Juicy Gay »Dabei ist es ja eigentlich genau das gleiche wie früher.«

Juicy Gay ist Mitglied von Money Boys Glo Up Dinero Gang, war mit Zugezogen Maskulin auf Tour und zeigt mit Songs wie »Musik ist Haram«, dass er mehr als nur ein Gimmickrapper ist. Jan Wehn traf den Trapgaylord zum Interview.

JGTM

Juicy Gay hat sich binnen eines halben Jahres zu einem der interessantesten Affiliates der Glo Up Dinero Gang gemausert. In steter Regelmäßigkeit veröffentlicht der selbsternannte Trapgaylord mit Songs wie »Musik ist Haram«, »Gewissen Fler« oder »Deutscher Bär« zeitgeistige Schnellschüsse die gleichzeitig als Deutschrap-Kommentarspur funktionieren.

Nach dem Mixtape »Trapgaylord« und den EPs »Musik ist Haram« sowie »HipHop stirbt für mich« soll im Laufe der nächsten zehn Jahre das Debütalbum »Schwuler Samt« folgen. Jan Wehn sprach mit Juicy Gay über seine musikalischen Anfänge als Kellerkind, die Wiedereinführung des Wortes Mois, den Reiz von gefreestylten Songs und seinen belastenden Twitter-Grind.

  • Was war der Grund, aus dem du gesagt hast: Ich möchte gerne rappen?

  • (überlegt) Gute Frage. Ich hatte einfach Bock, Musik zu machen. Ich habe mir irgendwann Fruity Loops runtergeladen, damit herumprobiert und hatte irgendwann Lust, etwas aufzunehmen. Das waren dann Cover von Kanye-West-Songs und so Zeug.

  • Aber der Antrieb war nicht unbedingt, dich mitzuteilen oder vielleicht sogar berühmt zu werden.

  • Nein, gar nicht. Das ist auch heute nicht mein Bedürfnis. Ich bekomme oft Tipps, wie ich meine Musik zu machen habe. Aber im Endeffekt scheiße ich da drauf. Ich mache Songs, lade die nachts um 3 Uhr hoch und wer die gerne hören möchte, hört sie eben. Ich mach einfach Songs und Mixtapes und schaue dann, was passiert. Ich habe auch das Gefühl, dass es das vor Money Boy gar nicht so richtig gab. Wobei, zu Dipset-Zeiten schon, oder?

  • Ja, schon. Aber was es definitiv nicht gab, war so ein krasser Output einzelner Künstler, der darüber hinaus noch umsonst verfügbar war. Wie alt bist du?

  • 19.

  • Okay, vor zehn Jahren warst du halt erst neun Jahre alt.

  • Ja, ich habe das aber alles ein bisschen durch meine Geschwister und Cousins mitbekommen, aber auch vieles nachgeholt.

  • Damals war es jedenfalls so, dass alle Rapper irgendwie vorhatten, konstant Mixtapes rauszubringen. Aber daraus ist dann nie was geworden. Sentino, der ja gerade bei Flers Label Maskulin unterschrieben hat, hat mit »Sentino’s Way 1« und »Sentino’s Way 2« sehr viel richtig gemacht – aber man musste die Mixtapes eben auch kaufen.

  • Was ich übertrieben seltsam finde: Die Leute waren früher krass auf ihrem Ami-Film und jetzt, wo wir ein bisschen auf unserem Ami-Film sind, finden die Leute das plötzlich mega strange. Dabei ist es ja eigentlich genau das gleiche wie früher.

  • Absolut! Was waren denn deine ersten Berührungspunkte mit deutschsprachigem Rap?

  • Aggro Berlin, Samy Deluxe, Curse – eigentlich alles durcheinander. Ich finde das Beginner-Album »Bambule« zum Beispiel immer noch richtig nice. 

