Es herrscht Krieg in Chiraq – das weiß auch Common.

Common Vince Staples Kingdom

Auch wenn sich Common in seiner Karriere den einen oder anderen Fehltritt geleistet hat, als A&R des eigenen Künstler-geführten Labels hat er sich nie – wie viele seiner Kollegen – bis zur Peinlichkeit aufgespielt. Er ist einer der wenigen etablierten Rapper, die sich nie einen jungen Zögling zur Seite gestellt haben. So war Common aber auch nie bekannt dafür, ein Förderer der Jugend zu sein. Vielleicht auch, weil sich Common selbst immer erwachsener gemacht hat, als er tatsächlich war. Wer sonst macht bitte mit 22 Jahren einen Song wie »I Used to Love H.E.R.«? Auf seinem neuen Track »Kingdom« hat er jetzt einen der interessantesten Jungspunde auf ein Gastspiel eingeladen: Vince Staples aus Long Beach, Kalifornien. Und was für eins.

Mit »Nobody’s Smiling« erscheint Ende Juli Commons zehntes Studioalbum. Allem Anschein nach wird die Platte keine Abkehr von der von Fans und Kritikern lieb gewonnenen musikalischen Fahrtrichtung der jüngeren Vergangenheit des mittlerweile 42-jährigen. Das beweist der Track »Kingdom« mit Vince Staples. So ungewohnt die Wahl des Gastes, so vertraut die weltbewegenden Drums von Commons treustem Wegbegleiter No I.D. Eine wahre Freude, wie sich No I.D. – der ja längst hauptamtlich als Executive VP bei Def Jam tätig ist – jeglichen aktuellen perkussiven Strömungen verschließt, das Hi-Hat-Zuckeln den jungen Wilden mit ihren Producer Drops überlässt und die organischsten Trommeln und Becken aus seinen Geräten zaubert. »Drum Machines have no soul«? Von wegen! Wenn dazu noch der Kirchenchor den Gospel predigt, kann sich eigentlich jeder freuen, für den zwischen »Resurrection«, »One Day It’ll All Make Sense«, »Like Water For Chocolate«, »Be« und, ja auch, »The Dreamer/The Believer« etwas dabei war.

Ist ja nicht so, dass Common nicht ohnehin schon dem Ghetto Gospel aus Chi-City seinen Stempel aufgedrückt hätte. Nun ist das Chicago von heute aber halt auch nicht mehr das Chicago von »Confusion«. There’s a war going on outside no Lil Wie-auch-immer is safe from. Die Southside hat einst Common und Obama gemacht, aber heute herrscht richtig Krieg in Chiraq. Das weiß natürlich auch Common. »Back and forth in these streets, that’s the rhythm.«

Und dann die traurige Geschichte, die man derzeit ein ums andere Mal aus der Windy City hört: »My homie used to rap, he was about to get put on / At his funeral, listening to this church song«, tönt Common in seiner Bestform (no »Stay Schemin«-Remixgate). Und er nennt auch fast Namen. »Shots ripping through his True Religion denim / These streets was my religion.« Den »True Religion Fiend« kennt man – und Onkel Common beäugt eher missmutig, was da derzeit in »seinen« Straßen passiert. Oder? Ach was, Papa (!) Common macht sich Sorgen. Das sind alle seine Kinder, deswegen macht er sich richtig Sorgen. There’s a war going on outside no man is safe from.

Wie schlimm ist es wirklich? Sag es ihm, Vince!

»Used to take the bullets out so I could play with the revolver / Satan serenading ever since I was a toddler. Tell ’em talk is cheap, niggas living for the dollar / So in God we trust, leave the praying to my momma though. Another motherfucker out of control, just walking my soles low / Lit up with the abuse, they wasn’t for show, I promise every pistol was used.«

Bildgewaltig setzt Hype Williams den Track im dazugehörigen Clip in Szene. Es sind vertraute Bilder, die man aus Rap-Videos kennt: langsam rollende Luxusklasse-Wagen, diffuse Bilder von Animierdamen in schummrigem Rotlicht, klickende Handschellen, urbane Landschaftsaufnahmen in Slo-Mo. Die Personen sind austauschbar – so wie eigentlich immer. Doch hier sind die Gesichter geblurrt, die Menschen bleiben anonym. Auch von den musikalischen Protagonisten fehlt jede Spur. Eine zweite Performance-Ebene gibt es nicht. Common, Vince Staples und No I.D. lassen die Musik sprechen.