Ahzumjot »Ich bin froh darüber, dass ich nicht aus der heutigen Generation komme.«

Anlässlich der VÖ seiner »Minus«-EP sprach Jan Wehn mit Ahzumjot. Das Interview über Majors und DIY, die eigene Historie, Ruhm und Frust gibt es in Auszügen schriftlich und zur Gänze als Stream zum Anhören.

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Ahzumjot macht nach einem kurzen Ausflug zum Major wieder alles selbst. In bester »Monty«-Manier veröffentlicht er auf dem DIY-Dienstweg die »Minus«-EP – und auf der hört man weder versöhnliche Radio-Singles noch überambitionierten Stadion-Rap, sondern HipHop in seiner reinsten Form. Komplett selbst produziert, rappt Ahzumjot sich seinen Frust von der Seele und verarbeitet gekonnt die letzten Jahre, in denen er erst als das nächste große Ding gehandelt und dann mit dem Arsch nicht mehr angeguckt wurde.

Im Interview mit Jan Wehn spricht Alan Asare darüberhinaus über seine Anfänge als AJay und seinen spannenden Weg ins Hier und Jetzt. Das Gespräch ist in verkürzter Form nachfolgend als Fließtext zu lesen – die ganze Wahrheit brutto gibt’s zum Anhören auf dem ALL GOOD-SoundCloud-Channel.

 

  • Wir haben ein Interview zu deinem letzten Album für die »Intro« geführt und damals auch ein bisschen über deine Anfänge gesprochen. Du hast mir damals erzählt, dass von diesen Anfängen gar nicht mehr so viel übrig ist. Woran liegt das denn?

  • Oh, das ist ja schon fast eine tragische Geschichte, warum davon nichts mehr übrig ist. Ich bin ja nicht aus der Generation Taperecording, sondern habe 2005 angefangen und alles auf dem Computer aufgenommen. Ich habe damals natürlich noch bei meiner Mutter gelebt und als ich irgendwann ausgezogen bin, habe ich meine Sachen noch bei ihr gehabt. Dementsprechend lagen die Sachen dann jahrelang bei ihr im Keller in Kartons herum. Unter anderem waren da auch viele Manga-Zeichnungen und selbstgemachte Radiosendungen auf Kassette von mir bei. Meine Mutter ist ja aus Rumänien und ist irgendwann auch wieder dorthin zurückgezogen. Dann hat sie die Kartons weggeschmissen, weil sie dachte, ich würde das nicht mehr brauchen. Schließlich habe ich mich da auch nie drum gekümmert. 

  • Was war das denn? Waren das einzelne Songs oder komplett fertige Alben und Mixtapes?

  • Das erste, was ich gemacht habe, war eine EP. Die hatte, glaube ich, fünf Songs und hieß »Auf dem Weg, aus dem Weg«. (Gelächter) Wenn ich mich recht erinnere, waren das Songs auf Beats von Kool Savas wie »Da bin, da bleib«. Da war aber auch ein Beat von mir drauf, fällt mir gerade ein. Der war ganz finster.

  • »Ich hatte sauviel Musik, aber habe das immer für mich behalten.«Auf Twitter teilen
  • Womit hast du den gemacht?

  • Mit Fruity Loops. Ich habe damit angefangen und immer weitergemacht. Dann kam die legendäre – und da wird Crueso jetzt auf jeden Fall lachen – »Stadt«-EP. Die kennt er nicht, aber er kennt einen Refrain, weil ich den immer noch im Kopf habe. Der Song hieß »Stadtrundfahrt«. (Gelächter) Da habe ich die Stationen meiner Jugend anhand der Stadt Hamburg abgeklappert, was eigentlich ein interessantes Konzept war. Aber der Song war so beschissen. Den Beat habe ich mit Reason gemacht. Jemand, den ich kannte, hat seine Beats mit Reason gemacht und ich fand die krass. Für mich war es dann logisch, dass die Beats deshalb so krass sind, weil er mit Reason arbeitet. Ich kannte halt niemanden, der mit Fruity Loops geil produziert und deswegen war mir klar, dass es an Reason liegen muss. Dann habe ich »Stadtrundfahrt« gemacht und gemerkt, dass es nicht daran liegt. (Gelächter) Danach habe ich dann gesagt: »Ich muss ein Album machen. Die Leute warten drauf.« Damals hatte ich nicht mal MySpace, das war alles nur für meine Jungs. Ich bin auch froh darüber, dass ich nicht aus der heutigen Generation komme. Bei einem Sierra Kidd merkst du zum Beispiel, dass seine ersten Sachen, die er gemacht hat, alle im Netz sind. Das sind Sachen, mit denen er erfolgreich geworden ist und seinen Hype bekommen hat. Ich kann mir vorstellen, dass er, wenn er so alt ist wie ich, zurückdenkt und sagt: »Fuck, was habe ich denn damals für Zeug gemacht?« Dazu muss man auch sagen, dass mein Zeug von damals, als ich 16 war, auch echt nicht vorzeigbar war. Das Album hieß »Eine neue Ära« und da war auch ein Magix-Music-Maker-Beat drauf. Mit dem Album bin ich auch schon aufgetreten – und zwar auf meiner eigenen Schule. Ich habe so viel Zeug gemacht. Es gab sogar ein Remix-Album zu »Eine neue Ära«. So wie bei Savas‘ »Die besten Tage sind gezählt«.

  • Die Beginner haben damals auch erst »Bambule« und dann »Boombule« rausgebracht.