  • Du hast dann ja unter dem Namen Kellerkind mit der Musik angefangen…

  • …ich habe davor unter einem anderen Aka noch ein bisschen Electro gemacht. Das waren ganz wilde Sachen. Ich habe einfach drauflosproduziert und wusste selbst nicht, was das genau ist. (lacht)

  • Deine Rap-Sachen als Kellerkind klingen ja recht klassisch. Wann kam der Punkt, an dem du gemerkt hast, dass du damit aber auch limitiert bist? Oder anders: Wann und warum hast du Juicy Gay erfunden?

  • Das mit der Limitierung trifft es auf jeden Fall ganz gut. Zu der Zeit habe ich extrem viel Money Boy und Ami-Trap gehört. Ich hatte einfach Bock, auch so was zu machen. Denn die meisten rappen da ja nur über stumpfe Sachen – und ich habe manchmal Schwierigkeiten Themen zu finden. (lacht) Die Musik ist einfacher und ich muss mir nicht so viele Gedanken darüber machen, wie ich einen Song strukturiere. Manchmal Freestyle ich meine Texte auch nur. Bei Kellerkind-Sachen geht das nicht.

  • »Es ist so, wie Kunst sein sollte: frei.«Auf Twitter teilen
  • Die Musik ist impulsgesteuerter und an das Tempo angeglichen, mit dem heute Medien – genau so wie auch Musik – konsumiert werden.

  • Ja, absolut. Es ist so, wie Kunst sein sollte: frei.

  • Erklär mir doch mal, wie du an Songs arbeitest.

  • Ich habe ein 60-Euro-Mic von eBay mit einem Poppschutz. Für das habe ich mir selber einen Ständer gebastelt. Aufgenommen wird mit Fruity Loops. Am Anfang habe ich das mit Audacity gemacht. Aber da ich Beats auch in Fruity Loops produziere, ist es einfacher, die Vocals auch dort aufzunehmen: Erst die Mainspur, dann meistens die Doppler und die Adlibs in einer Tour. An Effekten benutze ich meistens Auto-Tune. Asadjohn aus Berlin hat mir da ein bisschen was erklärt und seitdem mache ich das selber.

  • Die Beats machst du auch komplett in Fruity Loops, ja?

  • Richtig. Ich spiele alles mit der Tastatur ein. Keyboard kann ich eh nicht spielen. Das geht also voll klar.

  • Die Beats von Juicy Gay klingen ja ganz anders als die von Kellerkind und sind vielmehr Synthie- als Samplelastig. Hast du dir das alles selbst beigebracht oder aus Tutorials abgeguckt?

  • Ja, ich habe mir sehr viele Tutorials angeguckt und mache vieles auch nach Gehör und probiere solange herum, bis es passt.

  • Nach was für Tutorials sucht man da denn dann? »Young Thug Type Beat Tutorial« oder wie?

  • Ja, genau. (lacht) Man kann auch noch »Keys« oder »Sounds« dazu eingeben.

  • Deine Songs entstehen – wie zum Beispiel »Deutscher Bär« – ja manchmal sehr schnell. Du hast gerade schon gesagt, dass du die Texte manchmal auch freestylest. Wie lange sitzt du dann an Texten, wenn du sie doch mal schreibst?

  • »Deutscher Bär« hat 20 oder 30 Minuten gedauert. Wenn ich Freestyle geht das meistens in 10 Minuten. Ich denke mir die Lines vorher aus und cutte anschließend dann noch ein bisschen dran rum.

  • Verändert das etwas an dem Song, wenn er gefreestyled ist?

  • Übertrieben! Ich feiere die Songs viel mehr, weil sie einfach noch viel freier und unverkrampfter sind. Man sagt im Prinzip ja, was man denkt.

  • Schreibst du denn manchmal auch mehrere Tage an einem Text oder mit etwas Abstand noch mal über einzelne Zeilen gehst?

  • Nein, eigentlich nicht. Was manchmal passiert, ist, dass ich einen Song aufnehme und merke, dass er nichts wird. Dann schmeiße ich alles weg – ist komplett egal.

