Ufo361 »Früher war Kreuzberg ein Dorf, jetzt ist es eine Metropole.«

Ein junger Problemviertelbewohner mit krimineller Vergangenheit, der rappt. Sofort hat man ein Bild im Kopf. Dann jedoch erscheint Ufo361 auf der Bildfläche und macht alles anders, als das Klischee es eigentlich verlangt.

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In seinen Videos ist er gefühlt durchgehend am Grinsen und gestikuliert wild. Auf seinem neuen Album »Ihr seid nicht allein« sucht man vergebens die Straßenrap-Betongeige, die man möglicherweise erwartet hatte – vielmehr holt Ufo gern mal die funky Oldschool-Klatsche raus. Vielleicht liegt es daran, dass sich in Ufos Heimat Berlin ein Problemviertel schnell mal in einen Szenekiez verwandelt und in seiner ehemals problematischen Hood jetzt Medienpraktikanten Sneakerkreisel fotografieren. Oder daran, dass Ufos kriminelle Vergangenheit maßgeblich mit seinem Dasein als Graffiti-Sprüher zu tun hatte und er ein HipHop-Head durch und durch ist. Jedenfalls macht Ufo Rap völlig anders als die anderen.

  • Du bist erst 25 Jahre alt, aber rappst unter anderem darüber, dass du 1996 beim 1. Mai in Kreuzberg dabei warst, du nennst geschichtsträchtige Namen wie Islamic Force. Woher kommt dieser Einfluss?

  • Durch mein Umfeld. Ich hatte einen älteren Verwandten, mit dem bin ich viel rumgehangen, als ich zwölf war. Davor hatte ich nur 2Pac mitgekriegt, aber er schleppte dann ein Album von Islamic Force an. Und ich bin eben in Kreuzberg aufgewachsen. Schon mit acht Jahren hab ich gesehen, wie die Kanaken mit schwarzen Klamotten an der Ecke stehen und im Ghettoblaster läuft Cartel oder Islamic Force. Ich hab diese Zeit zwar nicht aktiv mitgemacht, aber dadurch und später vor allem durch Graffiti wurde ich geprägt, was HipHop angeht. Graffiti war mein erster direkter Kontakt zu HipHop.

  • Wie kann man sich das vorstellen, in den Neunzigern in Kreuzberg aufzuwachsen? Den Erzählungen nach haben dort damals vor allem Türken und Punks gelebt.

  • Ja, so in etwa war das auch. Die waren auch cool miteinander. Die beiden Gruppen hatten eben dieselbe Einstellung, was Nazis und die Polizei betrifft – und deshalb hat man sich schon verstanden. Klar, was Klamotten und so angeht, war das gar nicht so. (lacht) Aber wenn es Demos gegen Nazis gab, dann war man auf derselben Wellenlänge. Mittlerweile ist das ja nicht mehr so. Mit den Leuten, die jetzt in Kreuzberg leben, hab ich nicht mehr viel gemein. Gut, das Essen ist ein bisschen besser geworden – wenn du denn acht Euro für einen Kartoffelpuffer ausgeben willst. Aber früher war es viel mehr als das: Du kanntest fast jeden, man kannte Punker beim Namen, Punker kannten dich beim Namen. Jetzt ist es schon fast ein Wunder, wenn du mal einen Punker triffst. Es hat sich schon krass verändert. Früher war Kreuzberg ein Dorf, jetzt ist es eine Metropole.

  • »Ich hab gesprüht, gerappt und getanzt. Wenn ich noch Beatbox machen würde, dann wäre ich quasi HipHop in Person.«Auf Twitter teilen
  • Stört dich diese Veränderung?

