Bimbo Beutlin »Das Soundbild der aktuellen Deutschraplandschaft trifft nicht unbedingt meinen Geschmack.«

Auf »Von Pfeifenkraut und leichten Frauen« braggt Bimbo Beutlin von den Verheißungen, Enttäuschungen und Highs, die der Rausch und die Verflossene mit sich bringen. Und diese ultrararen Player-Anekdoten des karibisch-britischen Franken erzeugten einen kleinen aber feinen Hype für den Repräsentanten der Cosmo Gang.

Bimbo Beutlin

Eine stilbewusste Clique aus Aschaffenburg mischt den Rap-Betrieb auf. Die Cosmo Gang hat nicht nur die Haare wavy und den Swag auf Anschlag, sondern auch ein paar der interessantesten neuen Rap-Charaktere in ihrem Roster: Adi Space, der bisher auf Englisch die Trap unsicher machte, veröffentlichte mit einer bedrückenden, deutschsprachigen Boombap-EP »Von Pfeifenkraut und leichten Frauen« im März die Überraschung des jungen Rapjahres. Seit Kamp gelang es keinem Rapper, das eigene Unvermögen so manisch, trotzig und doch charmant vorzutragen. Ein Gespräch über Weirdo-Swag, Soulsamples und das Cosmo-Movement.

  • Die Texte der EP sind deine ersten deutschsprachigen Raps überhaupt, richtig?

  • Ich habe davor ein, zwei Sachen aus Spaß gemacht. Aber das sind die ersten zehn ernsthaften Tracks. Ich hatte ja bisher keine offiziellen Mixtapes oder Veröffentlichungen. Ich war nur durch Features am Start und habe mich so am Leben gehalten. Das Adi-Space-Mixtape ist auch in der Mache und ziemlich weit fortgeschritten. Vor sechs Jahren gab es mal noch ein Projekt unter anderem Namen. Das ist aber nicht mehr vorzeigbar und hoffentlich im Internet verschollen. 

  • Das dürfte schwierig sein – das Internet vergisst ja nicht. Es entpuppt sich oftmals als Problem, dass junge Künstler ihre ersten musikalischen Versuche direkt online stellen. 

  • Ich habe mir wirklich keine Gedanken dabei gemacht. »Von Pfeifenkraut und leichten Frauen« war erstmal nur für mich gedacht. Ein stückweit war das Therapie: Ich hatte in den letzten Jahren eine harte Zeit. Als ich merkte, das sich die ersten deutschen Tracks stimmig anhören und mich meine Leute ermutigten, das weiter zu machen, war klar, dass das raus muss. 

  • »Ich denke, ich habe meinen eigenen Sound gefunden und den Stil, den ich mache, habe ich selten bei anderen deutschen Rappern gehört.« Auf Twitter teilen
  • Deine Muttersprache ist also Englisch.

  • Meine Mama kommt aus Wales, mein Dad aus Barbados. Ich bin hier in Deutschland zweisprachig aufgewachsen. Englischsprachiger Rap war für mich aber immer die höchste Instanz, weil Deutsch einfach sperrig und kompliziert klingt. Ich möchte Bimbo Beutlin von Adi Space trennen, weil es nicht viel miteinander zu tun hat. Auch wenn beides autobiografische, persönliche Züge hat. Auf Englisch mache ich auch gerne mal Turn-Up-Tracks – das ist schon alles ernst gemeint. Bimbo Beutlin ist zu 100 Prozent meine Person. Ich denke, ich habe meinen eigenen Sound gefunden und den Stil, den ich mache, habe ich selten bei anderen deutschen Rappern gehört. 

  • Es muss doch auch deutschen HipHop gegeben haben, der dich inspiriert hat.

  • Klar, von den neuere Sachen zum Beispiel Luke & Fil aus Mainz. Ich lege besonderen Wert auf Beats und Musikalität. Bei mir geht eh alles über ein Soulsample. Wenn da was schönes dabei ist, feiere ich das, ohne zu viel auf den Rap zu achten. Dann gab es natürlich auch einige frühe Bushido-Tracks, die ich geil fand, oder die alten Eimsbush-Tapes und Westberlin Maskulin. Aber so wirklich damit auseinandergesetzt, habe ich mich nie. 

  • Mit welcher Generation an US-Rap bist du aufgewachsen?

  • Eine meiner frühesten Erinnerungen an Rap ist das Album »Southernplayalisticadilllacmuzik« von Outkast. Das habe ich gepumpt, als ich zwölf war. Also nicht direkt, als es rauskam. Die ganzen Klassiker habe ich später erst nachgeholt. Das »Madvillainy«-Album von Madlib und DOOM ist stark bei mir hängengeblieben. Ich habe Ami-Rap und die großen Alben studiert und irgendwann gemerkt: Ich kann das vielleicht auch in irgendeiner Weise. Auf die Art, wie ich schreibe, hat das bestimmt Einfluss gehabt. Ich kann alle Musikstile abfeiern. Mein Vater ist Reggae- und Soul-Musiker, so lief zu Hause immer schon gute Musik, die mich geprägt hat. 

  • Vom musikalischen Ansatz unterscheiden sich deine beiden Alter Egos: Adi Space rappt über Trap-Beats, die Beutlin-EP hat starke BoomBap-Einflüsse.