  • »Alles, was mehr als eine Reimsilbe hat, ist wack!«Auf Twitter teilen
  • Wie wichtig sind Doppelreime?

  • Alles, was mehr als eine Reimsilbe hat, ist wack! (lacht) Nein, es kommt natürlich drauf an. Ich feiere es auch, wenn Tripplereime drin sind. Aber juckt. Mir ist auch egal, wenn die Leute – gerade in Deutschland – nicht auf einsilbige Reime klarkommen. Bei dem Trap-Flow ist das eben am einfachsten.

  • »Deutscher Bär« handelt von Manfred Horst, »Musik ist Haram« von Deso Dogg und in »Guaraná« behandelst du Sadi Gents Vorliebe für ein pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel. Da ist ja alles dabei. Wie wählst du die Themen für deine Songs aus?

  • Bei »Guaraná« habe mir zum Beispiel einfach das 16Bars-Interview mit Sadi Gent angesehen, an der Stelle ausgemacht, seine Stimme gesamplet und den Song gemacht. Wenn ich 10 Minuten später nicht mehr über eine Sache nachdenke, habe ich sie so sehr vergessen, dass da auch kein Song daraus werden muss.

  • »Ich bin der Erfinder von Kommentar-Rap!«Auf Twitter teilen
  • Eigentlich haben deine Songs ja immer Themen mit sehr konkretem Bezug. Sei es jetzt »Guaraná« oder Flers Homophobie. Ist Juicy Gay dann vielleicht auch jemand, der aus der Szene heraus dieselbe kommentiert?

  • (überlegt) Jaaa, doch, kann schon sein. Ich beobachte das ja alles und gebe eben meinen Kommentar dazu ab – in welcher Form auch immer. Ich bin der Erfinder von Kommentar-Rap! (lacht)

  • Hast du die Diskussion um das Hashtag #almanhass neulich mitbekommen?

  • (lacht) Ja, klar. Wäre krass, wenn ich das nicht mitbekommen hätte. Ich weiß gar nicht, wo das herkam. Das ist richtig krass, weil der Typ ja Bilder von Massiv nimmt, aber Massiv gar nichts damit zu tun hat. Ich würde den Typen an der Stelle von Massiv auf jeden Fall verklagen. Was ich vor allem witzig finde: Eigentlich schreiben nur Deutsche das Hashtag. (lacht) Das ist ja eigentlich mehr als Joke gedacht.

  • Genau darüber wollte ich mit dir sprechen. #almanhass und auch dieser Vorfall, bei dem der Twitter-Nutzer ElectroSynek eine Pro7-Moderatorin als »Fiqqhure« bezeichnet hat, kam aus der HipHop-Szene beziehungsweise aus der RapUpdate-Community oder dem Swag-Mob und im Grunde aus der Money-Boy-Ecke.

  • Das ist echt krass, was das für Wellen schlägt, ja.

  • Erinnerst du dich noch, wann du ein Teil von diesem Mikrokosmos aus Memes und Insiderjokes geworden bist?

  • Eigentlich habe ich mir vor ungefähr einem Jahr nur wegen Money Boy einen Twitter-Account eingerichtet. (lacht) Ich glaube, dass viele andere das auch nur deswegen gemacht haben. Twitter ist halt eine richtige Community. Ich schreibe da viel mit Money-Boy-Fans, aber auch mit Leuten aus der RapUpdate-Community. 

  • Wie oft hängst du da so rum?

  • Ich weiß auch nicht. Aber es hat auf jeden Fall krasses Suchtpotential. (lacht) 

  • »Das ist wie ein zweites Leben.«Auf Twitter teilen
  • Aber warum? Worüber quatscht man da denn den ganzen Tag? Kannst du dieses »Geschwulst«, wie LGoony sagen würde, aus Memes, eigener Lingo, alten Deutschrap-Zitaten und dergleichen mal beschreiben?

