Kool DJ GQ »Das Album hat eine neue Dimension für Deutschrap geschaffen.«

Vor 15 Jahren veröffentlichte Curse sein Debütalbum »Feuerwasser«.
ALL GOOD begleitet die Feierlichkeiten mit einer ausführlichen Berichterstattung zum Genre-Klassiker. Kool DJ GQ wurde – durch Zufall – der Tour-DJ für Curse’ »Feuerwasser«-Tour im Jahr 2000. Im Interview erzählt er, wie es dazu kam und was das Album für ihn bedeutet.

Kool DJ GQ

Kool DJ GQ war über zehn Jahre lang der Live-DJ für Curse. Und auch sonst blickt er auf eine lange und weit verzweigte Geschichte in der deutschen HipHop-Szene zurück. 1993 startete er mit Underground Source seine eigene Crew, trat mit seiner DJ Crew Steel Rockaz bei sämtlichen Turntablism Contests an, machte sich nebenbei als Produzent verdient, bis er schließlich im Jahr 1999 durch Zufall als Tour-DJ von Curse anheuerte. Sein Solo-Debüt »Birth Of Kool« veröffentlichte er 2006, mit darauf ist – neben Dendemann, Aphroe, Jonesmann, Italo Reno & Germany, Azad und Kool Savas – natürlich auch sein langjähriger Freund und Wegbegleiter Curse.

Das Interview mit Kool DJ GQ ist teil unserer umfassenden Berichterstattung zum 15-jährigen Jubiläum des Curse-Debüts »Feuerwasser«, das mit großer, exklusiv von ALL GOOD präsentierter »Feuerwasser 15«-Tour ab November gefeiert wird.

  • Wann und wie hast du zum ersten Mal von Curse gehört?

  • Das muss anno 1996 oder 1997 gewesen sein. Ich bin damals mit meiner Crew Underground Source auf eine Jam – ich glaube es war in Bielefeld – gefahren. Dort sind Leute wie die Stieber Twins, Raid und Cora E. aufgetreten. Als wir ankamen, redeten schon alle im Laden über den Auftritt von diesem Curse, den wir leider verpasst hatten. Anschließend hat jede Band, die auf die Bühne kam, Curse so viel Liebe gegeben, dass ich mich damals zum einen sehr geärgert habe, dass ich den Auftritt nicht live gesehen habe, und zum anderen von da an klar war, dass ich in Zukunft mal ein Auge und ein Ohr auf den Namen Curse haben muss.

  • Was war dein erster Eindruck bei eurem ersten Treffen?

  • Das erste Treffen fand, wenn ich mich recht erinnere, bei Busy im Studio statt. Ich glaube, wir haben uns direkt an die Probe für die Firma-Tour gemacht. Ich hatte ein paar Ami-Instrumentals vorbereitet, die wir zusätzlich zu den schon live spielbaren Songs von Curse mit ins Live-Set eingebaut haben. Er hat die Sachen gefeiert und so war die musikalische Basis direkt vorhanden. Neben dem Musikalischen war ich natürlich sehr gespannt auf den Menschen Curse und ich muss sagen, dass wir uns von Anfang an sehr gut verstanden haben. Er war sehr höflich und respektvoll. Dazu kommt, dass er ein wahnsinnig intelligenter Typ ist. 

  • Welche Verbindungen hatte Curse in der Szene?

  • Curse war damals sehr gut in der Szene connected. Als wir in Frankfurt waren, kamen Leute wie Tone und Azad auf dem Konzert vorbei, in Heidelberg standen die Stiebers und Cora neben einem und klopften einem auf die Schulter – in Köln STF. Wir haben zu der Zeit wahnsinnig viel Liebe und Respekt von den Leuten bekommen. Die HipHop-Szene in Deutschland war noch sehr klein und ich durfte, dadurch, dass ich mit Curse zusammen unterwegs war, sehr viele Leute und Künstler kennenlernen, mit denen mich bis heute eine Freundschaft verbindet. 

  • »Curse war damals sehr gut in der Szene connected.«Auf Twitter teilen
  • Im November 1999 bist du für Curse‘ DJ auf Tour mit Die Firma eingesprungen – wie kam es dazu?  