  • Eine Weile hat mich das schon gestört. Bis ich in Amsterdam war, mit ein paar Kollegen von dort geredet und festgestellt hab, dass es die dort viel härter getroffen hat und immer noch trifft. Dort können mittlerweile alle Englisch sprechen, weil es ohne einfach nicht mehr geht. Und einer meinte dann eben auch zu mir: »Was willst du denn eigentlich hier? Geh mal zurück in deine Stadt!« Ey, ich will hier nur ein bisschen Gras rauchen und chillen – ich zieh nicht hier her, keine Sorge. (lacht) Aber es war unangenehm, nicht erwünscht zu sein; zu spüren, dass die mich da nicht wollen. Und so wollte ich nicht selbst mit den Leuten umgehen, die nach Kreuzberg kommen. Es sind ja nicht alle Zugezogenen gleich Wichser. Da sind ja auch viele coole Leute dabei. Den Slogan »Du bist kein Berliner« meine ich auf keinen Fall negativ. Na und, dann biste halt kein Berliner. Dafür bin ich kein Schweriner. Und seitdem ich diese Einstellung hab, denke ich mir: Mensch ist Mensch. Mich stört es aber, wenn bestimmte Grenzen überschritten werden. Wenn mein Vater jetzt aus der Wohnung gekickt wird, weil die Miete zu teuer wird, dann bringt das für mich das Fass zum Überlaufen. Und da kann ich nicht gechillt bleiben.

  • Wie hat dich Kreuzberg geprägt?

  • Ich bin, ehrlich gesagt, in ganz Westberlin groß geworden. Bis 2000, als ich circa 13 war, haben wir in Kreuzberg gelebt. Und da ging es ja schon langsam los, da sind immer mehr Leute hergezogen. Ich hab in Neukölln, Charlottenburg und Schöneberg sehr viele Leute kennengelernt, auch durch Graffiti. Im Osten kenne ich mich hingegen gar nicht aus. Ich bin halt ein typischer Westberliner. Und das verkörpere ich, ob ich will oder nicht.

  • Warum machst du eigentlich keinen typischen Straßenrap, obwohl du auch einen entsprechenden Hintergrund hast?

  • Ich hab einfach keinen Bock, alles in der Musik darauf zu beziehen und mich dadurch einzuschränken. Ich kenne diese ganzen Geschichten. Ich weiß auch, dass wenn du ein Kilo verkaufst, nicht mehr als 4,50 pro Gramm zahlst, damit du deine 70 Cent pro Gramm machst. Ich weiß, wie man einen Einbruch macht. Wie man einen Tipp so auscheckt, dass man einen Praktikanten einschleust, um an den Safe zu kommen – solche Geschichten hab ich auch hinter mir. Aber das ist nicht das, was ich mit der Musik in Verbindung bringen kann und will. Weil ich mir denke: entweder das oder Musik. Du kannst nicht andauernd davon erzählen, wie viele Kilos du verkaufst. Oder wie krass die Straße ist. Das weiß ich ja alles. Aber darüber zu rappen ist für mich null einfallsreich, null interessant. Und wenn mein Bruder oder meine Mutter in die Songs hören, dann denken die sich ja sonst was. Ich war ja auch mal für kurze Zeit in Arrest, hab viele Anzeigen bekommen und hatte bestimmt schon zehn Hausdurchsuchungen. Das hat gereicht. Ich bin da ein bisschen wie Snoop Dogg, würde ich sagen. Er hat früher bestimmt eine Menge Scheiße gesehen und weiß, was abgeht. Aber er macht dann eben auch mal »Sexual Eruption«. Das Ding ist: Ich will meinen Horizont erweitern.

  • Auf deinem Album zitierst du Flows vom »Wild Style«-Soundtrack, man hört Namen wie Wu-Tang Clan und 2Pac, du verwendest teilweise Funk- und Boombap-Beats. In deinem Alter müsstest du doch viel neuere Sachen gehört haben und ganz anders drauf sein.

  • Das kommt unbewusst. Wenn ich einen persönlichen Song machen will, dann fange ich nicht an zu erzählen, dass mein Vater krank ist, meine Mutter vor lauter Arbeit keine Zeit hat und mein Bruder nie für mich da war. Wenn ich über so etwas nachdenke, kommt diese HipHop-Sache aus mir raus: Was hab ich HipHop-mäßig über mich zu erzählen? Das war halt dann 2Pac, das war halt Graffiti, das waren die Beastie Boys, Beats von Madlib, geile Drum-Loops. Dass ich das alles so aufgenommen habe und auf funky Sachen stehe, kommt eigentlich aus dem Graffiti. Da stehen eben Mittdreißiger an der Wand, die beim Sprühen Midnight Star hören. Als ich das gehört hab, dachte ich: Was sind das für geile Drums? Was sind das für geile Synthies, was für ein geiler Bass? Und warum gibt es so was nicht im deutschen Rap? Und das verkörpere ich dann eben, ohne groß drüber nachzudenken. Auf dem Album wollte ich aber unbedingt eine Funk-Nummer drauf haben, weil ich Funk übertrieben feiere.

