Mieux »Es gibt keinen österreichischen Sound.«

Mit »Are U Happy« konnten Mieux nicht nur das Billboard-Magazin vom kosmopolitischen Stilmix aus Österreich überzeugen. Carlos Steurer traf das Eklektik-Duo um Felix Wolfersberger und Christoph Prager zum Gespräch.

Mieux

Als »Vienna’s rising dance duo« kündigte das Billboard-Magazin Mieux im Mai zur exklusiven EP-Premiere von »Are U Happy« an. Auch Gilles Peterson spielte in seiner Sendung gleich die ganze EP, weil er sich nicht für ein Stück entscheiden konnte.

Obwohl Mieux als Duo hier noch weit unter dem Radar fliegen, dürfte der nerdige Raphörer den beiden Salzburger Neuwienern als Einzelcharaktere bereits begegnet sein: Christoph scratchte auf »Versager ohne Zukunft«, dem Ösi-Rap-Klassiker von Kamp und Whizz Vienna, Felix fiel als Feux im MPM-Umfeld als Beat-Fighter und Digging-Experte auf und produzierte gerade das Hitalbum »Kirsch« von Crack Ignaz mit.

Als Mieux verfolgen die beiden einen anderen Ansatz, mischen indonesische Gamelan-Rhythmen mit Juke-Bässen und 808s zu zeitgemäßer Tanzmusik, die sich trotz weltlicher Einflüsse nicht im World-Music-Brei verliert und irgendwo zwischen den Style-Koordinaten Chicago, Rio und Wien zu verorten ist. Wir sprachen mit den beiden über die Sample-Untiefen des Internets, Österreichs musikalischen Nationalismus und Money Boys Schwester.

  • Ihr macht als Mieux tanzbare elektronische Musik. Stammt aber beide aus dem HipHop.

  • Felix: Meine ersten Produktionen waren straighte HipHop-Beats auf Sample-Loop-Basis. Also der klassische Ansatz.

  • Christoph: Bei mir auch. Ich war HipHop-DJ, hab am »Versager ohne Zukunft«-Album von Kamp mitgearbeitet und war eine Zeit lang sein Live-DJ. Auf dem Kamp-Album stehe ich fälschlicherweise als DJ Chrissi in den Credits. (lacht) Ich hieß aber eigentlich Minor Sick. Das Auflegen begann ich mit DJ Zuzee von den Waxolutionists. Österreich ist ja so klein, dass man sich schnell kennen lernt. Ich war nebenbei noch Bassist in einer Reggae-Band und schon immer im Rap sozialisiert. Das Sample-Diggen hat ziemlich schnell meinen musikalischen Horizont erweitert. Felix war auf dem Supercity-Blog sehr aktiv und hat da viel für geschrieben.

  • Felix: Ich bin eher aus dem Internet gekommen. Die ganzen Kontakte zur Szene haben sich eigentlich dort abgespielt – was mit Salzburg, teilweise aber auch mit meiner Art zu tun hat. (lacht) Das war größtenteils noch über MySpace.

  • »Der Markt hier ist zu klein, sodass man sofort übers Ausland funktionieren muss, um davon leben zu können.« Auf Twitter teilen
  • Die österreichische Musikszene wird gerade von den deutschen Medien neu entdeckt. Wie nehmt ihr diese Aufmerksamkeit wahr?

  • Christoph: Durch den Ausbruch nach Deutschland hat sich für uns nicht viel verändert. Ich fand die Musik der meisten davor schon super. Bilderbuch wurde mir lustigerweise erst von Leuten aus Deutschland gezeigt. In Österreich herrscht gerade eine Debatte darüber, ob ein Land überhaupt einen Sound definieren kann und über die Gefahr, dabei in irgendwelche Nationalismen abzudriften. Wir sind da nicht so involviert und haben zum Glück einen eher kosmopolitischen Ansatz – allein, was die Sounds und unsere Inspirationsquellen betrifft. Und so geht das den meisten Produzenten hier: ob Cid Rim oder Dorian Concept. Ich glaube nicht, dass es einen österreichischen Sound gibt. Wahrscheinlich ist das ein Teil des Erfolgsrezepts für österreichische Artists: Der Markt hier ist zu klein, sodass man sofort übers Ausland funktionieren muss, um davon leben zu können.

