzt als spät«. In dem Song ist ja dieses Klatschen zu hören. Bei mir war das ein Sample, das sich immer wiederholt hat. Und Nikolai meinte direkt: »Wir brauchen ein echtes Klatschen.« Dann standen wir im Raum rum und haben alle drei drauflos geklatscht. Ihm war das Ding dann noch zu langsam, also haben wir es schneller gedreht. Danach hat Ahzumjot die Drums am Schlagzeug eingespielt und darüber gesungen, wir haben die Tonart nachträglich noch verändert, die ganzen Synthies neu eingespielt und hatten so am ersten Abend schon eine echt gute Basis.

  • Wie ging’s dann weiter?

  • Wir waren dann drei Monate lang fast jeden Tag im Studio und das war die geilste Zeit in der Albumproduktion. Wir waren alle drei sehr motiviert und es lief richtig gut. Alles, was wir gemacht haben, klang geil. Ich habe noch Handyvideos davon, wie wir »4 Minuten« produziert haben. Während wir den gemacht haben, hatte ich die ganze Zeit Gänsehaut. Wir haben in diesem ersten Produktionsblock das halbe Album fertig gemacht. Aber gegen Ende wurde es dann echt schwierig. Wir hatten ein Konzept und mussten uns an eine bestimmte Linie halten. Und: Wir hatten schon so viele gute Sachen, dass das noch zu toppen echt schwierig war. Aber es war immer noch geil.

  • Was war dann deine Aufgabe im Produktionsprozess?

  • Wir haben die Songs zusammen geschrieben. Nikolai und ich haben einfach angefangen, irgendetwas zu machen. Den Vocal-Loop bei »4 Minuten« haben wir in einer anderen Skizze von uns beiden entdeckt und sofort rausgezogen. Dann habe ich dazu Klavier gespielt. So ging das die meiste Zeit: Sachen hören und machen. Ausprobieren, schreiben, verwerfen – und wieder von vorne. So lange, bis irgendwas Geiles dabei herauskommt. Wie bei dem Ende von »Wann bin ich dran«: Da habe ich nur aus Spaß vor mich hingespielt. Aber es klang so geil, dass wir das dann eingebaut haben. Ob man das jetzt Produzieren nennen kann, weiß ich gar nicht. Aber ich habe Nikolai nichts alleine machen lassen – außer die Songs, die halt von ihm stammten. (lacht) Aber wenn mir die Kick nicht gefallen hat, haben wir eine neue gesucht, einen Kompressor draufgelegt oder ein paar Tiefen weggenommen. Nikolai hat das alles federführend gemacht, aber ich habe mich überall eingemischt und meinen Senf dazu abgegeben. Das war mir auch sehr wichtig. Ich glaube, ich habe zwischendurch alle genervt, aber am Ende war jeder zufrieden. 

  • Gutes Thema: Geht man sich im Laufe so einer Produktion auch mal auf den Sack?

  • Voll! Wir hatten zwischenzeitlich richtig Ärger. Es gab eine Phase, in der war fiese Stimmung. Ich weiß nicht mal mehr, warum. Du sitzt halt ständig aufeinander und dann ist diese Anfangseuphorie auch weg. Da denkst du dann: »Digga, jetzt nerv nicht. Mach doch mal weiter, anstatt am MacBook abzuhängen.« Irgendwann sagt man sich auch straight die Meinung und streitet sich auch gerne mal. Aber dann rauft man sich auch wieder zusammen und lacht darüber.