Schivv »Curse rappte genau so, wie wir das alle hören wollten.«

Curse feiert 15 Jahre »Feuerwasser« und ALL GOOD feiert mit einer umfassenden Berichterstattung mit. Schivv, Teil der Kölner Rap-Urgesteine DCS, darf als ganz früher Curse-Supporter natürlich nicht fehlen.

Schivv

Als Teil von DCS (Die Coolen Säue) aus Köln ist der Rapper Schivv (neben PeerBee, Ro Kallis und DJ Lifeforce) ein echtes HipHop-Urgestein. Bei lokalen Jams chillt er Anfang der Neunziger neben Gruppen wie Exponential Enjoyment, LSD sowie STF und wird mit DCS vom Majorlabel EMI unter Vertrag genommen – um zwei Alben später auf dem Dortmunder Kult-Label Deck8 die Platte »1999… Von vorne« zu veröffentlichen. Als ganz früher Support von Curse sind DCS natürlich Teil von La Familia: PeerBee taucht mit zwei Beats auf »Feuerwasser« auf und Schivv gastiert als Vocal-Cut auf »Zehn Rap Gesetze«.

Mittlerweile sind die Mitglieder von DCS erfolgreiche Rechtsanwälte und Werber, die das Rap-Ding aber immer noch nicht ganz sein lassen können. Beim Jubiläumskonzert von »Feuerwasser« im Jahr 2010 treten Die Coolen Säue nach vielen Jahren wieder gemeinsam auf – und lecken Blut: Zwölf Jahre nach dem letzten Album erscheint 2012 dann »Silber«.

Das Interview mit Schivv ist Teil der Berichterstattung zum 15-jährigen Jubiläum von Curse‘ Klassiker »Feuerwasser«. Die Feierlichkeiten werden von der großen, exklusiv von ALL GOOD präsentierten »Feuerwasser 15«-Tour ab November begleitet. Es steht für das Jubiläum aber noch mehr an: Am 20. November veröffentlicht Curse eine Re-Edition seines legendären Debütalbums. Neben den üblichen CD- und Vinyl-Formaten wird es auch eine limitierte Collector’s Edition geben, in der neben Sechsfach-Vinyl und allerlei Bonus-Material auch das Buch »Warum hört ihr mir eigentlich zu?« enthalten ist, das die Autoren von ALL GOOD geschrieben haben. Diese limitierte »Feuerwasser 15«-Edition kann man ab sofort hier vorbestellen. Für die Berichterstattung zum Feuerwasser15-Jubiläum muss natürlich auch ein Schivv-Interview sein – allein für die Anekdote, was DCS und STF damals Curse zu seinem 18. Geburtstag geschenkt haben.

  • Wann und wie hast du zum ersten Mal von Curse gehört?

  • Das muss so im Frühjahr/Sommer 1996 gewesen sein. Damals hat mir Scope erstmalig von Mike erzählt und mir auch ein paar Tracks von ihm gezeigt. Ich glaube, da gab es so ein Tape von ihm. Wir waren damals spontan sehr beeindruckt. Das war die Zeit, in der man noch »Illmatic« – und was dieses Album mit Rap gemacht hat – verdaut hat. Dann kam da so ein Typ mit einem mysteriösen US-Background um die Ecke und rappt genau so, wie wir das alle hören wollten.

  • Was war dein erster Eindruck bei eurem ersten Treffen?

  • Daran kann ich mich ganz gut erinnern. Das war im Sommer 1996 beim Ringfest im Rahmen der Popkomm. Wir hatten mit DCS unseren Sommer – wir waren für zwei Cometen nominiert, hatten unsere erste Single auf »VIVA«- und »MTV«-Rotation und schwebten so ein bisschen durch die Gegend. Wir hatten eine Show beim Ringfest, zu der für uns gefühlt ganz Köln gekommen ist. Nach der Show, Ecke Maastricher Straße/Ring, stand da eben Curse herum und stellte sich vor. Er war sehr bescheiden, respektvoll, aber trotzdem wirkte er selbstbewusst. So wie man sich das wünscht. Er gab uns Props für unsere Show, ohne sich anzubiedern oder zu verstellen. Wir haben dann ein bisschen über Musik gesprochen. Ich gab ihm Props für das, was ich von ihm gehört habe und wünschte ihm alles Gute. Seine doch recht spezielle Art hat mir damals imponiert, zumal er ja noch sehr jung war.

  • Welche Verbindungen hatte Curse in der Szene?

  • Er kam schon so ein bisschen aus dem Nichts. Minden halt… no offense. Wir haben erstmalig über Scope von ihm gehört – das muss dann also irgendwie seine Verbindung gewesen sein. Keine Ahnung, wie die zustande kam.

  • Ihr müsst euch ja in der Zeit um 1999 öfters gesehen haben – auch durch das Feature auf »1999… Von Vorne«, oder?