  • »Wenn du es nicht schaffst, dir hier eine Wohnung zu kaufen und deine Familie da unterzubringen, dann wirst du irgendwann verdrängt.«Auf Twitter teilen
  • Du gehörst auch zur Graffiti-Crew THC, die auch aktuell noch sehr präsent ist in Berlin. Warum fängt man als Zwölfjähriger mit Graffiti an?

  • Es war ein Sonntag, ich bin raus aus der Tür und da stand so ein Typ an einer Kreuzberger Wand und hat ein buntes Piece gemalt, einfach so tagsüber. Die Leute aus dem Hof kamen angerannt, um zu kucken, was der da macht. Aber der hat einfach weiter gesprüht, als ob es legal wäre. Keiner hat was gesagt, nicht mal der Hausmeister. Ich war nicht so von den Farben oder von dem Bild angetan, das hab ich damals noch gar nicht gecheckt. Ich hab vor allem die Aufmerksamkeit bemerkt, wie alle um ihn herumstanden – ich wollte am liebsten selbst dort stehen. Dieser kindliche Drang, Aufmerksamkeit zu kriegen, das war mein erster Kontakt mit Graffiti. Und dann hatten wir irgendwann einen Todesfall in der Familie, und wir haben angefangen, seinen Namen an die Wände zu schreiben. Und daneben hab ich eine Türkeifahne gesprüht, weil mein Kumpel halt eine rote Dose hatte. (lacht) Mit der Zeit hab ich dann angefangen, das Ganze aus der Sicht eines Writers zu betrachten: Ach, es gibt ja Buchstaben, ich brauche einen Namen. Hinter den setze ich dann eine 1, dann heiße ich UFO ONE – so geht das also! Und irgendwann war ich dann in einer Crew, die schon ein bisschen radikaler zur Sache gegangen ist, vor allem in Sachen Vandalismus.

  • In Sachen Gewalt aber auch.

  • Ja. Gewalt leider auch. Kriminelle Sachen halt, Einbrüche, Schlägereien, Diebstähle, Drogen. Jedenfalls war ich dann eben Gangmember, obwohl ich eigentlich nur Graffiti malen wollte. Ich hatte immer Leute, die für mich da sind, die mir einen guten Graskurs machen oder auch mal fragen, ob man Kohle braucht und bei einem Bruch mitmachen will. Jedenfalls war das mehr eine Gang als eine Writer-Crew. Das hat sich aber Schritt für Schritt so entwickelt, ohne dass mir das bewusst war. Als ich älter wurde, hab ich aber gecheckt: Ey, du kriegst Props von irgendwelchen Kiddies, weil du da und da viele Tags hast. Aber ist das überhaupt das, was du brauchst und was du willst? Es gibt natürlich Leute, die haben einfach nichts anderes, und das soll jetzt auch nicht von oben herab klingen. Aber für mich war es irgendwann nicht mehr wirklich cool, dafür Props zu kriegen. Danach hab ich angefangen, das Ganze für mich selbst zu machen: Ich gehe in ein Lay-up, male einen Train, fotografiere das Ding ab und dann is‘ gut. Scheiß mal auf Fame. Und diese ganze Szene ist jetzt auch nicht unbedingt so cool. Ich hab eben angefangen, mich in eine andere Richtung zu entwickeln.

  • Im Song »Seit dem ersten Tag« klingt es ein bisschen so, als würdest du die Graffiti-Zeit ein wenig bereuen.

