KLITCLIQUE »Die Emanzen haben's jetzt auch endlich geschafft, was auf die Beine zu stellen.«

Jüngst erschien »Schlecht im Bett, gut im Rap«, das Debütalbum des österreichischen Rap-Duos KLITCLIQUE. Tobias Wilhelm hat sich mit G-udit und $chwanger im nächtlichen Weed-Nebel des Görlitzer Parks zusammen gesetzt, um mit ihnen über »Female Ol‘ Dirty Bastards«, Dadaismus und Milchbubis zu sprechen.

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KLITCLIQUE kastrieren in ihren Tracks durchaus den ein oder anderen »weißen Dude«, streben mit der Burschenschaft Hysteria die Errichtung des Welt-Matriarchats an und treten dann auch noch öfters mal in Galerien auf. Was bei der daraus resultierenden Einordnung als Feministischer-Kunst-Rap oft übersehen wird ist, dass die beiden Wienerinnen in erster Linie sarkastisch-direkte Battle-Raps auf avantgardistische Beats packen – und mit der daraus entstehenden Kombination Genregrenzen sprengen.

  • Es gibt Fotos von euch, auf denen man euch schon als Teenager zusammen rappen sieht. Wie kamt ihr mit Rap in Berührung, was genau hat euch da geprägt?

  • G-udit: Wir haben früher viel Zeit damit verbracht zusammen Skizzen zu zeichnen, also zu üben, bevor wir sprühen gegangen sind. Und dabei verbraucht man halt viel Musik. Immer wenn wir Dosen gekauft haben, haben wir auch Tapes dazu gekauft, das heißt wir waren bestens mit allem versorgt, was Westberlin zu bieten hatte. In der Phase haben wir auch Sachen wie 2 Live Crew und Miami-Bass voll abgefeiert.  

  • $chwanger: Wir waren auch immer auf der Suche nach Frauen, die aggressiv rappen und nicht schön sind und über Liebe singen. 

  • G-udit: Female Ol‘ Dirty Bastards!

  • $chwanger: Es gab sonst aber auch viele Einflüsse außerhalb von Rap: Detroit-Techno, viel elektronisches, auch klassische Musik, Opern. Wenn Leute krasse Sachen mit Computern oder ihrer Stimme gemacht haben, hat mich das schon immer mehr geflasht, als wenn da eine Rockband mit ihren Instrumenten auf der Bühne steht. 

  • Das hört man auf dem Album stark raus. Es gibt oft Beatwechsel auf einem Track oder der Beat setzt kurz aus. Ihr benutzt eure Stimmen häufig wie Instrumente…

  • G-udit: Irgendwann bin ich immer weniger auf HipHop-Partys gegangen, eher in Jazz-Clubs, wo sie mir dann ein Mic gegeben haben. Ich hab da gemerkt, dass ich fast lieber zu irgendwelchen komischen Geräuschen freestyle, als auf einen klassischen Beat. Irgendwann haben wir uns dann mit unserem Produzenten Mirza Kebo Ableton angeeignet. Er kann das viel besser als wir, aber uns beiden war es wichtig, dass wir das Programm auch beherrschen, uns in das Beat-Machen einmischen können. Ich weiß halt oft nicht genau, wie man was richtig benennt, aber ich weiß, welchen Vibe ich transportieren will. 

  • $chwanger: Wir haben deshalb auch viel analog eingespielt, mit irgendwelchen Instrumenten, Action-Pads und Live-Samples. Mich inspiriert auch Baile Funk, also wie die mit Samples umgehen. Die nehmen alles und formen irgendwas Krankes daraus, nehmen irgendwie Mozart und schmeißen das auf irgendwelche Beats. 

  • G-udit: Manchmal war uns auch die Musik wichtiger als unsere Texte. »Steuergeld« zum Beispiel hatte, als wir den mal live performt haben, viel mehr Text. Auf dem Album haben wir uns dann aber dazu entschieden, dem Beat von Fauna – die übrigens auch grade ihr neues Album draußen hat – mehr Raum zu geben. 