  • Durch euren kosmopolitischen Ansatz spielt es auch kaum noch eine Rolle, wo auf der Welt ihr gehört werdet. Dorian Concept tourt mit seinem Instrumental-Album »Joined Ends« um die Welt.

  • Christoph: Es ist schon wichtig, da gehört zu werden, wo man auch gebucht werden kann. Dorian hat einen krassen Sprung gemacht mit dem Album. Auch die Live-Show ist größer geworden, mit Cid Rim an den Drums und The Clonious am Bass. Das ist schon next Level.

  • Felix: Ich kenne Oliver seit dieser Myspace-Zeit, wo man sich noch Beats zuschickte. Das war die Post-Dilla-Ära, als das erste Flying-Lotus-Album rauskam und diese ganze Beat-Bewegung erst losgebrochen ist. Wir waren aber schon immer ziemlich eigenbrötlerisch und haben am Rand stattgefunden.

  • Also doch die nerdigen Internet-Einzelgänger?

  • Christoph: Das auch nicht. Wir verstehen uns ja mit allen super. Felix ist z.B. der Erste, der Wandl entdeckt hat. Da hieß der noch Wandl 2.0. Es gibt da schon viele Überschneidungspunkte mit der Szene. Uns kennt man aber nicht unbedingt gemeinsam als Mieux, sondern eher als Einzelpersonen.

  • Was bringt jeder von euch musikalisch in das Projekt Mieux ein? Wer übernimmt welchen Part der Produktion?

  • Christoph: Ich würde sagen, wir machen beide alles: Mal übernimmmt einer mehr den rhythmischen, mal mehr den harmonischen Part. Felix jedenfalls ist der absolute Riesen-Digger, der die weirdesten Sachen auspackt, die viel zu unserer Sound-Entwicklung beitragen. Seine Internet-Digger-Eigenschaften sind phänomenal – neben seinen musikalischen Fähigkeiten natürlich. Und ich schätze seinen Bezug zur Aktualität: Er sieht, was in der elektronischen Szene gerade so geht und bringt das auf eigene Weise in die Tracks mit ein. Kannst du mich jetzt auch mal loben? (lacht)

  • Wo bist du denn für die Samples im Internet unterwegs?

  • Felix: Der Geheimtipp früher war ja immer: Blogspots durchforsten. Das ist mittlerweile komplett gestorben, weil Blogs betreiben uninteressant geworden ist. Und durch die Megaupload-Geschichte sind viele Filehoster gestorben. Es gibt aber noch einige aktive Gestalten, die zum »Digging-Movement« beitragen. Alternativ gibt es da noch Soulseek, was halt auch keiner mehr benutzt und natürlich Youtube. Es wirkt oft random, aber irgendwann verfolgt man etwas genauer. Ich bin bei der EP auf Gamelan-Musik (Traditionelle Musikstile aus Java und Bali, die mit Klangplatten gespielt werden, Anm. d. Red.) hängengelieben, die gut zu Chris‘ Minimal-Music-Einflüssen, die in Richtung Phillip Glass gehen, passen. So ergänzt sich das gut, weil die Pattern- und Rhythmusstrukturen sowie die Herangehensweise sehr ähnlich sind.

  • Für mich klingt die EP »Are U Happy?«, als hättet ihr vor allem afrikanische Musik gehört und gesamplet.