  • Das ist eigentlich schon so was wie ein Second Life. Die Leute da haben ja nicht mal ihr echtes Gesicht als Profilbild, sondern denken sich oft einen Charakter aus, suchen sich ein passendes Bild dazu und spielen dann dort auf Twitter den ganzen Tag diese Rolle. Das ist wie ein zweites Leben. Gestern habe ich gesehen, wie jemand mit »Warum bist du überhaupt auf Twitter? Du hast da doch gar keine Freunde?« angeschrieben worden ist und die Antwort war: »Ja, genau deswegen.« Du kannst da halt einfach schreiben, was du willst. Es juckt keinen. Wenn du bei Facebook schreiben würdest, was du willst, wäre das auf jeden Fall problematischer.

  • Kannst du mir mal noch erklären, was mit diesem Alberto Sieef abgeht? Ich habe manchmal das Gefühl, dass der so ein bisschen wie ein Maskottchen für diese ganze Twitter-RapUpdate-Swag-Mob-Leute ist.

  • Was mit dem abgeht? Das ist echt eine gute Frage. Shoutout an den. Dessen Leben ist einfach ein krasses Meme. Für uns. Für ihn vermutlich nicht! (lacht)

  • Denkst du, dass das auch nur ein zeitliches Ding sein wird? Hans Entertainment interessiert ja niemanden mehr. Genau so wie das Wort Lellek.

  • Gute Frage. Das ist aber doch auch das Geile. Gerade auf Twitter geht das alles krass schnell. Man muss aber immer dranbleiben, sonst ist man nach ein paar Tagen ohne Twitter voll verloren.

  • Spannend ist aber auch, dass so Begriffe wie »Mois« jetzt wiederkommen. Das haben Snaga, Pillath und Manuellsen schon vor zehn Jahren gesagt.

  • Stimmt, »Mois« habe ich zum Beispiel bei Manuellsen mal auf »Azzlack Stereotyp« von Haftbefehl im Song »Dann mit der Pumpgun« gehört. Ich finde das auch so lustig, weil die Straßenrapper das früher halt gesagt haben.

  • Sehr zu empfehlen ist auch »Mois in the Hood« oder »Die Sendung mit dem Mois« von Decino. Der war damals der Bodyguard von Snaga & Pillath und ist da immer durch seine Hood patrouilliert und hat die Leute durch seine Hood geführt.

  • Die Frage ist echt, wer das zurückgebracht hat. War das Money Boy?

  • Ich weiß es auch nicht. Kann gut sein. Lachkick hat er auf jeden Fall zurückgebracht. Das gab es vor zehn Jahren auch schon mal und alle Leute haben Lachkick als Adjektiv verwendet.

  • Echt? Das wusste ich gar nicht! Aber so läuft das halt: Einer hat eine Idee und dann wird sie von jemand anderem weiterentwickelt.

  • »80 Prozent sind ernstgemeint.«Auf Twitter teilen
  • Wenn wir uns so unterhalten erweckt es den Eindruck, als wenn das alles ein riesengroßer Joke wäre. Ist denn gar nichts von deiner Kunst ernstgemeint?

  • Doch, schon. Eigentlich fast alles. Klar gibt es Sachen, die ich mit einem Augenzwinkern sage oder rappe, aber 80 Prozent sind ernstgemeint.

  • Trotzdem haten die sogenannten Realkeeper die Musik von dir und Leuten wie LGoony. Was entgegnet man solchen Leuten denn?

  • (überlegt) Keine Ahnung. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir realer sind als die. Denn die sehen gar keinen Fortschritt und sind in ihrer Zeit hängengeblieben. Für die ist HipHop immer ein und dieselbe Sache nach dem gleichen Schema. Aber das macht keinen Sinn. HipHop muss sich weiterentwickeln – aber die wollen das nicht begreifen.

  • Womit kann man diese Leute am meisten auf die Palme bringen?

  • Indem man Musik so wie ich macht – denn es gibt keine Grenzen und keine Schranken. Das müssen diese Leute endlich checken.