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  • Neben der Musik sind auch eure Lines oft schwer einzuordnen, wirken dadaistisch. Man fragt sich: »Wie meinen die das?« bis zu »Wovon reden die überhaupt?« Das erinnert mich an Taktlo$$.

  • G-udit: Ja, der gibt halt auch einen Fick auf Genres und ist ein Dadaist, ein Experimenteur. Wenn der Bock hat sich kurz mit Autotune zu beschäftigen, dann findet der da halt auch einen geisteskranken Weg. Er ist halt leider in diesem patriarchalen Gefängnis aus Sprache gefangen. Er ist letztens als Real Geizt beim Hyperreality aufgetreten, weil ich die Kuratorin da endlos belabert hatte. Da hat er dann in einem Part ein Mal »Hurensohn« gesagt und wurde sofort ausgebuht. Also vielleicht entwickelt er sich ja noch. (lacht)

  • Die erste Videosingle zu »Schlecht im Bett, gut im Rap« ist vor fast zwei Jahren erschienen. Ein Album war erst gar nicht angekündigt, wurde dann immer wieder verschoben. Stimmt mein Eindruck, dass »das erste Album« für euch vielleicht nicht den gleichen Stellenwert wie für andere Rapper hat?

  • $chwanger: Ja voll, es geht uns immer mehr um den Prozess. Eigentlich bei allem, was wir tun. Das Arbeiten an sich finde ich oft interessanter als das Ergebnis.

  • G-udit: Wir haben uns halt auch echt lange geweigert, Texte zu schreiben und aufzunehmen. Es sind dann aber nach und nach immer mehr Tracks entstanden und irgendwann haben wir auch erst gemerkt: »Oh, wir machen ein Album.« Wir haben dann eine Förderung bekommen und konnten das ganze autark, ohne irgendwo unterschreiben zu müssen, fertig machen. Ich glaube das Netzwerk, das wir gebraucht haben, ist auch erst jetzt geboren worden.  

  • $chwanger: Es sind grade echt viele talentierte Frauen in Wien, die sich gegenseitig pushen. Da gibt es einen krassen Zusammenhalt. 

  • G-udit: Ja, die Emanzen haben’s jetzt auch endlich geschafft, was auf die Beine zu stellen. It’s a good thing to be a woman right now.  

  • »Wir spielen eh nicht so gern in Galerien, weil die Leute da blöd sind.«Auf Twitter teilen
  • Ihr habt ja einen Kunst-Hintergrund, was man euren Tracks und vor allem auch Videos anmerkt. Es findet auch viel in diesem Kontext statt. Verstehen Galeriebesucher, was ihr macht, oder ist man da ein bisschen der »Affe im Käfig«?

  • $chwanger: Also gestern in Köln hatten wir einen Auftritt bei einer Vernissage, da haben wir auf der Terrasse gerappt. Da waren wir also nicht eingesperrt oder so. 

  • G-udit: Wir spielen aber eh nicht so gern in Galerien, weil die Leute da blöd sind, schon mit der falschen Einstellung hingehen – um zu »genießen«. Aber es ist dann auch irgendwie lustig, weil wir von früher gut mit dem Gefühl vertraut sind, dass das Publikum total überfordert ist mit dem, was wir gerade sagen oder repräsentieren. 

  • Wer war früher von euch überfordert?

  • G-udit: Milchbubis. Das war in unserer pre-feministischen Zeit. Wir haben da Taktlo$$ oder DJ Assault gehört – das hat uns geflasht, aber halt auch aufgeregt. Wir haben uns dann gefragt: »Well, what’s our answer to that?« $chwanger und ich standen dann bei irgendwelchen Battles und haben die Dudes gedisst, dann auch deren Freundinnen vor der Bühne und die anderen Frauen im Publikum, so von wegen: »Wir können auch nicht rappen und stehen hier, warum traut ihr euch das nicht?« Die haben uns dann alle ur gehasst. 

  • $chwanger: Es hat aber auch immer krass motiviert, wenn da sieben, acht Typen um einen herumstanden und schlecht gerappt haben. Da dachte ich dann immer so: »Oida, gleich…«