  • Christoph: Also mir fällt jetzt partout nichts ein. Vielleicht erinnern die Vocals bei »Rush« daran. Das war aber von uns produziert und nicht gesamplet. Wir kommen eher aus einer World-Music-Ecke, die Afrika nicht so berührt. Aber wir haben das schon bewusst als Ghetto-House-Track im Chicago-Style gehalten und gar nicht konkret an irgendwelche Künstler gedacht. Footwork-Sachen waren natürlich auch sehr inspirierend – wofür solche afrikanischen Dance-Geschichten mit cheapen Drums auch immer eine Rolle spielen. Bei mir ist diese Richtung immer im Hinterkopf. Aber es gibt kaum Produzenten, die das konsequent ausgearbeitet haben – vielleicht, weil es für den Dancefloor einfach zu schwierig ist. Beim Testpressing-Blog gab es eine Review zu unserer EP, die auf ganz viele afrikanische Künstler verwies, die wir alle nicht kannten. Dann sahen wir das Zeug auf Youtube und waren begeistert. Das war genau der Bezug, ohne dass wir ihn konkret benennen konnten.

  • Man muss bei World Music ja auch aufpassen, …

  • Christoph: … dass es nicht ins Kitschige abdriftet. Absolut.

  • Dorian Concept lässt die Grenze zwischen Sample und Eingespieltem fließend verschwimmen. Wenn man euer Video zu »Daddy« sieht, könnte man denken, ihr verfolgt einen ähnlichen Ansatz.

  • Christoph: Also »Daddy« ist echt in Gänze selbst eingespielt. Selbst die Ride-Becken sind vom Richard Eigner, der auch auf Dorians Album Schlagzeug gespielt und an Fly-Los‘ »Chosmogramma« mitgearbeitet hat. Es sind einige Samples drauf – das wollen wir gar nicht leugnen. Was man aber auf »Rush« für einen afrikanischen Kinderchor halten könnte, bin in Wirklichkeit ich mit einem Mac-Mikro. Oft ist das auch Simulation und klingt nur nach Sample. Dafür auch Props an Felix, der alles gemischt hat.

  • »Die Leute tippen immer auf die falschen Sachen, wenn sie Sample und Eingespieltes unterscheiden sollen.«Auf Twitter teilen
  • Seid ihr Hardware-Fans, die viel mit analogem Equipment arbeiten?

  • Felix: Viel haben wir nicht. Chris ist da eher der Spezialist. Ich bin klassischer Ableton-Nutzer. Nur für vernünftige Monitore habe ich mal verhältnismäßig viel Geld ausgegeben.

  • Christoph: Ich hab schon ein bisschen was: zwei Synthies, einen E-Bass, einen Kontrabass, ein Tape-Delay. Wir haben auch live expandiert – das sieht man in unserem Boiler-Room-Set ganz gut. Teilweise bauen wir Sounds aus dem Ableton mit den Synthies nach und Glockenspiele, Calimbas, Percussions ein. Auf »Greatest End« ist sogar ein gestrichener Kontrabass vertreten. Es hat definitiv alles einen analogen Flair. Viele Leute tippen aber immer auf die falschen Sachen, wenn sie Sample und Eingespieltes unterscheiden sollen. Das ist immer ein gutes Ratespiel. Wir sind definitv keine Gear-Sluts, die sich Drum-Machines kaufen und dann weiterverhöckern. Wir haben lieber unsere paar Geräte, mit denen wir uns genau auseinandersetzen, als 15 Synthesizer in der Wohnung rumstehen.

  • Könntet ihr euch vorstellen, Auftragsarbeiten zu produzieren?

  • Felix: Filmmusik fände ich sehr interessant.

  • Christoph: Wir fühlen uns ja glücklicherweise nirgends zugehörig, so dass wir keinen Formeln entsprechen müssen – ob Club-Genre oder Beat-Szene. Die neuen Sachen von uns sind super poppig, was voll egal ist, weil wir Pop lieben. Wir haben auch kein Problem damit, wenn ein Song mal total auf die Tränendrüse drückt. Oder so Sad-Disco-Stuff … allgemein elektronische Pop-Musik, die nicht ganz zuzuordnen ist.