  • Das Ganze habe ich Busy zu verdanken. Aber da muss ich etwas weiter ausholen: 1998 wurde meine damalige Crew Underground Source bei MZEE Records gesigned. Wir haben damals an einer 4-Track-EP gearbeitet. Zu der Zeit lief bei mir gerade der Remix von Cora E.s »Schlüsselkind« rauf und runter. Ich fand auf der einen Seite die Produktion von Busy brutal, auf der anderen Seite waren das Sounddesign und die Klangqualität für diese Zeit in Deutschland einzigartig. So war also schnell klar, dass ich diese EP gerne bei Busy im Studio machen würde. Akim Walta stellte damals den Kontakt zu Busy her. Der hat unsere Sachen gehört, fand sie cool und dann waren wir eine Woche bei Busy in Bad Oeynhausen, um die EP zu recorden und zu mixen. 

    Am vierten oder fünften Abend – wir waren gerade fertig mit dem Tagespensum –, haben wir abends bei ein paar Barre-Bräu gechillt. Busy hat in Erinnerungen an alte DJ-Tage geschwelgt und stand auf einmal leicht angeschwipst an den 1210ern, um seine DJ-Routines von 1989/90 auszupacken. Obertight und on point, nur eben etwas Oldschool. Das Problem: Ich war damals komplett in der Turntablism-Bewegung eingebunden und hatte Respekt vor anderen DJs, aber keinerlei Angst, mich mit egal wem zu messen. Meine Jungs Radio P und Mace Ventura saßen also schon grinsend auf der Couch in Busys Studio – wohlwissend, was da noch kommt. 

    Nachdem Busy fertig war und sich auch ein wenig gefeiert hat, war dann also ich am Zuge – und ich hab ihm ein Ding nach dem Anderen um die Ohren gehauen. Mit Scratch-Techniken, die er noch nie gehört oder gesehen hatte. Danach stand er nur noch kopfschüttelnd neben mir, war ganz rot und meinte, dass er sich da wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt hat. Ich glaube, von da an hatte Busy sehr viel Liebe und Respekt für mich als DJ. 

    Im November 1999 stand dann die Tour mit Die Firma an. Busy war damals noch mit dem Mixen des »Feuerwasser«-Albums beschäftigt und der Zeitdruck, das Album fertig zu stellen, war groß. Dadurch hatte er keine Zeit, um mit Curse die Tour zu spielen. Wer sollte es also machen? Götz Gottschalk hatte einen sehr guten Draht zu den Phlatline-Jungs und brachte DJ Ron ins Gespräch. Busy hatte Curse von mir erzählt, ihm meine Fähigkeiten ans Herz gelegt und ihm meine Telefonnummer gegeben. Daraufhin hatte ich ein zweieinhalbstündiges Telefonat mit Curse. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt und so kam es dazu, dass ich 1999 als DJ von Curse mit auf Tour dabei sein durfte.

  • »Viele waren verwundert, dass da vorne nur ein Typ mit einem DJ im Rücken stand, der gespittet hat, als würde es um sein Leben gehen – ohne Backup-MC und dennoch im Maschinengewehr-Tempo.«Auf Twitter teilen
  • Wie hast du die Zeit erlebt, als es bei Curse mit den »Sonnenwende / Erfolg«- und »Doppeltes Risiko / Kreislauf«-Maxis und der EP losging?

  • Ich bin ja erst gegen Ende 1999 so richtig dazu gestoßen. Die Maxis gab es also schon. Woran ich mich erinnere: Egal wo wir hingekommen sind, überall war eine Art Aufbruchstimmung zu spüren und Curse war wahnsinnig respektiert. Für viele war Curse damals das neue Ding und die Erwartungen waren dementsprechend hoch. Nach den Shows kamen immer sehr viele Leute und haben sich für die tighte Show bedankt. Viele waren verwundert, dass da vorne nur ein Typ mit einem DJ im Rücken stand, der gespittet hat, als würde es um sein Leben gehen – ohne Backup-MC und dennoch im Maschinengewehr-Tempo. Das war im Rückblick eine mega Zeit und ich bin froh, dabei gewesen zu sein. 

  • Was hast du von der Arbeit an »Feuerwasser« bei Busy im Studio mitbekommen?