  • Teilweise ist das so. Ich war Gangmember und in dieser Crew drin, ob ich wollte oder nicht. Wenn ein Junge aus meiner Crew jemandem Stiche gibt und der Typ fast verreckt, dann muss ich zu ihm stehen, obwohl es falsch war, was er getan hat. Und das sind Sachen, die ich keinem Menschen wünsche. Kein Mensch verdient es, wegen einer Graffiti-Aktion im Koma zu liegen, nur weil er jemanden gecrosst hat. Der Typ wäre fast krepiert, Alter. (Ufo spielt auf einen Vorfall von 2006 an, bei dem der Rapper und Sprüher Mach One lebensgefährlich verletzt wurde; Anm. d. Verf.) Das ist etwas, das ich bereue. Außerdem hat mein kleiner Cousin angefangen, richtig viel zu sprühen. Ich fahre ja immer mit der U- und S-Bahn, kenne seinen Namen und merke, dass er grad richtig abgeht. Der ist erst 16 und malt schon Trains. Falls der irgendwann mal von einem Zug überfahren wird, dann werde ich mein Leben lang Schuldgefühle haben, weil ich derjenige aus der Familie bin, bei dem er das gesehen hat. Deswegen hab ich den Song aus der Perspektive eines großen Bruders erzählt, der versucht, seinem kleinen Bruder zu erklären, dass Graffiti nicht unbedingt das ist, was er denkt. Ich wollte erklären, was da eigentlich abläuft, wenn man ein Writer ist; was da passieren kann. Aber andererseits bereue ich die Zeit nicht wirklich, weil ich sonst nicht wäre, wie ich bin. Ich bin kein schlechter Mensch. Ich hab genügend Schlechtes gesehen, um richtig und falsch auseinander halten zu können.

  • »Ich ziehe die Outline nicht noch mal nach. Weil ich dann genügend Farbe habe, um dasselbe Ding gleich noch mal daneben hinzumalen.«Auf Twitter teilen
  • Wie sehr nimmst du Graffiti als Kunst wahr und wie sehr als kriminelle Betätigung?

  • Als Kunst hab ich das nie wirklich wahrnehmen können, weil ich einfach nicht der große Künstler war. Nach fünf Jahren wusste ich halt, wie man ein U, ein F und ein O malt. Aber wenn ich mal ein Z malen wollte, dann hab ich gemerkt: Scheiße, das hab ich ja noch gar nicht gemacht, weil es nicht in meinem Namen vorkommt. (lacht) Meine ganze Crew waren keine Künstler. Wenn du ein Bild siehst und dir denkst, das ist das geilste Piece der Welt, dann war es bestimmt keiner aus meiner Crew. Andere sehen sich halt mehr als Künstler und machen sich einen Namen, indem sie zum Malen überall auf der Welt rumreisen und das irgendwann professionell machen. Und so kommst du auch aus der Scheiße raus. Aber in meiner Crew saßen Leute auch mal fünf Jahre im Knast oder so. Erzähl denen mal, dass sie sich in irgendein Büro setzen und Grafiken zeichnen sollen, wenn sie noch nicht mal gerade Buchstaben an die Wand kriegen. Bei uns geht es um Präsenz – darum, dass der Name steht. Ich ziehe die Outline nicht noch mal nach. Weil ich dann genügend Farbe habe, um dasselbe Ding gleich noch mal daneben hinzumalen. Scheiß drauf, wie es aussieht. Hauptsache, wir haben noch ein Bild.

  • Wie verhält sich THC zu deinem Label Hoodrich? Das eine ist die Gang, das andere die Firma?

  • Ja, so in der Art. Hoodrich ist halt seriöser, das ist ein Geschäft. Im Musikgeschäft kann ich nicht jeden als Hurensohn beschimpfen, den ich nicht mag. Bei THC kann ich das machen. Da gehen für mich ja nicht gleich Türen zu, wie das in der Musikbranche passiert. In der Medienbranche ist das ja richtig hardcore: Wenn du einen falschen Satz zu jemandem sagst, und derjenige hat Macht in der Szene, dann brauchst du gar nicht mehr rappen. Wenn dir ein Typ von Sony einen Vertrag anbietet, den du nicht unterschreiben willst, dann sagst du ihm halt nicht, dass er sich ficken soll. Sondern da formulierst du so was nett und freundlich, damit du dir die Tür nicht zumachst. Das ist der Unterschied: Das eine ist Geschäft, das andere Straße.

  • Wie verhält sich das mit deinen Loyalitäten, was die beiden Sachen angeht?

