Ruthless – ein Nachruf auf Jerry Heller

Jerry & Eazy

Jerry Heller war eine der meistgedissten Persönlichkeiten im Rap. Doch selbst seine größten Widersacher müssen anerkennen, dass sie ihm eine der größten Rap-Gruppen aller Zeiten zu verdanken haben: N.W.A.

Am Freitag ist Jerry Heller im Alter von 75 Jahren verstorben – dies bestätigte sein Neffe Terry Heller heute gegenüber ALL GOOD.

Maßgeblich in die Gründung von Eazy-Es Label Ruthless Records involviert, fungierte er für »die gefährlichste Rap-Gruppe der Welt« als Manager. 

Mit HipHop kam Heller das erste Mal in Berührung, als er sich in einer Krise befand. In den 1960er und 70er Jahren war er ein erfolgreicher Musikmanager, holte Elton John und Pink Floyd in die USA, betreute Kraftwerk während ihrer ersten US-Tour. Als Musikagent arbeitete er für Künstler wie Marvin Gaye. Finanziell ging es ihm gut. Aber Mitte der Achtzigerjahre ließ sich Heller scheiden und wohnte mit fast 45 Jahren wieder bei seinen Eltern. Er war desillusioniert vom Musikgeschäft. Die noch junge Rap-Musik von Künstlern wie Run DMC war in seinen Ohren nur unmelodiöser Lärm. Dies änderte sich, als er zu dem kleinen Label Macola Records in Los Angeles kam und das Management von Gruppen wie JJ Fad, LA Dream Team und World Class Wreckin‘ Cru übernahm. Mit Erfolg.

Das sprach sich rum. Bis zu Ex-Drogendealer Eric »Eazy-E« Wright. Der war gerade dabei, N.W.A und sein eigenes Label zu gründen. In Heller sah er jemanden mit Erfahrung und den nötigen Kontakten. Der Legende nach zahlte Eazy-E Alonzo Williams von der World Class Wreckin‘ Cru 750 Dollar, um Jerry Heller vorgestellt zu werden. Heller ließ sich widerwillig darauf ein. Doch als Eazy-E ihm bei ihrem ersten Treffen im März 1987 »Boyz N The Hood« vorspielte, war Heller eines klar: »Das ist die bedeutendste Musik, die ich seit Mitte der Sechzigerjahre gehört habe.« Noch am selben Tag wurden Heller und Eazy Partner.



Ein Jahr später gelang N.W.A mit »Straight Outta Compton« der kommerzielle Durchbruch. Ein Album, das vor allem mit dem Song »Fuck Tha Police« die Zeit überdauert hat – ein Statement gegen Polizeigewalt, das heute wieder beziehungsweise immer noch brandaktuell ist. Ruthless Records entwickelte sich zu einem Multimillionen-Dollar-Unternehmen.

 Doch nicht alle waren mit dem Erfolg von N.W.A glücklich. Ice Cube fühlte sich von Heller finanziell benachteiligt und verließ die Gruppe. Nach einigen Spitzen von den übrigen N.W.A-Mitgliedern auf ihrem Album »Efil4zaggin« in Richtung Ice Cube konterte dieser mit einem der bekanntesten Diss-Tracks der Rap-Geschichte: »No Vaseline«. Darin bekam auch Heller, ein säkularer Jude, sein Fett weg: »’Cause you can’t be the ›Nigga 4 Life‹ crew / with a white Jew tellin‘ you what to do«. Der Geld unterschlagende Jude – ein uraltes antisemitisches Klischee. Tatsächlich ist es den Anschuldigungen Ice Cubes und seinem Song »No Vaselin« zu verdanken, dass Heller im HipHop für viele als Symbol für Veruntreuung steht. Dass Heller wiederholt darauf hinwies, niemals verklagt worden zu sein, änderte an dieser verbreiteten Meinung nichts.

Das einstige Erfolgsmodell Ruthlesss Records bröckelte weiter, als sich auch Hausproduzent Dr. Dre – ebenfalls unzufrieden mit seinem finanziellen Status – abwendete und auf seinem Soloalbum »The Chronic« sowohl mit Heller als auch mit Eazy abrechnete. 

Mit ihrer Entdeckung von Bone Thugs-N-Harmony bäumte sich das ungleiche Paar zwar noch einmal auf, doch währte diese Zeit nicht lange. Bei Eazy-E wurde HIV diagnostiziert. Sein Umfeld schirmte ihn vor Heller ab. Bis heute ist unklar, wieso. Angeblich soll sich Eazy-E wie Ice Cube und Dr. Dre in dem Glauben abgewendet haben, von seinem Mentor um Geld betrogen worden zu sein. Eazy-E starb innerhalb kurzer Zeit am 26. März 1995 an den Folgen von AIDS. 

Heller war am Boden zerstört. Eazy-E war für ihn wie ein Sohn. Umgekehrt soll Eazy in Heller eine Vaterfigur gesehen haben.

Bis zuletzt wurde Heller nicht müde zu betonen, dass seine Zeit mit Eazy-E und Ruthless Records beruflich die beste Zeit seines Lebens war. Im HipHop-Genre trat Heller nicht mehr in Erscheinung. 2006 veröffentlichte er seine Memoiren, »Ruthless«, in denen er erstmals Stellung zu all den Anschuldigungen nahm. Auch in den sozialen Medien sprach Heller in der Folge erstaunlich offen über seine Zeit mit Ruthless. Dann wurden seine Beiträge immer weniger, Interviews selten. 

Nach dem erfolgreichen Kinofilm »Straight Outta Compton« verklagte Heller die Filmemacher, darunter Dr. Dre, Ice Cube und Tomica Woods-Wright (die Witwe von Eazy-E und heutige Inhaberin von Ruthless Records) auf eine Millionensumme – wegen Tatsachenverdrehung und Rufschädigung. Zweifelsohne haben die Filmemacher für die Inszenierung von Heller kaum ein antisemitisches Klischee ausgelassen. Dabei würde es den Film ohne Jerry Heller womöglich gar nicht geben. Denn wer weiß schon, ob N.W.A und Ruthless Records ohne die Erfahrung und Kontakte von Jerry Heller derselbe Erfolg beschieden gewesen wäre.