  • Die Arbeiten waren damals schon sehr weit fortgeschritten. Bis auf ein paar Songs stand schon alles und Busy war dabei, die Songs zu mixen. Es war immer sehr viel Energie im Studio und alle Beteiligten wussten, das sie an etwas Großem arbeiten. Damals fehlte aber noch eine Single. Ein Ding, an dem keiner vorbeikommt. Als wir mit Die Firma auf Tour waren, sind Curse und ich zusammen im PKW von Stadt zu Stadt gefahren. Curse hatte da noch Instrumental-Tapes dabei. Eines war von Iman. Irgendwann kam dann der »Wahre Liebe«-Beat. Er packte seinen Block aus und innerhalb kürzester Zeit hat er das Ding neben mir im Auto geschrieben. Da war sie, die erste Single!

  • Wie fandest du das Album, als du »Feuerwasser« im März 2000 gehört hast?

  • Ich fand das Album wahnsinnig gut. So etwas gab es zu der Zeit in Deutschland in der Form nicht. Sowohl die Texte – eine Mischung aus Feiern, Battle, Tiefsinn und Melancholie – als auch die Beats: auf der einen Seite BoomBap vom Feinsten, auf der anderen smoothe, melodische Dinger. Das Album hat mich schlichtweg umgehauen.

  • »›Wahre Liebe‹ ist in meine Augen einer der besten deutschen Rap-Songs aller Zeiten. Wer den nicht fühlt, der hat Rap-Musik nicht verstanden.«Auf Twitter teilen
  • Hast du einen Lieblingstrack auf dem Album? 

  • »Wahre Liebe« ist in meinen Augen einer der besten deutschen Rap-Songs aller Zeiten. Wer den nicht fühlt, der hat Rap-Musik nicht verstanden. Musikalisch und textlich ist das einmalig. Ich bekomme bis heute eine Gänsehaut, wenn der Song läuft. Dass ich bei der Entstehung neben Curse gesessen habe, ist mein persönliches i-Tüpfelchen.

  • Was ging bei der »Feuerwasser«-Tour ab?

  • Die »Feuerwasser«-Tour fand 2000 statt – 20 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als Support waren damals DCS, Tefla & Jaleel, Lenny und Pyranja mit dabei. Das war eine mega Kombi und ich glaube, ich habe selten so viel gelacht wie mit der Truppe. Das Feedback nach den Konzerten war extrem positiv. Zu der Zeit ist man als HipHop-Fan in Deutschland nicht an Curse vorbeigekommen.

  • Kannst du als Experte ein bisschen auf die Produktionen von »Feuerwasser« eingehen? 

  • Das Album hat in meinen Augen eine neue Dimension für Deutschrap geschaffen. Vorher gab es bis auf wenige Ausnahmen eher leichte Themen und viel Spaß-Rap. Mit »Feuerwasser« kam eine andere Tiefe und auch Melancholie in die Texte. Das war textlich eine andere Ebene. Musikalisch war die Mischung von Busy, Scan, Iman, Peer, den Stiebers und Feedback auch einmalig und explosiv. Dazu kam Busys Sounddesign, das zu der Zeit in Deutschland auch seinesgleichen suchte. Zuletzt waren da neben der textlichen und musikalischen Ebene auch noch die Stimme und der Flow von Curse. Man kann seine Musik nicht einfach nebenbei laufen lassen, er zwingt einen durch seine Art förmlich dazu, ihm zuzuhören. 

  • Wie passte das Album musikalisch in die Zeit?

  • Man merkt bei dem Album, dass Curse zu der Zeit aus einem anderen Background kam. Er wollte nicht wie andere erfolgreiche, deutsche Produktionen klingen. Vorbild waren viel mehr Produktionen aus Amerika von Biggie, Nas, 2Pac und Wu-Tang. Das zeigt auch der Anspruch an die Soundqualität. Soweit ich mich erinnere, ist man damals nach New York gegangen um das Ding in der Geburtswiege des Rap mastern zu lassen. Da waren Visionäre und Perfektionisten am Werk, die ein gemeinsames Ziel hatten: Nämlich etwas Großes zu schaffen!

  • Welche Stellung nimmt »Feuerwasser« in der Deutschrap-Historie ein?

  • In meinen Augen ist »Feuerwasser« schlichtweg ein Klassiker!