  • Weißte, ich bin so ein richtiger Fahnenträger-Typ. Wenn es sein muss, trag ich die Fahne, bis ich sterbe. Auch wenn jemand aus meiner Crew abfuckt, dann bleibe ich trotzdem loyal. Egal, ob das nun THC oder Hoodrich ist. Und deswegen werde ich auch nie in einer anderen Rap-Crew sein. Auch wenn mir jetzt German Dream oder sonstwer 100.000 Euro anbieten würden. Lieber hab ich weniger, als dass ich dann Ufo von Maskulin bin oder so. (lacht) Und so war das bei Graffiti ja auch. Seit ich bei THC bin, hab noch nie für eine andere Crew gesprüht. Und ich bleib Hoodrich, bis es Hoodrich nicht mehr gibt.

  • Deinen von klein auf ansozialisierten HipHop-Background hat ja nun nicht jeder Rapper. Stört es dich, dass Rapmusik mittlerweile auch ohne diesen kulturellen Hintergrund funktioniert?

  • Seit ich denken kann, bin ich HipHop. Ich war sogar mal B-Boy als Kind, ich kann auch noch den Helicopter. Den müsste ich zwar noch ein bisschen üben, damit der gut aussieht, aber ich hab das alles erlebt. Ich hab gesprüht, gerappt und getanzt. Wenn ich noch Beatbox machen würde, dann wäre ich quasi HipHop in Person. (lacht) Das ist einfach mein Leben. Ich kann nicht so tun, als wenn es nicht so wäre. Aber wenn das bei vielen anderen Rappern nicht so ist, dann stört mich das gar nicht. Ob jemand nur gern Texte schreibt und deswegen Rapper geworden ist oder wirklich sein Leben für HipHop lebt, ist doch egal. Das kann jeder machen, wie er will. Und wer bin ich, darüber zu richten? »Du bist nicht HipHop, weil du hast noch nie gesprüht« – so was würde ich nie sagen. Es muss in dieser Szene ja auch Platz für jeden Künstler und Musiker geben.

  • Aber Hipster kannste nicht leiden, hab ich das richtig verstanden?

  • Wenn ich sage, dass ich Kreuzberger bin, und dann kommt jemand hier her und sieht niemanden, der so denkt und aussieht wie ich, sondern nur diese Hipsters, dann ist das halt komisch. Dann fahren irgendwelche Idioten mit Jackett und Hemd am Görli vorbei und machen sich lustig: »Das soll ein Ghetto sein?« Soll ich dich jetzt etwa vom Fahrrad klatschen und dein Handy klauen, damit du glaubst, dass das ein Ghetto ist? Oder bist du einfach mal zehn Jahre zu spät hergekommen, um mitzukriegen, wie radikal hier alles gesäubert wurde? Und das regt mich halt auf. Ich bin ja nicht der Dalai Lama und kann bei allem ruhig bleiben, sondern mich stört auch mal was. (lacht) Und das sind dann eben die Hipsters, weil die einfach mal unseren ganzen Bezirk eingenommen haben und hier rumrennen, als ob es Mitte wäre.

  • Glaubst du, dass dieser Prozess immer so weiter geht und irgendwann alle Menschen, die nicht richtig gut verdienen, irgendwo in Marzahn leben müssen?

  • Ja, das glaube ich schon. Wenn du es nicht schaffst, dir hier eine Wohnung zu kaufen und deine Familie da unterzubringen, dann wirst du irgendwann verdrängt. Bei meinem Vater passiert das gerade. Und ich werde wohl oder übel eine Wohnung hier in Kreuzberg nehmen, die 500 kostet, obwohl sie nur 300 wert ist.

  • Wie siehst du denn deine eigene Zukunft?

  • Ich werde mir auf jeden Fall den Arsch aufreißen, um mir meinen Platz zu erkämpfen und meiner Mutter und meinem Vater jeweils eine Wohnung zu kaufen. Am liebsten würde ich das natürlich mit Musik erreichen, aber ob das klappt, wird man sehen. Und wenn nicht, dann werde ich einen anderen Weg finden, um die 200.000 für ‚ne Wohnung aufzutreiben. Aber man weiß es ja nicht. Vielleicht schreib ich morgen eine Single, die durch die Decke geht, vielleicht schreib ich sie nie. Aber so wie ich arbeite, weiß ich, dass es irgendwie klappen wird.