  • Ja, da gab es eine Verbindung und wir haben uns immer wieder gesehen. Wir sind damals ein paar mal bei ihm in der Gegend aufgetreten – Salzuflen, Bad Oeynhausen und so weiter. Er ist mit Rico, Dennis und Scan immer vorbeigekommen, um uns als Klan zu supporten und den Vor-Act zu machen. Das war immer extrem nett, von gegenseitiger Wertschätzung geprägt, stark alkoholisch und raplastig. Er war damals auch häufiger bei uns in Köln in der Ehrenfelder Bude, im Beatz-aus-der-Bude-Studio.

  • »Curse war ein kompletter Rapper und durfte diese Gesetze gerne aufstellen.«Auf Twitter teilen
  • Kannst du was zu den zwei Beats von Peerbee auf »Feuerwasser« erzählen?

  • Peer hatte einfach eine goldene Phase damals. Er hat sehr früh verstanden, wie das soundmäßig zu funktionieren hat. Er hatte diesen Erick-Sermon-Funk, aber eben auch schon viel Frankreich verdaut, plus ein extrem gutes Gefühl für Sounds – sowohl Samples als auch Drums. Und eben diesen Peer-Wahnsinn, aus dem dann verrückt dicke Beats entstanden sind. Mike ist das nicht entgangen. Wir waren ja recht viel in Kontakt damals – und er hat bei ihm eben sehr genau hingehört. Mit »Hassliebe« hat er in jedem Falle auch einen der großartigsten Peer-Beats gepickt und, aus meiner Sicht, einen seiner besten Tracks überhaupt daraus gemacht. Ich war damals schon ein bisschen neidisch, dass wir den Beat nicht bekommen haben – wie das halt so ist. Aber ich war gleichzeitig auch stolz auf das Ergebnis.

  • Du hast einen speziellen Auftritt auf »Zehn Rap Gesetze« mit dem Vocal-Cut – wurdest du um Erlaubnis gefragt?

  • Jau, »Setz’ dich hin, spitz’ den Stift, nimm’ Papier«. Ne, gefragt hat er nicht. Musste er aber auch nicht. Das lief damals noch etwas anders. Da war das gegenseitige Verwenden von Vocal Cuts eine gegenseitige Respektsbekundung. Und so habe ich das auch verstanden. Ich habe mich darüber extrem gefreut und empfand das eben als Respektsbekundung – als Zeichen einer gewissen Verwandtschaft. Zumal »Stift und Papier«, mein Solo-Song, aus dem Mike den Cut entnommen hat, mir sehr am Herzen lag. Und ich hatte damit auch das Gefühl, mit dem Track von ihm verstanden worden zu sein. 

  • Wie war es für euch aus der »älteren Generation«, als dieser 22-Jährige sich das Recht herausnahm, zehn Rap-Gesetze aufzustellen?

  • Das war okay. Curse war ein kompletter Rapper und durfte diese Gesetze gerne aufstellen.

  • Was war besonders an »Feuerwasser«?

  • »Feuerwasser« war halt roh, trotzdem geschmackssicher und gleichzeitig hatte Curse sich textlich schon zu einem gewissen Punkt gefunden und eine Reimtechnik, die über jeden Zweifel erhaben war – und eben diese perfekte Rapstimme. Er hat in irgendeinem »Juice«-Interview damals mal gesagt, dass er nach einem Gespräch mit mir seinen Ansatz zu Texten überdacht hätte. Ich hätte ich ihm wohl mal mitgegeben, dass er, wenn er die Leute berühren will, etwas über sich sagen muss und nicht nur die reine Rapmaschine sein darf. Darüber habe ich mich natürlich gefreut. Man hat »Feuerwasser« genau angehört, dass Mike – obwohl er jung war – bereit war, sich zu öffnen, um die Leute an seinem Innenleben, an seiner Zerrissenheit teilhaben zu lassen.

  • »Essentieller Hardcore-Rap auf extrem hohem Niveau mit unpeinlichen Emo-Anteilen.«Auf Twitter teilen
  • Wie passte das Album musikalisch in die Zeit?

  • Optimal. Es hat eine neue Dimension hinzugefügt. Essentieller Hardcore-Rap auf extrem hohem Niveau mit unpeinlichen Emo-Anteilen.

  • Was hieltet ihr von der visuellen Erscheinung von Curse, seinem Auftreten und Style?

  • Das passte, wie es war. Er hatte ja ein bisschen dieses »wunderliches Wunderkind«-Image – schlau, schnell, bisschen verschroben, extrem nah an der Kunstform. Dazu passte diese Lederjacke-Glatze-Brille-Grüner-Tee-und-Samuraischwert-Kombi.

  • Wie war die Stimmung in der Szene gegenüber Curse und seinem Debüt?

  • Alle haben sich drauf gefreut. Er wurde aus meiner Sicht mit ziemlich offenen Armen empfangen.