  • Ich habe gedacht, ich müsse das auch so machen. Deswegen hatte »Eine neue Ära«, als es noch nicht mal fertig und draußen war, schon ein Remix-Album. Das hatte alles natürlich niemand, weil ich das nicht verschickt habe. Ich hatte sauviel Musik, aber habe das immer für mich behalten und deshalb gibt es die Sachen nicht mehr. Ich habe es den Leuten immer nur gezeigt, aber ihnen nie gegeben.

  • Wir kommen gleich noch zu einem dieser frühen Releases. Vorher wollte ich noch wissen: Du hast Levon Supreme 2006 kennengelernt, oder?

  • Ne, Lev kenne ich seit 2003.

  • Er hat mir erzählt, dass euer gemeinsamer Song »Special Feeling« von Diddy ist.

  • Woaaaaah, Alter! Ja, Mann! Der ist heftig… dumm. Dann kommt das mit deinem 2006 aber auch hin. Wir kannten uns zwar schon länger, aber so richtig befreundet waren wir erst mit 15 oder 16. Davor waren wir auf einer Schule und cool miteinander. Das mit der Musik war dann ein gemeinsamer Nenner, der sich erst später herauskristallisierte. Du fängst ja auch erst mit 15 oder 16 an, dir wirklich differenziert Gedanken darüber zu machen, was für Musik du hörst. Meine erste HipHop-Platte habe ich mit elf gehört und natürlich habe ich mir da auch Gedanken drüber gemacht – aber man hat das auch gemacht, weil es cool war, Eminem zu hören. Als Lev und ich uns dann so richtig kennengelernt haben, war das schon fast Nerd-Talk, Digger. Wir haben irgendwelche Freestyles im Internet gefunden, die niemand kannte. Wir haben uns diese ganzen Rap-City-Basement-Videos ausgecheckt und haben denselben Film gefahren.

  • »Wohnzimmercouch« war dann das erste Release, von dem man Überbleibsel im Internet findet, oder?

  • Ja, das stimmt. Aber davor kam noch ein Release: »Shit Happens Vol. 1«. Es gab natürlich nie »Vol. 2«. Aber über das Mixtape habe ich in dem Sinne Rockstah kennengelernt. Der hat zu dem Zeitpunkt ein wahnsinnig beschissenes Kollabo-Projekt mit Psaiko.Dino gehabt. Weißt du noch, wie das hieß? 

  • Sportfreunde Lauter, oder so?

  • So haben die beiden sich genannt – und ich glaube, das Tape hieß auch so. Das war zu der MySpace-Zeit und ich weiß nicht, wie er mein Zeug gefunden hat, aber ich habe mir dann auch seine Sachen angehört und irgendwie haben wir uns beide gefeiert. Obwohl das alles zum Kotzen war. »Shit Happens Vol. 1« besitze ich sogar noch. Hast du jemals was davon gehört?

  • Ich glaube, du hast mir mal irgendwann etwas aus dem Dingen gezeigt.

  • Das wäre doch fast mal ein Zeitpunkt, um etwas daraus vorzuspielen… Der Song heißt »Hier ist die Kacke am Dampfen«. (Song läuft)

  • Das ist stark. Ganz klare Inspiration: Dipset, Jay Z und Savas. Adlib Game: komplett Levels!

  • Mehr Adlibs als heute. (Gelächter)

  • So hat man zu der damaligen Zeit eben gerappt.

  • Das war das erste, was ich so wirklich publik gemacht habe. Durch MySpace hatte ich eben die Möglichkeit dazu. Davor gab es so ein Portal ja noch nicht.

  • »Mehr Adlibs als heute.«Auf Twitter teilen
  • Doch, es gab MyOwnMusic.

  • Ich bin ganz ehrlich, ich habe den Account erst vor einem Monat gelöscht.

  • Gibt es das noch?

  • Wenn ich mich recht erinnere, dann gibt es das noch.

  • Ich habe lange nicht danach geguckt, aber damals – das muss so 2003 gewesen sein – habe ich dort ein paar gute Rapper entdeckt. Jamin Stab gab es zum Beispiel. Oder Beat-El. Der hatte einen Song, der »Gefährliche Liebschaft« hieß.

  • Die kenne ich nicht. Aber weißt du, wen ich damals für mich entdeckt habe? JAW.

  • Lass uns mal ein Stück weiter nach vorne gehen. Nämlich zu »Wohnzimmercouch«, das im Jahr 2007 erschienen ist. Auf dem Album haben Psaiko.Dino, Sam Exzellent und GEE Futuristic Beats beigesteuert – und Vasee, ein Sänger aus dem Stuttgarter Raum, der vor ein paar Jahren mit Tua das Album »Evigila« gemacht hat, war als Featuregast dabei. Wie kam das denn zustande? Das ist jetzt eine richtige TV-Strassensound-Frage. (Gelächter)

  • Da muss ich noch mal ein bisschen ausholen. Aber dafür ist das Format ja ganz gut. Tua war der erste bekannte Rapper, den ich kennengelernt habe – und zwar schon zu der »Shit Happens«-Zeit. Das war in Hamburg auf einem Gig von Leuten aus meiner alten Gegend Billsted-Horn. Bei dem Konzert stand plötzlich Tua neben mir im Publikum. Ich habe zu ihm rübergeguckt und meinte: »Digger, bist du nicht Tua?!« und er so: »Ja.«. Meine erste Frage war tatsächlich »Was sollte der Scheiß mit den Zetteln bei ›Feuer über Deutschland‹?« (Gelächter)

  • der Rest des Interviews ist hier als Audio-Stream verfügbar.