  • »Money Boys Schwester ist anscheinend die bessere Basketballerin gewesen.« Auf Twitter teilen
  • Wie präsent ist eigentlich Money Boy in eurem Wiener Alltag?

  • Christoph: Den verfolge ich nur über Instagram. Mein Bruder hat früher gegen ihn Basketball gespielt. Da war er noch sehr dünn und zierlich.

  • Felix: Ich dachte, er wäre immer schon der Go-To-Guy gewesen. (lacht)

  • Christoph: Seine Schwester arbeitet mit meiner Schwester zusammen an der Uni für Zeitgeschichte und ist anscheinend die bessere Basketballerin gewesen. So wie Cheryll Miller und Reggie Miller. (lacht) Das weiß ich über Money Boy. Und sonst frage ich mich immer noch: Wie ernst kann man das meinen?

  • Aber seinen Grind muss man schon anerkennen.

  • Christoph: Ja, und »Choices« ist super. Ich bin Fan von seinem Instagram-Account und »Kola mit Ice« war schon gut. Wir sind raptechnich eher Fans von BMG, der Berg-Money-Gang um Yung Hurn und Young Krillin – der witzigste Trendsetter auf Twitter. Die ganzen Boys um Crack Ignaz sind auch super. Und dann gibt es natürlich noch den guten Wandl.

  • Eure EP wurde auf Billboard.com exklusiv prämiert. Kam die Redaktion auf euch zu?

  • Felix: Andrew Flanagan hat uns angeschrieben, nachdem er unsere Review auf dem Testpressing-Blog gelesen hatte. Das ist zu einer Art Plattform für Musik-Journalisten geworden, die neue Artists entdecken wollen.

  • Christoph: Voll die gute Aktion. Es hat ja auch Vor- und Nachteile, auf einem großen Blog stattzufinden: Man geht doch schnell im Strom einer Brittney Spears und Konsorten unter. Das hat uns aber voll in unserer Promoarbeit motiviert und zeigt auch, wie Connaisseur-Blogs wie Testpressing genau die kritische oder richtige Masse ansprechen.

  • Und internationale Tastemaker wie Gilles Peterson hinter sich zu haben, kann auch nicht schaden.

  • Christoph: Genau. Das kam über Lefto, der ihm das geschickt hatte. Peterson hat im Prinzip auch unser Video geleakt, da wir in unserem Promobereich online anscheinend nicht ganz klar gemacht haben, dass es noch ein Privatlink war.

  • Felix: Release sollte erst zwei Wochen später sein. Das hat unsere Premiere etwas ruiniert.

  • Christoph: Für unseren Sound ist das natürlich eine super Plattform, in seiner Show gespielt zu werden.

  • Konzentriert ihr euch jetzt erstmal darauf, live zu spielen?

  • Christoph: Wir sind in der Planung einer Tour für 2016 und spielen jetzt viel in Österreich. Wir produzieren aber gerade auch wieder neuen Sound.

  • Felix: Wir haben uns mit der Promo-Phase eine einmonatige Pause von der Musik genommen und sind ohne Urlaub wieder schön zurückgekommen. Es ist richtig gut losgegangen.

  • Christoph: Wir haben alles selber gemacht, weil es frustriert, vier Monate zu warten bis man veröffentlicht und dann klingt der eigene Sound schon wieder veraltet. Wenn irgend jemand kommt und das auf Vinyl releasen will, sind wir natürlich dabei. Wir haben die EP eher als Aufmacher für unsere Live-Shows verstanden, der uns Gigs verschafft. Nach 2014 und dem Boiler-Room-Set war es ja etwas ruhig um uns. Danach arbeiteten wir daran, unser Live-Set von einem Controller-Set zu einem Band-Set umzubauen. Der Live-Schlagzeuger ist eigentlich der letzte Schritt, der uns noch gefehlt hat.