  • Inwieweit kannst du den kommerziellen Erfolg von »Feuerwasser« einschätzen?

  • Ich glaube, das Album lief verdientermaßen ganz gut damals. Ich kenne aber die Zahlen nicht. Wir waren ja mit ihm, Tefla & Jaleel, Pyranja und Lenny auf »Feuerwasser«-Tour und haben ein paar Wochen sehr intensiv miteinander rumgehangen. Ich kann mich noch erinnern, wie wir im Tourbus saßen und er von einem Labelmenschen angerufen wurde, der ihm die Chartposition durchgegeben hat. Wir haben uns alle sehr gefreut. Da man damals so eng auf einem Raum war, war sein Erfolg irgendwie unser aller Erfolg.

  • Wurde die Szene von Curse im Allgemeinen und »Feuerwasser« im Speziellen irgendwie beeinflusst?

  • Ich glaube schon. Er hat das Rap-Ding technisch und inhaltlich einfach noch mal geöffnet, auf ein neues Level gehoben. Da haben alle schon ziemlich genau hingehört und sind dann nach Hause gegangen, um ihre Hausaufgaben zu machen.

  • »Überdosierung in Minden.«Auf Twitter teilen
  • Wie findest du, ist »Feuerwasser« 15 Jahre später gealtert?

  • Gut. Klar würde er die Dinge heute anders sagen, aber er war halt um die 18 Jahre alt. Er hat aber einfach ziemlich gut gepickt damals und war in der Lage, sich textlich schon etwas zu trauen. Die Reime gehen auch bis heute klar – und stimmlich, stilistisch hält das ebenfalls immer noch stand. Ein Bomben-Debütalbum.

  • Kennst du sonst noch irgendwelche Storys über »Feuerwasser«?

  • Boah, wir haben in einer bestimmten Phase rund um »Feuerwasser« schon recht viel Zeit zusammen verbracht, hatten viele Shows gemeinsam und haben daher auch tausende gemeinsame Geschichten. Unseren Song »Open Spaces« mitsamt durchgemachter Nacht in Mikes erster Wohnung zum Beispiel. Er konnte über Stunden Commons damaliges Album sezieren und wurde im Gegensatz zu uns davon nicht müde – meine Common-Phase kam erst viel später. Sein damaliger Manager Götz Gottschalk wollte uns beide dann mal enger zusammenbringen. Ich sollte perspektivisch sein Back-Up werden, aber eben auch mit eigenen Songs. In dem Setup haben wir auch eine Show bei der »Juice Jam« in München zusammen gemacht. Dann sollte er den Support für die Ol’-Dirty-Bastard-Tour machen und wollte mich als seinen Back-Up mitnehmen. Ich bin dann für ein paar Tage für die Vorbereitungen nach Minden gefahren. In der Zeit haben wir einen Track aufgenommen, auf einem wahnsinnigen Beat von Busy, der aber nie erschienen ist. Lord Scan hat uns permanent mit diesem teuflisch genmanipulierten Holland-Hydro versorgt. Das hat dazu geführt, dass ich danach aufhören musste zu rauchen – Überdosierung in Minden. 

    Ol‘ Dirty hat dann wohl auch irgendwo überdosiert und die Tour fiel aus. Die ganze »Feuerwasser«-Tour im Jahr darauf war dann ein Riesenfilm mit tausenden kleinen Geschichten. Dann der »Swingerclub«-Videodreh im legendären Zwielicht in Berlin. Eine Top-Story ist auf jeden Fall auch, dass wir damals auf seinem 18. Geburtstag in Minden waren. Er hatte uns gemeinsam mit den STF-Jungs, dem Klan und den ganzen anderen Mindener Verrückten in den Partykeller seiner Eltern eingeladen, bei denen er damals noch wohnte. Kallis und ich sind mit Peter, Haluk und Scope runtergefahren und haben eine Nacht Mindener Gastfreundschaft und Sauf-Habits miterlebt. Wir haben ihm damals – wir wussten, dass er gerade dabei war, eine eigene Wohnung zu suchen – tatsächlich einen Staubsauger geschenkt. Sein komplett fassungsloses Gesicht, als er das Paket aufgemacht hat, ist unvergessen: »Meine Kölner Rap-Jungs schenken mir zum 18. Geburtstag tatsächlich einen Staubsauger!«


  • Die exklusiv von ALL GOOD präsentierte »Feuerwasser15«-Tour startet am 20. November in Minden. Tickets gibt’s hier.

    Ebenfalls am 20. November erscheinen die verschiedenen Re-Editions von »Feuerwasser 15«. Die limitierte Collector’s Box enthält unter anderem das 100-seitige, von ALL GOOD geschriebene Liner-Notes-Buch »Warum hört ihr mir überhaupt zu?« — Hier geht’s zur Vorbestellung.