  • Schon, ja. Die Beatmaker der EP kannte ich lustigerweise gar nicht. Das sind acht verschiedene Produzenten, auch wenn die Beats stilistisch sehr ähnlich und stimmig sind. Ich war dafür lange bei Bandcamp und Soundcloud am Grinden – das sind alles Internetbekanntschaften, viele amerikanische Untergrund-Leute, die man nicht kennt. Ich will nichts Halbherziges, Zusammengewürfeltes machen und das Soundbild der aktuellen Deutschraplandschaft trifft nicht unbedingt meinen Geschmack. Oft musste ich die Beats anders arrangieren und Parts kürzen. Ich wollte kurze Tracks machen, die zusammen funktionieren. Seit die EP draußen ist, schreiben mich aber auch deutsche Produzenten an und schicken Beats.  

  • »Ich will nichts Halbherziges, Zusammengewürfeltes machen und das Soundbild der aktuellen Deutschraplandschaft trifft nicht unbedingt meinen Geschmack.« Auf Twitter teilen
  • Es gibt doch momentan sehr viele interessante deutsche Produzenten, die samplebasiert arbeiten und deren Sound du feiern könntest. 

  • Bestimmt, ich finde einiges von Figub Brazlevič cool. Dexter hat mir letztens einen Beat geschickt. Es gibt schon einige, die das machen könnten. Wenn ich da was finde, werde ich das definitiv auch benutzen. 

  • Neuen Soundästhetiken bist du auch aufgeschlossen. Als Adi Space packst du ja gerne mal den Migos-Flow aus.

  • Ich feier’ den Trap-Sound total ab, vor allem so Weirdo-Swag-Kram wie Crack Ignaz oder LGoony. Man kann dazu super turnen und tanzen. Trap hat einfach eine coole, spezielle Energie. Das ist kein schnelllebiger Trend, der wieder verschwindet. Was mich aber gerade richtig begeistert, sind Beats, die eine soulige, jazzige Veranlagung haben. Das mag aus dem Elternhaus kommen. Das Adi-Space-Tape wird auch zu großen Teilen moderner BoomBap sein. 

  • »Trap hat einfach eine coole, spezielle Energie. Das ist kein schnelllebiger Trend, der wieder verschwindet.«Auf Twitter teilen
  • Die Soundwelten und Stile verschmelzen immer mehr. UGK und Outkast haben auf »International Players Anthem« ja schon vor zehn Jahren 808s und Soulsamples gemixt. Das ist ja keinesfalls ein Widerspruch.  

  • Unfassbar, ja. Als das rauskam, war das mein Track des Jahres und Handy-Klingelton. Ich mag es, wenn Altes mit Neuem kollidiert. Solange das einen Soul-Hintergrund hat, berührt mich das eh.  

  • Deine Texte klingen so, als würdest du sie recht schnell und intuitiv schreiben. 

  • An den Raps der EP saß ich echt nur ein, zwei Wochen. Das lag dann noch ein Jahr rum, bis ich alle Beats arrangiert hatte und die Features fertig waren. Der Kreativprozess an sich ging aber wirklich super schnell. 

  • Die Rap-Szene in Aschaffenburg scheint gut vernetzt zu sein. Gibt es eigentlich eine Art Entstehungsmythos der Cosmo Gang?

  • Es gab schon immer eine HipHop-Szene in der Stadt. Der Olli Banjo kommt ja ursprünglich von hier. Die ursprüngliche Cosmo Gang stammt fast komplett aus der näheren Umgebung. Außer mir sind fast alle im gleichen Kaff aufgewachsen. Ich war davor schon in ein paar Crews und auf Jams unterwegs. Das waren aber eher so Jugendsünden. (lacht) Kennengelernt habe ich zunächst Johny, vor etwa fünf Jahren haben wir uns schon connectet. Er wohnt ja jetzt in Halle und ist so eine Art Commander der Gang. Er kümmert sich um die Promo- und Pressearbeit, den Orgakram halt. Albert Parisien kommt aus Bremen, aber der war einfach zu dope und daher eh ein No-Brainer, ihn zu signen. Wir machen das ja bisher alles im Internet und so ist das auch einfacher im Moment. 

  • Bei deinem Künstlernamen hätte ich eher explizit-politische Inhalte erwartet? Das muss doch provokant gemeint sein, oder bist du einfach nur ein Fantasy-Geek?

  • Nicht wirklich. (lacht) Obwohl der Name wirklich während einem »Der Hobbit«-Double-Feature entstand. Das kam mir ganz banal. Klar, sprechen mich viele auf das Bimbo im Namen an und meinen, das könnte ich doch nicht machen. Mein Dad kommt aus einem Kolonialland, das versklavt wurde. Ich bin mir der Bedeutung durchaus bewusst. Natürlich hatte ich in der Jugend auch Probleme mit Nazis. Ich würde dem Namen einfach gerne den Rassismus wegnehmen. Ich will damit ausdrücken, dass mich das alles nicht berührt. Außerdem sind Leute, die den Namen lesen, eher gezwungen, drauf zu klicken.  

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  • Ich habe das Gefühl, dass die ältere Generation Künstler wie die Cosmo Gang eher belächelt und eure Ausdrucksweise und Kunst weniger Ernst nimmt – eine Art Money-Boy-Effekt, durch den alles, was mit Trap zu tun hat, als Verarsche wahrgenommen wird.  

  • Musik muss nicht per se real und authentisch sein. Ich finde es komisch, dass Leute da meistens abschalten. Es gibt doch Musik für alle. Und wenn sich selbst auf die Schippe nimmt, kann das auch cool sein. Das müssen die Leute erstmal verstehen. Was zum Beispiel Modee macht, finde ich total real und cool, das klappt und funktioniert. Deswegen sollte man sich nicht darüber aufregen. Das ist Musik, die ihn bewegt, wenn auch auf eine andere Art und unkonventionelle Weise. Aber es hat den gleichen Stellenwert. Ich finde, das sollte mehr respektiert werden.